Genf

Voltaire in Genf - Les Délices

Voltaire suchte in Genf Schutz vor französischer und preußischer Verfolgung, vor allem aber vor der der katholischen Kirche. Dabei unterschätzte er jedoch die andauernde Bösartigkeit des calvinistischen Klerus, der 200 Jahre früher - Voltaire hat darauf immer wieder hingewiesen -, am 27.10.1553 auf direkten Befehl Calvins den spanischen Arzt und Theologen Michel Servet auf dem Scheiterhaufen lebendig verbrennen ließ, weil er die Dreieinigkeit von Gott-Vater, Gott-Sohn und Heiligem Geist ablehnte.

"In dem Wunsch, die Kirche Gottes von solcher Ansteckung zu reinigen und von ihr dieses verfaulte Glied abzuschneiden, ...gebunden zu werden und an den Ort Champel geführt zu werden, und ebendort an einen Pfahl gebunden und lebendig verbrannt zu werden, zusammen mit deinem von deiner Hand geschriebenen und dem gedruckten Buch, solange bis dein Körper in Asche verwandelt ist."

Nur 3 Exemplare seines Hauptwerkes Christianismi restitutio blieben erhalten. So dauerte es nicht lange, und Voltaire sah sich auch vom bigotten calvinistischen Klerus verfolgt, der nicht locker ließ, bis er Voltaire aus Genf vertrieben hatte.
Ihm wurde verboten, Theaterstücke aufzuführen, denn Schauspielerei fiel unter die Todsünden der Hoffart und des Luxus, man hetzte den Pöbel gegen ihn auf, weil er es gewagt hatte, das Theaterverbot in dem Artikel Genf der Enzyklopädie öffentlich zu machen und 1760 verjagte man ihn endgültig aus Les Délices. Voltaire bekam nicht einmal die Hälfte des ursprünglichen Kaufpreises zurück.
Bei all dem tat sich Jean Jacques Rousseau sehr unrühmlich hervor. Der Verrat an Voltaire wird seiner Lebensgeschichte für immer als Makel anhaften.

Les Délices, Seitenansicht - das Anwesen  wurde erst von Voltaire 1757 so genannt, früher hieß es "Saint-Jean" und lag außerhalb der Stadtmauern. Damals konnte Voltaire noch den Genfer-See und die Alpen sehen.

Les-Délices - endlich ein Zuhause?

1754 Voltaire kommt am 12. Dez. aus Lyon nach Genf und wohnt zunächst beim Magistrat Francois Tronchin, dann, ab 14.12. in Prangins, dem Schloss der mit ihm befreundeten Bankiersfamilie Guiguer.

1755 Am 8. Februar 1755 erwirbt Voltaire Les Delices für 87.000 livres vom Genfer Rat Mallet. Seine Freude, endlich einen Ort gefunden zu haben, an dem er sich niederlassen kann kommt noch in seinen Erinnerungen deutlich zum Ausdruck.

Der berühmte Schauspieler Lekain kommt und übernimmt die Rolle des Dschingis Khan in Voltaires Tragödie L`Orphelin de la Chine, die schon im August in “Les Délices“ aufgeführt wird.
Die Nichte Voltaires (und auch seine Geliebte), Madame Dénis kommt aus Paris. 
Die Theatertätigkeit Voltaires wird von den Genfer Bürgern begeistert aufgenommen. Das veranlasst wiederum den kalvinistischen Klerus, leider unterstützt von J.J. Rousseau, den Mob gegen Voltaire aufzuhetzen und am 31. Juli ein Theaterverbot gegen Voltaire zu verhängen.

Auch Casanova besucht Voltaire in Les Délices. Über seine Treffen (und über den durchaus doppelten Boden der wohlanständigen Bürger Genfs) mit Voltaire erzählt er in:
Geschichte meines Lebens, Band VI, Kapitel X (S. 240-268)

1756 Admiral John Byng wird in England wegen Feigheit im Kampf gegen die Franzosen vor ein Kriegsgericht gestellt. Voltaire interveniert zu seinen Gunsten, ohne Erfolg: Byng wird am 14. 3. 1757 zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Veröffentlichung der Essay sur les moeurs.
D'Alembert kommt zu Besuch in Les Délices.

1757 Der von Voltaire inspirierte Artikel Genf erscheint in der Enzyklopädie und verteidigt das Theaterspielen, was den Genfer Klerus noch stärker erbost.
Mme de Epinay, Freundin Grimms, besucht Les Délices.
Reise nach Mannheim.
Anmietung eines Stadthauses in Lausanne.

1758 Voltaire wird bedroht, man will ihm das Haus anzünden, er plant, Les Délices aufzugeben.
Juli und August: Reise nach Schwetzingen

Voltaire schreibt an Candide.
Voltaire kauft auf der französischen Seite der Grenze, die Grafschaft Tournay und richtet dort ein Theater ein.

1759 Tancrède wird im Oktober in Tournay  aufgeführt

1760 Voltaire verläßt Les Delices und erst 1765 erhält er 38.000 livres für das von  ihm hergerichtete Gebäude. Später wird es die Familie Tronchin kaufen.

Werke - in Les Délices entstanden

Les Délices - Eingang Strassenseite

die antiklerikalen und gesellschaftskritischen Schriften:

- Artikel “Genf” in der Enzyklopädie 1756
- Jusqu’à quel point on doit tromper le peuple.(Bis zu welchem Ausmaß man das Volk täuschen soll) 1756   Hier nur der erste Satz:
“C’est une très grande question, mais peu agitée, de savoir jusqu’à quel degré le peuple, c’est-à-dire neuf parts du genre humain sur dix, doit être traité comme des singes.” (Es ist eine sehr gewichtige, aber wenig behandelte Frage, bis zu welchem Ausmaß das Volk, das heißt neun von zehn Teilen der Menschheit, wie Affen behandelt werden soll).
 

die Romane und Erzählungen:

- Les deux consolés. (Die beiden Getrösteten) 1756
- Histoire des voyages de Scarmentado, écrite par lui-même
(Geschichte der Reisen Scarmentados) 1756
- Le Songe de Platon ( Platons Traum) 1756

 

die Tragödien:

- L'Orphelin de la Chine 1755
- Tancrède 1759
 

die Versdichtungen:

Poème sur le désastre de Lisbonne ou examen de cet axiom: tout est bon(Gedicht über das Erdbeben von Lissabon oder Untersuchung über das Axiom: Alles ist gut) 1755
La pucelle d`Orleans (Die Jungfrau von Orleans) 1755
die historischen Schriften:
Essai sur les moeurs (Essai über die Sitten und den Geist der Völker) 1756,das Werk war schon beim Studienaufenthalt in Senones weitgehend fertiggestellt.
-Artikel Histoire für die Enzyklopädie 1756
-Histoire de la Russie (Geschichte Rußlands unter Peter dem Großen) 1759
die philosophischen Schriften:
- Dialogue entre un brachmane et un jésuite sur la nécessité et l’enchaînement des choses (Dialog zwischen einem Brahmanen und einem Jesuiten über die Notwendigkeit und den Zusammenhang der Dinge) 1756
- Dialogues entre Lucrèce et Posidonius.(Dialoge zwischen Lukrez und Poseidonius) 1756

Genf und Voltaire heute

Les Délices: Das Nachbargrundstück - Le Clos Voltaire, mit Veranstaltungsräumen

Les Delices liegt heute mitten in Genf, nur wenige Minuten vom Hauptbahnhof entfernt, man geht einen kleinen Hügel hinauf und, je näher man kommt, desto häufiger mehren sich die Anzeichen, dass hier früher das Reich Voltaires begann: es gibt ein Restaurant, ein Café, eine Wäscherei Voltaire, alles heißt hier nach Voltaire, natürlich auch die große Hauptverkehrsstraße selbst, von der man seitlich in die Rue Les Délices einbiegt - und plötzlich steht man vor dem ansehnlichen, sehr hübsch restaurierten, von einem kleinen Grünstreifen umgebenen Gebäude Les Délices. Heute beherbergt es das Institut Voltaire, eine Forschungseinrichtung, und ein Voltaire-Museum mit zahlreichen, bedeutenden Handschriften Voltaires. Mit Voranmeldung werden Führungen durch die Ausstellung angeboten. In der Umgebung sind große Wohnblocks und ein älteres, etwas baufälliges Haus (2017:renoviert) mit Park ist ein Begegnungszentrum des Viertels, wo man sich im Garten mit Skulpturen beschäftigt hat, die sich mittlerweile in ihre Bestandteile auflösen. Macht Les Délices seinem Namen alle Ehre und zeigt, was man in einem Land mit dem in 600 Jahren ohne Krieg gesparten Geld erreichen kann, ist die Umgebung eher weniger délicieux und verweist auf die Kehrseite der Medaille: das Geld wandert nicht in alle Taschen.

Institut et Musée Voltaire. Les Délices, Rue des Délices 25, 1203 Genève, Tel.0041 223447133 institut.voltaire@ville-ge.ch Öffnungszeiten: Mo - Fr 14 - 17.00, und am ersten Samstag eines jeden Monats, sonst Voranmeldung, Führungen werden organisiert.

Über die Bibliothek, den Katalog, die Bibliotheksordnung informiert die Seite: Genef Bibliothek Musee Voltaire/

Fontainebleau

Voltaire in Fontainebleau

fontainebleau
Fontainebleau, Schauseite

Das Chateau de Fontainebleau wurde im 16.Jahrhundert unter Francois I. als Kunsttempel der Renaissance erbaut und gilt als Zentralbau der italienischen Renaissance in Frankreich.

Unter Henri IV entwickelte sich hier die von ihm geförderte (zweite) Schule von Fontainebleau mit Malern wie Ambroise Dubois und Martin Fréminet, die sich von den religiösen Themen abwandten und stattdessen Szenen aus der antiken Mythologie malten. Sie ist heute vor allem durch ihre erotischen Gemälde bekannt, besonders durch das rätselhafte Porträt der Duchesse de Villars und Gabrielle d'Estrées, das heute im Louvre hängt:

Bis in unsere Zeit diente das Schloß mit seinem riesigen Park der jeweiligen Herrscherfamilie/Regierung als Jagdschloss, Regierungssitz und als Festsaal. Ludwig XIV bevorzugte zwar Versailles, ließ aber immerhin in Fontainebleau ein Theater einbauen. Am 16.10.1685 verkündete er von hier aus sein unheilvolles Edikt von Fontainebleau, das den Hugenotten in Frankreich die Ausübung ihrer Religion verbot. 200.000 Menschen, unter ihnen viele Handwerker und auch Wissenschaftler, verliessen daraufhin Frankreich. Der preußische Hof ergriff die günstige Gelegenheit und nahm viele von ihnen auf. Sie siedelten sich in Potsdam, aber auch in Berlin an, wo die französische Kirche auf dem Gendarmenmarkt eine kleine, sehenswerte Ausstellung zu ihrer Geschichte zeigt.

Ludwig XV. heiratete im September 1725 in Fontainebleau Marie-Sophie-Félicité Leszczynski, Tochter des nur kurze Zeit amtierenden Königs von Polen, Stansilas. Die Hochzeitsfeierlichkeiten, zu denen auch Voltaire beitrug, dauerten bis in den November hinein.

Für Voltaire war das Schloß Fontainebleau eher ein unangenehmer Ort: Seine mit ihm verbundenen Bemühungen, vom Hof Ludwig XV unterstützt zu werden, hatten wenig Erfolg und auch in der Zeit seiner Freundschaft mit Emilie du Chatelet war er dort eher geduldet als erwünscht.

Voltaire in Fontainebleau

park fontainebleau1725 September
Für Ludwig XV. pompöse Hochzeit verfasst Voltaire ein Hochzeitsgedicht, widmet der Königin seine Tragödien Ödipus und Mariamne. Als große Gunst spielt man hier Mariamne und Voltaires Komödie L'Indiscret vor erlauchtem Publikum. Man darf das getrost als Marketingaktion verstehen, die genauso nötig war wie 'Ehrenbezeugungen' (um sie nicht anders zu nennen) an heutige Mächtige auch. In einem Brief an seine (kranke) Freundin Madame de Bernières schreibt Voltaire:

"Was man so fälschlich die Vergnügungen des Hofes nennt, wiegt nichts gegenüber der Befriedigung, die es verschafft, Freunde zu trösten, Seien Sie mir gewiss, dass es mir viel süßer wäre, ihre Leiden zu teilen als hier unserer neuen Königin den Hof zu machen".

Die Hof-Aktion lohnt sich scheinbar, denn die Königin schreibt ihm eine Leibrente in Höhe von 1500 Livres jährlich aus - die ihm allerdings zunächst nicht ausbezahlt wird - wie heute hat auch damals das Postgeheimnis nicht viel gegolten. Erst 1728 gelingt es Voltaire durch geschicktes Taktieren an das Geld heranzukommen.

Ab 1744
Madame de Pompadour wird in diesem Jahr die bevorzugte Geliebte des Königs. Voltaire hält sich jetzt öfter in Fontainebleau auf, wenn im Herbst der Königshof Fontainebleau zum Mittelpunkt seiner Veranstaltungen macht, so im Oktober 1745,1746 und 1747, meist als Begleiter seiner Lebensgefährtin Emilie du Châtelet. Diese, eine leidenschaftliche Spielerin, verliert 1747 am Kartentisch die enorme Summe von 84.000 Pfund. Voltaire warnt sie auf Englisch: "Hören Sie auf, sehen Sie denn nicht, dass Sie mit Schurken spielen?" Das wird der Königin hinterbracht, Voltaire entzieht sich einer Verhaftung durch blitzartige Flucht nach Sceaux, um sich dort zu verstecken und erst einmal Gras über die Sache wachsen zu lassen. Die Angelegenheit kann wirklich begraben werden (84.000 Livres nicht, sie müssen bezahlt werden) und 1749 sieht man Voltaire wieder - ein letztes Mal - in Fontainebleau. 

1768
Für Christian, den König von Dänemark, wird im Schloß Voltaires Tragödie Tancrède aufgeführt, er macht in Frankreich während einer Europareise im Herbst 1768 in Fontainbleau Station. Sein Begleiter, der Arzt Johann Friedrich Struensee (1737 - 1772), ein Anhänger der Aufklärung, ist auf dieser Reise zum Freund des Königs geworden und wird im Anschluß in Dänemark sein Leibarzt, Ratgeber und Minister.

Der in Halle geborene Dr. Struensee fiel einer Adelsintrige zum Opfer und starb am 28 April 1772 auf dem Schafott.

Ein Besuch in Fontainebleau (2006)

Das Schloss Fontainebleau ist ruhiger als Versailles, nicht so überlaufen und sein schöner Park lädt wirklich zum Entspannen ein. Das Schloss enthält als eines der wenigen in Frankreich noch originale Einrichtungsgegenstände aus dem 16. Jahrhundert und ist seit 1982 Weltkulturerbe der UNESCO. Verschiedene Ausstellungsräume und Gemälde erinnern an die glorreiche Vergangenheit des Schlosses: An François I, Henri IV, Louis XV.

Napoleon I, der sich hier von Papst Pius krönen ließ, ist eine ganze Ausstellung gewidmet, hier steht noch der Krönungsstuhl - und das Bett von Joséphine.

Und natürlich findet man, vor allem in der Galerie François I., Werke der Schule von Fontainebleau, die, unter François I. und Henri IV stark gefördert,  maßgeblichen Einfluss auf die europäische Malerei ausübte und gründlich mit der religiösen Malerei abschloss.

Zu den Ausstellungen und Öffnungszeiten informiert: www.musee-chateau-fontainebleau.fr
Der Artikel in Wikipedia (nur im französischsprachigen!) erzählt sehr detailreich alles zur Geschichte und zu den einzelnen Räumen des Schlosses.

Bildergalerie

schloss

Schloss

pavillon

Pavillon

park

Park 1

park

Park 2

park

Skulptur 1

statue

Skulptur 2

 

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Ferney

Ferney - Voltaire

Ferney, am Fuße des französischen Juragebirges, im Tal des Genfersee gelegen, kaum 30 Minuten von Genf entfernt, war Voltaires Alterssitz von 1759 bis 1778. Hier war er sicher vor den Nachstellungen der Genfer und auch nah genug an der Grenze Frankreichs, so dass ihm Fluchtmöglichkeiten jederzeit offen standen. Als Voltaire das Schloss kaufte, nahm er umfangreiche Renovierungs- und Umbauarbeiten vor und hob in den folgenden Jahrzehnten das Leben der ganzen Dorfgemeinde auf ein höheres wirtschaftliches und kulturelles Niveau. Nicht umsonst heißt Ferney seit 1793 offiziell Ferney-Voltaire. Aber selbst in Ferney, das ihm so viel zu verdanken hatte, war er vor der Infamen, der niederträchtigen Kirche, nie ganz sicher. So durfte es Voltaire nicht wagen, das kleine Kirchlein in seinem Park, das einer geplanten zentralen Zufahrtstasse im Wege stand, abreißen oder versetzen zu lassen. Voltaire renovierte die Kirche und widmete sie Gott selbst - die einzige Kirche in ganz Frankreich, die Gott - es muss nicht der christliche sein - direkt gewidmet wurde und nicht einem später ernannten menschlichen Stellvertreter. In Ferney entstanden die zentralen religionskritischen Arbeiten Voltaires. 

Die kleine Kirche im Park von Schloss Ferney, auf deren Portal geschrieben steht: "Deo erexit Voltaire".

 

Ferney, Grundbesitz und Kirchenkampf

1758 am 11. Dezember: Voltaire erwirbt das lebenslange Nutzungsrecht der Grafschaft Tournay von Charles de Brosses, Baron de Monfalcon und kurz danach, 1759, die an Tournay anschließende Grafschaft und Schloss Ferney.

1759 nimmt Voltaire im baufälligen, doch dem Genfer Zugriff entzogenen Schloss Tournay  mit Tancrède den Theaterbetrieb auf und lässt Schloss Ferney nach seinen Wünschen als Wohnsitz herrichten. 

1760 Voltaire zieht mit Mme Denis in Ferney ein. Kaum ist Voltaire Herr von Ferney, versucht die Infame, ihm das Leben schwer zu machen. Der Pfarrer des benachbarten Moen fordert jetzt den jahrelang nicht erhobenen Zehnten von der Bauernschaft Ferneys, wohlwissend, dass diese die Schuld niemals bezahlen können. Voltaire muss die Summe übernehmen, kann sich jedoch kurze Zeit später revanchieren. Der Pfarrer will sich die Gunst einer schönen Witwe mit Gewalt versichern und lässt einen seiner Nebenbuhler halb totschlagen. Voltaire erreicht seine Verurteilung und die Rückzahlung des eingetriebenen Zehnten.

Voltaire nimmt die verarmte Tochter eines Neffen des großen Klassikers der französischen Tragödie, Corneille, in sein Haus auf  und gibt ihr zur Hochzeit eine ansehnliche Mitgift in die Ehe.

1761 Voltaire erreicht die Rückgabe der Ländereien, die sich ein Jesuitenkloster unrechtmässig von einer verarmten Familie unter den Nagel gerissen hatte. Als die Jesuiten 1764 aus Frankreich vertrieben werden, fällt sogar deren Besitz an die betrogene Familie zurück.
Für die Bewohner von Gex kämpft Voltaire für die Möglichkeit, die hohe Steuerlast durch eine Einmalzahlung abzulösen, was erst 1776, nach langem Prozess, zum Erfolg führt. Voltaire schreibt:
“Es ist ein schönes Gefühl, mein kleines Vaterland von der Habgier jener achtundsiebzig Häscher (die Steuerpächter) befreit zu haben, die nichts anderes waren als achtundsiebzig Strassenräuber, die im Namen des Königs wüteten”

1762 9. März Der Hugenotte Jean Calas aus Toulouse wird gegen alle Indizien, nur um ihn als Hugenotten abzuurteilen, wegen angeblicher Ermordung seines Sohnes zum Tode verurteilt und gerädert. ...mehr. Voltaire lädt die Söhne von Jean Calas nach Ferney ein

1763 Voltaire schreibt, entsetzt über die Ermordung von Jean Calas, seine berühmte Schrift Traité sur la Tolerance

1764 Am 4. Juni 1764 wird das Todesurteil gegen Jean Calas nachträglich aufgehoben.
Am 29. März  werden Pierre Paul Sirven, Hugenotte aus Castres bei Toulouse und seine Frau nach einem klassischen Inquisitionsprozess trotz klaren Alibis zum Tode verurteilt , sie sollen ihre zum Religionswechsel bereite Tochter getötet haben. Die Sirvens fliehen zu Voltaire, der sie aufnimmt. Voltaire: “Man schämt sich, ein Mensch zu sein, wen man sieht, dass in demselben Land komische Opern aufgeführt werden, an einem anderen Ort der Fanatismus dem Henker das Schwert in die Hand drückt.” Er unterstützt die Familie finanziell während vieler Jahre. Erst 1771 kann ein völliger Freispruch für die Sirvens erreicht werden.

1765 Voltaire unterstützt die Aufständischen “Natifs”, das heisst die Zugewanderten Handwerker Genfs gegen die eingesessene Bürgerschaft und den Rat, verstärkt seine Uhrenfabrikation durch Ansiedlung der Genfer Uhrmacher. Die Fabrikation wird durch Voltaires gute Kontakte zu den herrschenden Kreisen seiner Zeit ein Erfolg Wichtiges Bindeglied sind dabei der Graf von Choiseul, damaliger französischer Premierminister und seine Frau, sowie Katharina II von Russland. Sie machen die Uhren aus Ferney zu einem Verkaufsschlager. Es stellt sich die Frage, warum Voltaire nicht nach Paris zurückkehren konnte wenn er doch so mächtige Freunde wie die Choiseuls hatte? Die Antwort ist einfach: er hatte die mächtige Kirche gegen sich, eine Organisation, in jedem Dorf  Frankreichs vertreten und in einer Zeit, wo die Masse des Volkes Analphabeten waren, jederzeit in der Lage, ihre Schäfchen gegen unliebsame Gruppierungen, seien es Adlige oder Bürger, unter Ausnutzung des  Hasses gegen die Unterdrücker, aufzuhetzen. Ihr kam eine Stellung zu, die den heutigen Massenmedien entspricht, denen ebenfalls, mangels Überprüfungsmöglichkeiten, dank Obrigkeitsglauben und grassierender Dummheit das Allermeiste geglaubt wird.

1766 28. Februar: In Abbéville Todesurteil gegen den Chevalier de la Barre und M. d'Etallonde, weil sie sich gegenüber dem katholischen Glauben respektlos gezeigt haben sollen. Die Zeugenaussagen waren erzwungen, gefälscht und gekauft. Am 1 Juli wird der Chevalier de la Barre hingerichtet. Voltaire schreibt die  Relation de la mort du Chevalier de la Barre . D'Etallonde flüchtet nach Preussen. Voltaire kommt selbst in Gefahr, weil man bei de la Barre sein philosophisches Wörterbuch gefunden hatte. Er flüchtet eine kurze Zeit in den Bäderort  Rolle im Vaud und spielt mit dem Gedanken, nach Deutschland auszuwandern und in Kleve eine Art Exil-Philosophenkolonie zu gründen. 

1768 Voltaire trennt sich am 3. März von seiner Nichte Mme Denis, die ihn bei seiner Auseinandersetzung mit dem Dichter La Harpe im Stich gelassen hatte. La Harpe, obwohl Gast Voltaires, hatte heimlich eine Abschrift des Spottgedichts Guerre de Genève verfasst und nach Paris geschickt. Um der katholischen Partei den Wind aus den Segeln zu nehmen, die jetzt durch den Beweis für Voltaires Autorenschaft an dem Gedicht in der Gestalt des Pariser Parlamentsrates Pasquiers vermehrt gegen ihn zu hetzen beginnt, besucht Voltaire aus taktischen Gründen die Ostermesse und nimmt am Abendmahl teil.
Voltaire plant mit der Neugründung von Versoix am Genfersee, der Stadt Genf eine französische Konkurrenzstadt entgegenzusetzen. Der Plan scheitert an mangelnder Unterstützung aus Paris.
Er veranlasst die Trockenlegung der Sümpfe um Ferney.

1770 Voltaire sitzt Modell für den Bildhauer Pigalle, der beauftragt ist, eine Voltairestatue herzustellen. Die Statue ist heute in der Académie Francaise zu sehen.
Unterdessen ernennt der Kapuzinergeneral in Rom Voltaire zum Père temporel, also zum lebenslangen Mitglied des Kapuzinerordens als Dank für Voltaires Unterstützung des Ordens in Gex.
Voltaire spricht sich in seiner Schrift Dieu gegen den Atheismus und Materialismus d'Holbachs und dessen Aufsehen erregende Schrift “Système de la Nature” aus.

Dass die französische Justiz nicht nur gegen Hugenotten wütet, sondern auch in anderen Fällen untaugliche und an Menschenleben komplett uninteressierte Richter Unrecht sprechen, zeigt sich 1770 im Prozess Montbailli. Am 19.November 1770 werden Montbailli und seine Frau des Mordes an der Mutter schuldig befunden, die jedoch, für jeden neutralen Beobachter offensichtlich, eines natürlichen Todes gestorben war. Das Urteil an Montbailli wird vollzogen,  seine schwangere Frau verdankt dem Engagement Voltaires (La Méprise d'Arras) ihr Leben: 1772 wird als richtig erkannt, dass die Mutter eines natürlichen Todes gestorben war.
Mit einem anderen Fall von weit größerer Dimension beginnt sich Voltaire in diesem Jahr zu beschäftigen, es ist der Fall der Hörigen von Saint-Claude. Saint-Claude im Jura, nahe bei Ferney gelegen, ächzte unter dem Joch des dort herrschenden Benediktinerordens, der sich durch gefälschte Urkunden das Recht der toten Hand und der Leibeigenschaft über die 12.000 Bewohner seiner umfangreichen Ländereien verschafft hatte. Das bedeutet, dass niemand ohne Bewilligung das Land verlassen darf, jeder 2-3 Tage pro Woche Frondienste abzuleisten hat. Beim Ableben eines Untertanen fällt dessen gesamtes Hab und Gut an die Mönche, wohnt ein Fremder länger als ein Jahr und einen Tag in dem Gebiet, wird er ein Höriger der Mönche. Eheschließungen bedürfen der Zustimmung der Mönche - kurz, die Leute werden wie Tiere gehalten. Voltaires Anstrengungen bleiben zwar ohne Erfolg, aber das Unrechtsgefühl der Bevölkerung wird kräftig gestärkt. Die Früchte ernten die Leute von Saint Claude. erst 1789, als die französische Revolution sie von ihren Unterdrückern befreit. Ob sich heute in Saint-Claude noch Manche der Unterstützung Voltaires erinnern?
Rückkehr von Madame Denis nach Ferney, Versöhnung mit Voltaire.

1771 Sirven (s. o. 1764) wird freigesprochen, Der berühmte Le Kain ist  in Ferney

1772 Le Kain spielt im Theater von Chatelaine, das Voltaire eigens für ihn, auf halbem Wege nach Genf, erbauen lassen hatte. Die Vorstellungen sind ein riesiger Erfolg, selbst Genfer Pastoren sitzen im Saal. Voltaire genießt den Triumph über die bigotten Genfer.

1773 Graf de Lally, Sohn des hingerichteten Generals Lally-Tollendal in Ferney. Der General sollte sich Verfehlungen bei der Verteidigung der Ostindischen Kolonie zuschulden kommen lassen haben, war aber Opfer eines Komplotts. Obwohl er angesichts fehlender finanzieller Unterstützung aus Paris sein ganzes Privatvermögen in die Verteidigung der französischen Besitzungen  gegen England investiert hatte, wird ihm der Verlust der Kolonie angelastet. Voltaire unterstützt den Versuch, de Lally zu rehabilitieren, mit seiner Schrift “Fragments sur l'Inde et sur le General Lally”  mit Erfolg: 1778, kurz vor Voltaires Tod, wird das Fehlurteil aufgehoben.

1774 Ludwig XVI. verfügt, kaum auf dem Thron, dass Voltaires Bibliothek sofort nach dessen Tod zu versiegeln sei. Die Bibliothek wird jedoch unmittelbar nach Voltaires Tod von Mme Denis an Katharina II von Russland gegen gutes Geld und Diamanten verkauft. Der ebenfalls stark interessierte Landgraf Friedrich II von Hessen-Kassel geht leer aus. Katharina lässt ein maßstabsgetreues Modell von Schloß Ferney erstellen, um es mitsamt der Bibliothek in St Petersburg wieder aufzubauen. Dieses Projekt wird zwar nicht realisiert, Voltaires Bibliothek ist jedoch wohlerhalten und kann in St. Petersburg besichtigt werden.

1775 D'Etallonde, der gemeinsam mit dem Chevalier de la Barre angeklagt und zum Tode verurteilt worden war, besucht Voltaire in Ferney. Mit der Schrift Cri du sang innocent (Schrei des unschuldigen Blutes) setzt sich Voltaire für die Wiederaufnahme des Prozesses ein, jedoch ohne Erfolg. Es findet sich kein Anwalt bereit, die Verteidigung zu übernehmen!
1776 Steuerablösung in Gex wird gewährt.

1778 Der Bildhauer Jean-Antoine Houdon ist in Ferney, um verschiedene Büsten Voltaires anzufertigen. (Eine davon kann man im Deutschen Historischen Museum , Berlin, besichtigen) 
Abreise nach Paris

Werke Voltaires - in Ferney entstanden

Die Romane und Erzählungen:

Candide où l'optimisme (Candide oder der Optimismus) 1759  “Optimismus, das ist der Wahn, der behauptet, alles sei gut, auch wenn es einem schlecht geht”
L'Ingenu (Das Naturkind) 1767
- Le Crocheteur borgne (Der einäugige Lastträger) 1774, geschrieben 1747
- Le taureau blanc (Der weiße Stier) 1774
- Histoire de Jennie ou l'athée et le sage (Jennis Geschichte oder der Atheist und der Weise) 1775 

Die Tragödien:

Tancrède (1759)
- L'Ecossaises (Die Schottin) (1760)
- Olympie 1764
- Triumphirat 1764
- Les lois de Minos 1772
- Irène 1777

Die Komödie:

Le Dépositaire (Der Treuhänder) 1767

Die Versdichtungen:

- La guerre civile de Genève (Der Bürgerkrieg von Genf) Genève 1768
- L'Anniversaire La Saint-Barthélemy (Ode zur 200. Wiederkehr der Bartholomäusnacht) 1772 

Die historischen Schriften:

Histoire de l'empire de Russie sous Pierre le Grand (Geschichte Russlands unter Peter dem Großen) 1759 (I) und 1763 (II)
Mémoires pour servir à la vie de M. de Voltaire (Memoiren über das Lebens des Herrn Voltaire) 1760
La philosophie de l'histoire (Philosophie der Geschichte)
- Précis du siècle de Louis XV 1768
- Histoire du parlament de Paris  1769
- Fragments historiques sur l'Inde  (Historisches Fragment über Indien) 1773

Die philosophischen Schriften:

Dictionnaire philosophique portatif (Phiosophisches Taschenwörterbuch) 1764
- Le sentiment des citoyens (gegen Rousseau) 1764
- La Raison par Alphabet (Die Vernunft nach dem Alphabet) 1768
- Questions sur L'Encyclopédie (Fragen über die Enzyklopädie) 1770
- Eloge historique de la raison (Lobrede auf die Vernunft) 1775

Die antiklerikalen und gesellschaftskritischen Schriften:

- Relation de la maladie ..du jésuite Berthier (1959)
Sermon du Rabbi Akkib (Predigt des Rabbi Akkib) 1761
Testament de L'Abbé Meslier 1762
Le sermon des cinquante (Predigt der Fünfzig) 1762 geschrieben 1749
Traité sur la tolérance à l'occasion de la mort de Jean Calas 1763
Relation de la mort du Chevalier de la Barre 1766
Kommentar zu Beccarias Buch der Vergehen und Strafen 1766
Le Philosophe Ignorant (Der unwissende Philosoph) 1766
Le Diner du compte de Boulainviller (Das Diner beim Grafen Boulainviller) 1767
L'Homme aux quarante ecus (Der Vierzigtalermann) 1768
La princesse de Babylone 1768
- Dieu et les hommes (Gott und die Menschen) 1768
- Le cri du sang innocent (Schrei des unschuldigen Blutes) 1775 Verteidigungsschrift für M. d'Etallonde
- La Bible enfin expliquée 1776
- Preis der Gerechtigkeit und der Menschlichkeit 1777

Ferney und Voltaire heute

Keine andere Stadt ist Voltaire so verbunden wie Ferney-Voltaire. Im Zentrum der Stadt blickt der “Patriarch von Ferney” von seiner Statue gütig auf den Verkehr hinab, der ihn links und rechts, vorne und hinten umfließt und bietet auf seiner Insel Zuflucht für eilige Fußgänger. Die Inschrift auf dem Sockel erinnert an die Wohltaten, die Voltaire der Gemeinde zukommen ließ: “Er ließ mehr als 100 Häuser erbauen, er gab der Stadt eine Kirche, eine Schule, ein Krankenhaus und einen Brunnen. Er lieh den umliegenden Gemeinden Geld, ohne Zinsen zu nehmen, er ließ Sümpfe trocken legen, er gründete Messen und Märkte, er ernährte die Bürger während der Hungersnot von 1771”

Und doch: Das Schloß war bis 1998 in Privatbesitz, nur an den wenigen Samstagen im Sommer für Besucher geöffnet. Erst danach ist es unter staatlicher Verwaltung gekommen. Ein Voltaire Museum soll nun (2017) ganzjährig geöffnet sein. Sehenswert war die kleine Ausstellung schon früher. Liebevoll hatte man das Schlafzimmer Voltaires rekonstruiert und den Schulklassen, die man durchs Museum schleuste, wurde von seinem Kampf gegen die Kirche berichtet, während die Schülerinnen heimlich ihre Liebesbriefe studierten. Voltaire als Schulstoff? Offenbar - und nicht zum Schaden der Schüler.

Am Fuße des Schloßberges befindet sich eine besuchenswerte Buchhandlung und Druckerei, die Voltaire ganz besonders verpflichtet ist.  Man findet hier thematische Ausstellungen und Texte Voltaires, auf handgeschöpftem Büttenpapier gedruckt und - nicht zu vergessen - die Cahiers Voltaire, eine populärwissenschaftliche Zeitschrift in voltairscher Tradition. Die Buchhandlung ist gleichzeitig Sitz der “Societé Voltaire”  mit Andrew Brown an der Spitze, der sich als Voltairespezialist internationalen Ruf erworben hat. Er begann seine Laufbahn 1967 am Institut und Museum Voltaire in Genf unter Théodore Besterman und leitete 20 Jahre lang die Voltaire Foundation an der Universität Oxford. Ganz besonders beschäftigte er sich mit der wissenschaftlichen Erschließung der Voltaire-Bibliothek in Sankt-Petersburg.

Den Haag

Voltaire in Den Haag

Den Haag war im 18. Jahrhundert, was es noch in unserer Zeit ist: eine Verwaltungs- und Diplomatenstadt, ein Zentrum für Leute, die, wohlsituiert, Empfänge, Konzerte, Kunst und gutes, teures Essen lieben. Die Stadt ist seit 1648 Regierungssitz der Niederlande und aufgrund ihrer Lage direkt am Meer ein begehrter Wohnort, heute durch den Zuzug zahlreicher Immigranten mit 'Problemvierteln' behaftet. Als Besucher merkt man das daran, daß es in den populären Gegenden quirliger, bunter, lebendiger zugeht - mit Basaren und Märkten und Menschen aller Hautfarben.

Für Voltaire war 'La Haye', wie den Haag auf französisch heißt, die Stätte seiner ersten Liebe und die Stadt, in der seine erste Zusammenarbeit mit Friedrich II. scheiterte, für den er den Anti-Machiavell redigieren und herausgeben wollte, ein Werk, das Friedrich nach seiner Thronbesteigung am liebsten einstampfen lassen wollte.

Den Haag (La Haye) Voltaire als Diplomat

1713 

Voltaire kommt als Privatsekretär des französischen Botschafters nach Den Haag. Er verliebt sich in Olympe Dunoyer, genannt 'Pimpette', deren Mutter eine Zeitschrift 'La Quintessence' herausgibt, in der sie Ludwig XIV. wegen seiner repressiven Religionspolitik angreift. Die Zeitschrift wird in den Kreisen der hugenottischen Flüchtlinge gelesen. Voltaires Briefe an Pimpette werden später in dieser Zeitschrift ebenfalls veröffentlicht - jedenfalls unternimmt Madame Dunoyer im Jahr 1713 alles, um die Liaison ihrer Tochter mit einem dichtenden Jüngling ungewisser Zukunft zu unterbinden. Sie beschwert sich beim Botschafter über dessen 'Privatsekretär' und Voltaire wird am 18. Dezember nach Paris zurückgeschickt, wo er am 24. ankommt. 

Die französische Botschaft in Den Haag heute, nicht gerade ein Prachtstück

 

 

 

 

 
 
1722 

22 September(?) Ankunft aus Brüssel mit Madame de Rupelmonde, die beiden bleiben 3 Wochen in den Haag, mit kleinen Abstechern nach Amsterdam. Voltaire sucht einen Drucker für sein Epos 'die Henriade',  für die er in Frankreich keine Druckerlaubnis erhalten hat und auch nicht erhoffen darf. Man wirft ihm vor, er habe die Königin von England zu positiv dargestellt. Deshalb beauftragt Voltaire jetzt den holländischen Verleger Le Viers, das Buch in einer sehr aufwendigen, mit zahlreichen Kupferstichen versehenen Ausgabe zu drucken. Die Subskription schlägt jedoch fehl, das Projekt muss aufgegeben werden. Trotzdem gefällt es Voltaire in Holland sehr gut, er bezeichnet es - im Vergleich mit Frankreich, als 'Paradies auf Erden' und lobt vor allem die bürgerlichen Tugenden und die Religionsfreiheit des Landes ( Brief an Mme de Bernières), er ist rundum glücklich.
Erst Ende Oktober fährt er nach Paris zurück.

 
1740 

20. Juli Anreise aus Brüssel. Voltaire wohnt im Oude Hof Palais, damals preußischer Besitz, heute Sitz des niederländischen Königshauses. Er hat von Friedrich II den Auftrag, die Auslieferung des 'Anti-Machiavell' zu verhindern. 
Friedrich steht nicht mehr zu seinen im Anti-Machivell geäußerten Ansichten - nachdem er am 6. Juni König von Preußen geworden ist. Voltaire versucht die Auslieferung durch umfangreiche Korrekturen zu verzögern. doch der Verleger van Düren besteht auf seinem Vertrag und der 'Anti Macchiavell', von Voltaire verbessert (was Friedrich allerdings gar nicht findet), wird .gedruckt und ausgeliefert. 3. August reist Voltaire wieder nach Brüssel, um dort Friedrich zu treffen.

 
Der 'Alte Hof', ein Königspalast, repräsentativ, wie er sein soll! So beschreibt ihn Voltaire: 

"Die Fassade des Gebäudes liegt im Hintergrund eines ungefähr quadratischen Hofes dessen beiden Längsseiten rechts und links von zwei Galerien begrenzt sind, die auf hohen Arkadengängen, die ungefähr das Niveau der umliegenden Häuser erreichen, liegen. Von einer Galerie zur anderen führt eine Eisenballustrade die den Passanten volle Sicht auf dieses schöne Anwesen gewährt. Hinter dem Gebäude befinden sich weite Gärten, die noch nicht all zu lange der Öffentlichkeit zugänglich sind. Heute dient dieses große Anwesen das so oft schon gekrönte Häupter beherbergt hat, den Ministern seiner preussischen Majestät, dem es jetzt gehört, zur Unterkunft."

 
 
16. September Voltaire arbeitet nach dem Kurzbesuch in Moyland an einer zweiten, verbesserten Ausgabe des 'Anti-Machiavell', er bezieht wieder sein Appartement im Alten Palais beim preussischen Botschafter von Raesfeld. Er schreibt über sein Domizil, den offenbar vernachlässigten Alten Hof in gereimten Versen (Brief an Friedrich vom 7.10.1740):

Ihr Palais in den Haag ist ein Sinnbild menschlicher Größe: Auf morschen Böden unter zerfallenden Dächern liegen Appartments, die unseres Herren würdig sind...hier gibt es Bücher, die seit fünfzig Jahren einzig von Ratten gelesen wurden und unter den größten Spinnweben Europas verdeckt sind, aus Furcht, daß sich Normalsterbliche ihnen nähern könnten. Wenn die Hausgeister dieses Palais sprechen könnten, so würden sie ohne Zweifel sagen: Kann es ein, daß dieser König, den ale Welt bewundert,uns für ewig aufgibt und er sein Palais so sehr vernachlässigt, während er sein Reich wieder aufbaut? "

Friedrich nutzt die Gelegenheit, um Voltaire zu einer Reise nach Preußen zu bewegen. Voltaire willigt schließlich ein und verlässt Den Haag am 6. November, um Friedrich in Berlin zutreffen. 

 
1743 

20. Juni Anreise aus Brüssel. Voltaire wohnt erneut im Oude Hof, wo jetzt der preußische Botschafter Podewils residiert. Am 22. August verlässt er Den Haag in Richtung Berlin

 22. Oktober Anreise aus Bückeburg. Voltaire hält sich mehrere Tage in Den Haag auf und reist erst Anfang November nach Brüssel weiter.

Werke - in Den Haag entstanden

- L'Antimachiavel ou Essai de critique sur le Prince de Machiavel, publié par M. de Voltaire, den Haag:Paupie 1740, XIV, 191 p.
von Friedrich vor seiner Thronbesteigung als eine Art Bekenntnis zur Staatsführung imSinne der Aufklärung verfasst, war ihm nach dem 31. Juni 1740 nicht mehr opportun. Voltaire hat sich sehr viel von dem Werk versprochen, soll dann aber im Auftrag Friedrichs den Verleger van Düren in Den Haag überzeugen, von einer Veröffentlichung abzusehen. Es kam anders: erstens wollte van Düren das Buch veröffentlichen und zweitens veränderte Voltaire den Text so stark, daß man das dann 1743 herausgegeben Buch eher als einen Text Voltaires und nicht Friedrichs ansehen darf - eine Position, der Friedrich nicht widersprechen würde - ...mehr zur turbulenten Editionsgeschichte.

- Le Fanatisme ou Mahomet le prophète, Tragédie en cinq actes , 1739 konzipiert, aber 1740, zum großen Teil während des Aufenthalts in den Haag, geschrieben. Erstaufführung 1741 in Lille, veröffentlicht 1742. ...mehr zu Mahomet

Colmar

Voltaire in Colmar

Colmar, 1753 bis 1754 wohnte hier Voltaire in der  Rue Berthe-Molly. Die Strasse - frühere Rue des Juifs (Judengasse) -, beherbergte vor dem Massaker an ihren Bewohnern im Februar 1349 einige jüdische Familien.

 

Als Voltaire 1753 nach seiner Flucht aus Berlin und den schlechten Erfahrungen mit Friedrich II. nach Colmar kam, stand die Stadt unter der Rechtsprechung des Bischofs von Basel, der in sicherer Entfernung von dem protestantischen Basel in Porrentruy residierte und erst 1740 einen Aufstand seiner Untertanen mit zahlreichen Todesurteilen blutig niedergeschlagen hatte. Denkbar schlechte Voraussetzungen also für Voltaire, die Hetze ging auch sofort los, der Bischof ließ gegen Voltaire predigen

Anlass: der Essai sur les Moeurs war unter dem Titel Abrégé d’Histoire universelle, par M. de Voltaire, 1753 veröffentlicht worden, ohne Voltaire zu benachrichtigen, die Kirche begann ihre Messer zu wetzen. Warum kam er aber trotzdem nach Colmar und blieb über ein Jahr in der Stadt? Zunächst war ihm Paris verboten - der französische Hof wollte Friedrich II. einen Gefallen tun. Voltaire hoffte trotzdem, mit Hilfe seiner Nichte die alten Beziehungen zum Hochadel mobilisieren und das Verbot aufheben lassen zu können. Außerdem trug er sich mit dem Gedanken, in Horburg bei Colmar ein Schloss zu kaufen. Und drittens gab es in Colmar Schoepflin, den Buchdrucker, mit er bei der Herausgabe seiner Annales de L`Empire zusammenarbeitete. 

Colmar, in Hab-Acht-Stellung

 

 

 

Arkade an dem Haus in der Rue Berthe Molly (ehemals Judengasse), in dem Voltaire und Collini damals zwei Zimmer bewohnten

1753 2. Oktober: Voltaire und sein Sekretär Collini treffen aus Straßburg ein. Hier der Bericht seines Sekretärs Collini:

Ein junges Mädchen aus Montbéliard, das Deutsch und Französisch sprach, war unsere Köchin. Babet war fröhlich, von natürlichem Witz, liebte zu spaßen und verstand die Kunst, Voltaire zu amüsieren. Sie war ihm gegenüber aufmerksam und umsichtig, wie es sonst unter dem Dienstpersonal kaum vorkommt, er behandelte sie mit Güte und Komplimenten. Ich neckte Babet öfter wegen ihres Eifers, sie antwortete, indem sie lachte und wegging. Gewöhnlich spielten wir nach dem Abendessen Schach. ...Seine Gesellschaft bildeten Anwälte und Räte der souveränen elsäßischen Behörden, herauszuheben ist Herr Dupont, ein liebenswerter Mann, mit einer lebendigen und heiteren Vorstellungskraft ausgestattet, Amateurschriftsteller, mit dem er anschließend noch in Briefkontakt stand. 

Voltaire besuchte die Papierfabrik seines Verlegers Schoepflin in Luttenbach, hier hielt er sich 15 Tage, mitten in den Bergen der Vogesen, auf.


Luttenbach

Voltaire interessierte sich für die Papierfabrik Schoepflins in Luttenbach. Damals waren die wasserreichen Vogesen ein bedeutender Standort der Papierherstellung. Heute ist, ein paar Wasseranlagen ausgenommen, nichts mehr davon übrig. Hier der Bericht von Collini über den Besuch Voltaires: 

“Wir fanden dort ein großes, alleinstehendes Gebäude vor, das allen Winden ausgesetzt, keine bequeme Unterkunft versprach. Voltaire grub sich in diese Einsamkeit 15 Tage lange ein, ohne irgend jemanden zu sehen. Die Arbeiter der Papierfabrik und die dort angestellten Mädchen waren die einzigen Bewohner dieses Ortes. Sie konnten uns nur dazu dienen, die Zimmer zu machen und zu kochen. Ein Franzose namens Bellon, der für die Regierung über die Menge Papier zu wachen hatte, die diese Fabrik zur Herstellung von Spielkarten lieferte, war der einzige Mensch, mit dem man sich vernünftig unterhalten konnte. Er spielte einigermaßen Schach, das einzige Spiel, das Voltaire liebte; außer noch den Spaziergängen hatten wir keine anderen Vergnügungen.” 


Colmar war für Voltaire eine der gefährlichsten, wenn nicht die gefährlichste Periode seines Lebens überhaupt: Die Unterstützung Friedrichs II. war verloren, Versailles opferte ihn mit Vergnügen und seine Freunde waren zu weit entfernt, um sich ihrer Unterstützung zu versichern. Er hatte keinen eigenen Besitz, auf den er sich zurückziehen konnte.  Der Kauf von Schloß Horburg bei Colmar, zunächst ins Auge gefasst, hatte sich zerschlagen.

1754
In diese Schwächeperiode hinein veröffentlichte der Verleger Jean Néaulme aus Den Haag die von Voltaire nicht autorisierte Ausgabe des Essai sur les Moeurs, in der die Kirche scharf angegriffen wurde. Voltaire befürchtete Schlimmstes, die Verfolgung durch die Schergen der Kirche und den Entzug seiner finanziellen Mittel. Er setzte alle Hebel in Bewegung, um gegenzusteuern. Unter anderem besuchte er an Ostern 1754 in Colmar - zum ersten Mal als Erwachsener aus taktischen Gründen die “heilige Kommunion”, um seine Verfolger zu entwaffnen.
Voltaire: “Ich begreife, daß ein Teufel in die Messe geht, wenn er sich auf päpstlichen Boden befindet” (an d`Argens) und “Wenn ich hunderttausend Mann hätte, wüßte ich schon, was tun. Aber da ich sie nicht habe, gehe ich Ostern zum Abendmahl und sie können mich einen Heuchler nennen, soviel sie wollen” (an D`Argental)

Hier der Bericht des Augenzeugen Collini:

Voltaire fragte mich eines Tages, ob ich die Osterkommunion machen werde. Ich antwortete, das sei meine Absicht  «Also gut, sagte er zu mir, wir werden sie gemeinsam machen.»  ... Ich gestehe, daß ich die so seltene Gelegenheit nutzte, um das Verhalten Voltaires  während dieser wichtigen Handlung zu beobachten. Gott verzeihe mir meine Neugier und meine Zerstreutheit, ich hatte deshalb nicht weniger Eifer. In dem Augenblick, wo er kommunizieren sollte, erhob ich die Augen zum Himmel, so als ob ich betete und warf einen kurzen Blick auf das Verhalten von Voltaire. Er streckte seine Zunge heraus und fixierte seine weit offenen Augen auf das Gesicht des Priesters. Ich kannte diesen Blick nur zu gut. Als wir zurückkamen, schickte er dem Kapuzinerkloster 12 Flaschen guten Weins und einen Kalbsbraten.

Die Aktion hatte keinen Erfolg, Voltaire erhielt die Erlaubnis, nach Paris zurückkehren zu dürfen, nicht. Er fühlte sich krank, trank viel Kaffee und versuchte sich mit Naturheilmitteln wie Chinarinde, Rhabarber, Johannisbeerkraut zu kurieren. Am 8 Juni 1754 fuhr Voltaire zur Kur ins Heilbad Plombières les Bains. Vorher jedoch nutzte er die Gelegenheit, um die berühmte Bibliothek von Senones im Benediktinerkloster von Dom Calmet zu besuchen.

1754 am 26. Juli
ist Voltaire wieder in Colmar, er beschäftigt sich mit der Herausgabe seines Werkes L`Orphelin de la Chine.

Am 11.11.1754 Abreise nach Lyon.

Colmar heute (2017) 

Colmar erinnert sich an Voltaire auf einer Tafel des historischen Stadtrundgangs. Eine Immobilienfirma namens 'Voltaire-Immobilier' verkauft Häuser im sogenannten 'Judenloch', also dort, wo man 1349 die Colmarer Juden verbrannt hat.
Heilt die Zeit Wunden?

Cirey

Voltaire in Cirey

Im noch heute romantisch abgelegenen Cirey sur Blaise am Rande der Vogesen (Voltaire: “in einer unangenehmen und garstigen Gegend”) lebte Voltaire mit der großen Liebe seines Lebens, Madame Emilie du Châtelet, von 1734 bis 1749. Voltaire war 1734 nach Cirey, das  über 200 km von Paris entfernt liegt, geflüchtet, weil er jeden Augenblick fürchten musste, von den Schergen Ludwig XV. verhaftet zu werden: Die  Englischen Briefe waren wegen der darin geäusserten Kritik an den vernunftfeindlichen Zuständen in Frankreich zum Verbrennen auf dem Scheiterhaufen verurteilt worden. Von Cirey aus wäre es Voltaire möglich gewesen, relativ schnell ins benachbarte und halb-unabhängige Lothringen zu fliehen. Jedoch konnte dank der hervorragenden Beziehungen Voltaires und Emilie du Châtelets zum Hochadel  der Haftbefehl “eingefroren” werden. In Cirey entstanden zahlreiche seiner bedeutendsten Werke.

Cirey, die glücklichste Zeit

1734 

Am 10. Juni: werden die Philosophischen Briefe auf den Treppen des Pariser Justizpalastes wegen der darin enthaltenen Kritik an den Zuständen in Frankreich verbrannt. Voltaires Pariser Wohnung wird von der Polizei durchsucht. Es ist eine Jagd nach verbliebenen Exemplaren des Buches und -  auf den Autor.
Voltaire erfährt davon während der Hochzeitsfeierlichkeiten seines Freundes Richelieu auf Schloß Monjeu in Burgund. Er entzieht sich der drohenden Verhaftung und reist nach Cirey, in den alten verwahrlosten Herrensitz der Châtelets, Schloß Cirey, das sich - heruntergekommen und ohne Möbel - reichlich unwirtlich präsentiert. Voltaire lässt auf eigene Kosten zahlreiche Renovierungsarbeiten durchführen und macht das Haus leidlich bewohnbar. 
Richelieu - mit dem Voltaire eine lebenslange Freundschaft verbindet - wird im Duell verletzt, Voltaire bricht ohne zu zögern auf, um Ihn im Feldlager von Phillipsburg zu besuchen. Da die Verletzung nicht so schlimm ist, bietet Voltaire den Soldaten willkommene literarische Abwechslungen, aber nach vier Wochen wird auch hier der Boden zu heiß und Voltaire kehrt nach Cirey zurück. Er arbeitet an dem Drama Alzire und an der Vers-Satire La Pucelle.

Emilie erreicht Cirey im Oktober des Jahres 1734, fährt aber, zum Leidwesen Voltaires, im Dezember wieder nach Paris zurück, denn sie hat sich noch nicht für das Leben mit Voltaire entschieden..
 

1735

Kardinal Fleury hebt den Haftbefehl wegen den 'Lettres philosophiques' auf und Voltaire reist Ende März nach Paris.
Emilie wohnt im Hôtel du Châtelet, Voltaire in kleineren Pensionen. Schon im Sommer erhält Voltaire eine eindringliche Warnung: Er soll wegen seiner satirischen Versdichtung über die Jungfrau von Orleans (“La Pucelle”) verhaftet werden. Er zieht sich deshalb Ende Juni, aus Lunéville kommend, mit Emilie vereint, nach Cirey zurück. Im Herbst Anreise von Emilies Ehemann. Er war nicht wenig beeindruckt von den Veränderungen im Schloss und - viel wichtiger - er akzeptiert die Freundschaftsbeziehung seiner Frau mit Voltaire.
Im Dezember: Voltaire fürchtet verhaftet zu werden, denn in Paris sind Abschriften seiner satirischen Versdichtung La Pucelle über die Jungfrau von Orléans aufgetaucht., er versteckt sich einige Tage in der Umgebung von Cirey.
 

1736

Die Hetze gegen Voltaire verschärft sich, seine Verse über Adam und Eva, (im Gedicht Le Mondain) gegen die christliche Abstammungslehre gerichtet, wurden als Aufhänger genommen. Er muß trotzdem von April bis Ende Juni nach Paris, um dort die Gegenmaßnahmen zu koordinieren.
8.August: Erster Brief Friedrich II. an Voltaire
9. Dezember: Innenminister Phillepaux stellt einen Haftbefehl gegen Voltaire aus, dem dieser sich durch Flucht nach Holland entzieht.
 

1737

Voltaire reist über Antwerpen (Aufführung von Alzire), Leyden (hört Gravesandes Vorträge über Newton), Utrecht (Ehrengast der Universität) nach Amsterdam und ist erst nach einigen Wochen, Ende Februar 1737, nach Aufhebung des Haftbefehls (unter anderen hatte sich Monsieur du Châtelet, der Ehemann Emilies, für ihn eingesetzt), wieder in Cirey.
Der Briefwechsel mit Friedrich II. beginnt.
Emilie und Voltaire beteiligen sich unabhängig voneinander am Wettbewerb der Academie über die Natur des Feuers. Die Wettbewerbsbeiträge müssen bis 1.September eingereicht sein. Voltaire weiß nichts von Emilies Teilnahme. 
 

1738

2.Mai: die Academie fällt ihr Urteil im Wettbewerb über die Natur des Feuers. Sieger ist die unbedeutende Arbeit eines Descartes-Anhängers.     Voltaire und Emilies Arbeiten zählen jedoch zu den besten und werden lobend erwähnt. Die Belobigung eines weiblichen Teilnehmers löst eine Sensation aus.
Voltaire unterstützt die Hochzeit seiner Nichte Louise mit M. Nicolas Charles Denis.
In Cirey werden die Räume für weitere physikalische Versuche hergerichtet, mit denen die Theorien Newtons überprüft werden sollen.
Am 4.12.1738 trifft Madame de Graffigny  in Cirey ein, sie schreibt zahlreiche Briefe, denen wir zwar ziemlich genaue Beschreibungen über das Alltagsleben in Schloss Cirey verdanken (Francoise de Graffigny, choix de lettres, Oxford, Voltaire Foundation, 2001). Leider wird ihre Stimmung zunehmend gehässig und sie zitiert darüberhinaus in ihren Briefen ausgerechnet aus La Pucelle,  womit sie Voltaire in größte Gefahr bringt, denn nicht anders als heute wurden die Briefe vom Geheimdienst sehr sorgfältig gelesen und die Pfaffen verstanden, im Besitz der Macht, noch weniger Spaß als in unserer Zeit.
 

1739

8.Februar: Madame de Graffigny reist ab
Voltaires gewinnt seinen Prozess gegen den Abbé Desfontaines wegen Verleumdung. Desfontaines muss widerrufen (Desfontaines, ein ehemaliger Jesuit, gehörte zu der Kategorie Mensch, die ihrem Wohltäter niemals verzeiht, dass sie ihm ihre Rettung verdankt - Voltaire hatte Desfontaines vor dem Scheiterhaufen bewahrt, dieser verleumdete ihn deshalb zeitlebens).

Im Mai: Gemeinsame Fahrt mit Emilie über Louvin und Beringen nach Brüssel, um einen Prozeß um einen Erbanspruch der Châtelets zu führen. 

26. November, Ankunft Voltaires aus Paris und Weiterfahrt nach Brüssel 
 

1741 kommen Ende November Voltaire und Madame du Châtelet aus Paris
 

1742 Im Januar Ausflug mit Madame du Châtelet zu Bekannten nach Grai in der Franche-Comté 
Im Februar Abreise nach Paris 
 

1744

Am 15. April kommt Voltaire aus Paris nach Cirey, um hier an dem Auftragsstück Princesse de Navarre zu arbeiten, was ihm schwer genug fällt. Mitte August kehren er und Madame du Châtelet wegen des Ausbruchs der Maul- und Klauenseuche nach Paris zurück.

1748

Voltaire und Emilie reisen im Dezember von Lunéville aus nach Cirey. Monsieur du Châtelet stößt hinzu, um Emilies Schwangerschaft zu legitimieren, ein Plan, der sicher funktioniert hätte.
 

1749

Abreise im Februar nach Paris, wo sie bis im Juni bleiben um dann wieder zurück nach Lunéville an den Lothringer Hof zu reisen.
Am 15. September, nach Emilies Tod am 10.9.1749, kommt Voltaire gemeinsam mit Monsieur du Châtelet von Lunéville, um seinen Wohnsitz in Cirey aufzulösen, acht Tage später reist er in Richtung Paris ab.

Werke Voltaires - in Cirey entstanden

Die Tragödien:

Alzire ou les Américains (Alzire oder die Amerikaner, tragédie (1736) 
- La mort de césar tragédie en trois actes (1735) 
- Zulime tragédie en cinq actes (1740)
Le Fanatisme ou Mahomet le prohète, tragédie en cinq actes (1742) 
- Merope tragédie en cinq actes (1743)

Die Komödien:

- L'Enfant prodigue (Der verlorene Sohn), comédie en cinq actes (1738)
- L`Envieux (Der Neidische), comédie en trois actes

Die Versdichtungen

La Pucelle d`Orléans (Die Jungfrau von Orleans) 1735 
Le Mondain 1736  dieses Werk - in dem er den Luxus und die Künste
   verteidigt - trug Voltaire eine ernstzunehmende Strafverfolgung ein. 
   Anlass und Vorwand waren die Zeilen zu Adam und Eva ...(mehr)

 Historische Werke

Le siècle de Louis XIV erscheint erst 1751,Voltaire hat aber bereits 1735 in Cirey intensiv an dem Werk gearbeitet
Essais sur les moeurs et l'ésprit des nations et sur les pricipaux faits de l`histoire depuis Charlemagne jusqu`au Louis XIII 1744/45 und ergänzt 1756 gedruckt

Die philosophischen Schriften

- Traité de la Metaphysique (1734, jedoch erst 1787 erschienen)
- Epitre sur Newton (1736)
Eléments de la philosophie de Newton (1738)
- Discours sur l`homme (1738).
- Essais sur la nature du feu (1738)
 

Voltaire begann 1736 die Korrespondenz mit  Friedrich II von Preußen (genannt der Große)

Cirey und Voltaire heute

(aus dem Jahr 2001)

Fährt man heute von Deutschland aus nach Cirey, kommt man durch ein Gebiet, das irgendwie der Vergessenheit anheim gefallen zu sein scheint: viele Höfe sind verarmt, Geschäfte  geschlossen und zahlreiche Gebäude stehen zum Verkauf.

Inmitten dieser verlassenen, aber malerischen Umgebung liegt an einem kleinen Kanal das Schloß Cirey sur Blaise, das die heutigen Eigentümer, die Familie Hugues de Salignac Fénelon (der Schloßherr ist gleichzeitig Bürgermeister des Ortes) liebevoll renoviert haben und Besuchern zur Besichtigung freigeben.
In einem kleinen Häuschen am Eingang stehen wenige Bücher und Broschüren zum Verkauf, keine Postkarten. Eine wahrscheinlich von der Familie selbst in Auftrag gegebene Schrift von 12 Seiten enthält einige spärliche Informationen über das Schloß, Emilie du Châtelet und Voltaire. 

Man hat auf Schritt und Tritt das Gefühl, als mache die alte Adelsfamilie Salignac Fénelon notgedrungen der Öffentlichkeit das Zugeständnis, in ihren Besitz einzudringen, jedoch ist die Führung durch das Schloß sehr empfehlenswert, mit viel Sachverstand und Liebe zum Detail. Auf Fragen antwortet man gerne und kompetent.

Die Eigentümer haben unterdessen auch eine eigene Internetseite mit sehr schönen Photos und den Öffnungszeiten ins Netz gestellt: www.chateaudecirey.com

weitere Informationen zu Voltaire, Emilie du Châtelet und Cirey:

Literatur:
[Katalog zur Ausstellung], Madame du Chatelet, La femme des Lumières, Paris 2006 Bibliothèque Nationale, reich bebildert
- Emilie, Emilie, Badinter, Èlisabeth, Weiblicher Lebensentwurf im 18. Jahrhundert, Piper 1984
- Emilie und Voltaire. Eine Liebe in Zeiten der Aufklärung, Bodanis, David, Deutsch von Hubert Mania, Reinbek: Rowohlt 2007, 443 S., Bodanis, ein Physiker, stellt die Bedeutung Emilie als Wissenschaftlerin heraus - und Voltaire gegenüber. Lesenswert.
- Correspondance de Madame de Graffigny (Tome 1),   The Voltaire Foundation -   Taylor Institution - Oxford. Enthält die Briefe Mme de  Graffignys, die sie 1738 während ihres Cirey-Aufenthaltes geschrieben hat. Zur Einschätzung vgl. Edwards, “Die göttliche Geliebte”, S.140ff
- Voltaire à Cirey, Hubert Saget , 180 S. Le Pythare Edition
- Mme du Châtelet: Scientist, Philosopher, and Feminist of the Enlightenment. Ehrman,  UK: Esther Berg Publishers LTD, 1986
- Madame du Châtelet , René Vaillot, Albin Michel
- Madame Voltaire , Gilbert Mercier, Edition de Fallois, Paris 2001 Ein etwas langatmiges Werk, der Titel befremdlich, denn hier verkennt Mercier gerade das Besondere an der Beziehung zwischen Voltaire und Mme du Châtelet, eben als Gleichberechtigte zusammenzuleben. Kein Literaturverzeichnis!
- Die göttliche Geliebte Voltaires , Das Leben der Émilie du Châtelet, Samuel Edwards, Stuttgart 1971 DVA Übersetzung aus dem Amerikanischen von Anne Uhde ( The 
  Divine Mistress, Samuel Edwards 1970). Ist ein  spannend und mit Respekt vor den beiden größten Köpfen ihrer Zeit geschriebens Buch. Seltsam, daß es in der im Schloss von Cirey erhältlichen kleinen Broschüre “Voltaire à Cirey” nicht erwähnt wird. Leider enthält die deutsche Version keine Literaturangaben und kein Werkverzeichnis. 
- Le Siecle des Theatres, Salles et Scenes en France (1748 - 1807) Rais Bibliothèques
- Theatres et Chateaux, Francoise Taynac Les Èditions de Mécène

CD-Rom : Voltaire Cybèle Production SA La Muraz Wanadoo edition

Internet:

Châtenay

Voltaire in Châtenay

Ansicht Arboretum Châtenay - Photo Marie de Châtenay

Châtenay liegt südlich von Paris (südöstlich von Versailles und nördlich von Sceaux) und ist auch heute noch ländlich, obwohl durch die Bebauung voll mit dem Großraum Paris zusammengewachsen. Die 1 stündige Busfahrt von St. Michel bis dorthin ist ein kleiner Ausflug vom urbanen Zentrum in einen der für die französische Hauptstadt so typischen Randbezirke, der zudem zu den Ursprüngen des berühmten Voltaire führt. Châtenay ist mit der RER Linie B2B (Endstation Robinson) oder mit dem Bus 38 (Gard du Nord oder z.B. Boulevard St. Michel) bis Porte d'Orléans, und von dort nach Umsteigen in den Bus 194 günstig zu erreichen. Die Linie 194 endet in Chatenay. Correspondance-Voltaire dankt dem 'Voltaire-Korrespondenten' Rainer Fischer aus Kempen, der die Texte und Bilder über Châtenay-Leben und Châtenay heute  nach einem Besuch Châtenays im Jahr 2016 zur Verfügung gestellt hat.

Châtenay - in Arouets Landhaus

Im Jahre 1712 erwarb Voltaires Vater, der Advocat François Arouet, ein ländliches Anwesen in Châtenay.

Dieser Aufgang ist von dem Anwesen der Arouets noch übrig. Laut Touristenbüro ist es der authetische Treppenaufgang von 1712.
Wenn es so ist, kann man annehmen, daß es sich um ein repräsentatives Haus gehandelt hat.

Photo: Mairie de Châtenay-Malabry

 

Voltaire wurde aufgrund eines kritischen Gedichtes ("puero regnante") gegen den Regenten am Morgen des 16. Mai 1717 von einem Polizeikommissar mit einer "Einladung" konfrontiert:

"Der Wunsch seiner königlichen Hoheit ist, daß Sieur Arouet, Sohn, festgenommen und zur Bastille gebracht wird. Phillipe."

In der Bastille verbrachte er 11 Monate, während der er nicht nur überlegte, seinen Namen zu ändern, sondern auch den Anfang seines epischen Gedichtes "La Ligue" verfasste, das später unter dem Titel "La Henriade" in ganz Europa gelesen wurde. Am 11. April 1718 verläßt Voltaire , damals noch "nur" als François Marie Arouet die Bastille und muß sich nach 8 viel zu kurzen Tagen in Paris nach Châtenay begeben, in das Landhaus seines Vaters. Am 10. April 1718 schrieb das Sekretariat des Königshauses:

"Der Wunsch seiner königlichen Hoheit ist es, daß Herr Arouet, Sohn, Gefangener in der B., freigelassen und verlegt wird ins Dorf Châtenay, bei Sceaux, wo sein Vater, der dort ein Landhaus hat, ihn unterbringen wird".

Aus Châtenay, vom 12, Juni 1718, datiert der erste Brief, gerichtet an den Earl of Ashburnham, den Voltaire mit "Arouet de Voltaire" unterzeichnet. Im Oktober 1718 endet die Verbannung, Voltaire kehrt aus Châtenay nach Paris zurück, gerade noch rechtzeitig für die Aufführung seines Theaterstückes "Œdipe" (18,Nov.1718).

Als Ergänzung hier noch das Gedicht 'puero regnante', dessen Urheber zu sein Voltaire immer bestritten hat - aus dem Lateinischen übersetzt von Theodore Besterman:

Ein Knabe herrscht,
ein Mann, der berüchtigt ist
für seine Giftmischerei 
und seinen Inzest, regiert.

Die Berater unwissend und unzuverlässig 
die Religion noch unzuverlässiger,
ein leerer Staatsschatz,
das Vertrauen des Volkes erschüttert.

Vor der drohenden Gefahr eines allgemeinen Aufruhrs,
das Vaterland einer schnöden und voreiligen Hoffnung
auf die Krone geopfert;
Frankreich kurz vor dem Untergang.

Der Knabe ist natürlich der noch unmündige Ludwig XV und der Mann der Duc d'Orléans, dem man nachsagte, ein Verhältnis mit seiner Tochter zu haben.

Châtenay heute (2016)

Postkarte um die Jahrhundertwende, mit dem Haus, wo angeblich Volaire geboren wurde, oben die Voltairebüste, auch heute ist im Erdgeschoss noch ein Gasthaus...

2016:
Begibt man sich zunächst zum Rathaus, neben dem sich das Touristenbüro befindet, so wird man freundlich empfangen und mit einem Stadtplan und einem Heftchen ausgestattet, das die Häuser und die Anwesenheit berühmter Menschen in Châtenay beschreibt und in einem Rundgang darstellt. Unter lfd. Nr. 5 findet man dort den Platz des ehemaligen Hauses, das Voltaires Vater 1712 erworben hat und in dem Voltaire während seiner Verbannung im Anschluß an seinen ersten Bastille-Aufenthalt (16. Mai 1717 - 11. April 1718) bis Oktober 1718 wohnen mußte. Von dem Haus existiert heute noch eine stattliche Treppe, das Grundstück liegt an der "Rue Voltaire", die in die "Place Voltaire" mündet, die in unmittelbarer Nähe der kleinen, alten Kirche St. Catherine liegt.

Im Gebäude Place Voltaire No.1 befindet sich eine Brasserie "de Voltaire" und auf ihrem Dach, in einem kleinen Türmchen, eine Büste Voltaires. Geht man von hier aus über die Rue d'Eglise in die lebhafte und mit Geschäften bestückte Rue Jean Longuet, so trifft man, nachdem man den Marktplatz links hinter sich gelassen hat, an der Kreuzung mit der Rue des Tournelles auf die sogenannte "Grande Statue de Voltaire", eine Büste auf einem schon beeindruckenden Sandsteinsockel.

Diese Voltaire-Büste stammt von Marguerite Gagneur, Pseudonym 'Syamour' (1857 - 1945) und wurde am 18. November 1906, ein Jahr nach der Verabschiedung des loi Jules Ferry (9.12.1905), mit dem die Trennung von Kirche und Staat in Frankreich besiegelt wurde, eingeweiht. 

Die Inschrift auf dem Sockel lautet:
"J'ai fait un peu de bien, c'est mon meilleur ouvrage. Voltaire". Also: "Ich habe ein klein wenig Gutes getan. Das ist mein bestes Werk". 

Unter den für einen so kleinen Ort vielen berühmten Menschen, u.a. Colbert und Chateaubriand, nimmt Voltaire, der sich letztlich doch recht kurze Zeit (wie oft ist nicht genau bekannt) in Châtenay aufgehalten hat, auch heute noch einen prominenten Platz ein.

Von der einige Zeit diskutierten Vermutung, Voltaire sei in Châtenay geboren, hat man sich aber dort - realistisch - verabschiedet.

Brüssel

Voltaire in Brüssel

Die stolze Hauptstadt von Burgund ist ab 1558 unter die Herrschaft der katholischen Habsburger (spanische Linie) geraten. Der spanische Statthalter, der Herzog von Alba verfolgte die Protestanten und drängte sie außer Landes, was zu einem kulturellen Niedergang der Stadt beitrug. 

In der Folgezeit geriet Brüssel in den Konflikt zwischen Spanien und Frankreich um die Vorherrschaft in Europa.
Im Jahr 1695, Voltaire war damals gerade 1 Jahr alt, zerstörten französische Truppen unter Marschall Villeroy Brüssel durch Kanonenbeschuss fast vollständig.

Die Stadt war zwischen 1739 bis 1743 Ziel von mehreren ausgedehnten Aufenthalten Voltaires, die sich einerseits um die Liebe, andererseits um Gerichtsprozesse drehten.

Brüssel: zwischen Amor und Justitia

1722

7.September Voltaire mit Mme de Rupelmonde in Brüssel, sie besitzt hier ein Haus, in dem beide wohnen. Voltaire begleitet Mme de Rupelmonde am Morgen in die Messe (Kirche du Sablon, siehe Bild rechts). Er stört durch lautstarke Bemerkungen den Gottesdienst. Voltaire gibt an, ihm sei recht langweilig gewesen und er habe sich zerstreuen wollen. In seiner Epitre à Uranie (Le Pour et le Contre), die Mme de Rupelmonde gewidmet ist, schlägt sich seine antiklerikale Haltung nieder. Ende September Weiterreise nach Holland.

1739

Mitte Mai Ankunft Voltaires aus Cirey, in Begleitung von Emilie und des Mathematikers König. Sie wohnen im Hotel L'Impératrice, später in einem gemieteten Haus in der Rue de la Grosse Tour.

 

 

 

 

 

 

Emilie betreibt einen Prozeß, der das Anrecht der Châtelets auf verschiedene Ländereien in Belgien (unter anderen Schloß Ham und eine kleine Grafschaft in der Nähe von Kleve, die aus der Marquise eine Prinzessin gemacht hätte) sichern soll. Das Verfahren zieht sich in die Länge. Sie vertreiben sich die Zeit im nahegelegenen Enghien beim Grafen von Aremberg, wobei:  es gab dort nur die Bücher, die Voltaire selbst mitgebracht hatte. Voltaire arbeitet an seinen Tragödien Zulime und Mahomet.

 
Die wunderschöne Parkanlage Enghien heute. Die früheren Eigentümer, die Grafen von Amberg,
 

Am 17. August Rückreise nach Paris 

1739

Anfang Dezember Voltaire kommt alleine aus Paris (Zwischenaufenthalt in Cirey ) zurück, Emilie du Châtelet erreicht Brüssel erst am 18. Dezember.

1740

19. Juli Voltaire reist nach Den Haag ab, um im Auftrag Friedrichs II. die Auslieferung dessen Werkes 'Anti-Macchiavel' zu stoppen. 
Am 5. August ist er wieder zurück und erwartet Friedrichs Eintreffen in Brüssel. Der ist jedoch erkrankt und bittet Voltaire, nach Moyland bei Kleve zu kommen. Voltaire reist am 9. September ab.

1741

6. Januar Voltaire ist wieder in Brüssel und trifft Emilie du Châtelet, die hier einen Prozess um die Erbschaft ihres Cousins führt, des am 2.4 1740 in Cirey verstorbenen Marc-Antoine du Chatelet, Marquis de Trichateau, Herr von Ham-Beringen und Fouckray. Voltaire verstärkt die Bande zu seiner Nichte, Madame Denis, die im nahen Lille wohnt und ihrem Onkel hilft, in ihrer Stadt sein Drama Mahomet ou le Fanatisme erstmals aufzuführen. Am 25. April findet die Uraufführung im Theater der Stadt großen Anklang.

Im November reisen Voltaire und  Mme du Châtelet nach Paris, um sich die Richtigkeit des Testament von Trichateau bestätigen zu lassen.

1743

6. November Voltaire kommt aus den Haag auf der Rückreise von Berlin nach Brüssel, um hier Emilie du Châtelet zu treffen, deren Prozess noch immer nicht abgeschlossen ist.

Werke - in Brüssel entstanden

- Zulime.
ist die Weiterführung des Zaire-Stoffes von 1732 (Christen in mohammedanische Gefangenschaft geraten, erweisen sich als undankbare Gesellen), jedoch mit viel mehr psychologischem Tiefgang. Vor allem reflektiert Voltaire, wie die beiden Hauptpersonen Zulime und Rodrigo mit ihrem Autoritätskonflikt, der ihrer Liebe entgegensteht, fertig werden (oder Rodrigo eben nicht)..mehr zu Zulime
 

- Le Fanatisme ou Mahomet le prophète, Tragédie en cinq actes , 1739 konzipiert, aber 1740, zum großen Teil während des Aufenthalts in den Haag, geschrieben. Erstaufführung 1741 in Lille, veröffentlicht 1742. ...mehr zu Mahomet

Berlin – Potsdam

Voltaire in Berlin und Potsdam

Potsdam Sanssouci

Der Beziehung Voltaires zu Friedrich II. hat man in Deutschland viel Tinte und Druckerschwärze geopfert. Dabei ist alles recht einfach: Voltaire kam nach Berlin und Potsdam mit der Hoffnung, in Friedrich das zu treffen, was ihm in Frankreich nicht begegnet war: einen für die Anliegen der Aufklärung aufgeschlossenen Monarchen.  Man kann es Voltaire nicht verdenken, denn der Briefwechsel zwischen ihm und dem jungen Friedrich, als dieser noch gegen seinen Vater, Friedrich Wilhelm I., den Soldatenkönig, sich dadurch auflehnte, dass er eher künstlerische als soldatische Interessen entwickelte, war geeignet, solche Hoffnungen zu nähren. Friedrich: “...schreiben Sie an mich als  an den Menschen und verachten Sie Namen und äußerlichen Prunk.”

Zudem hatte Friedrich nach seiner Krönung zum König von Preußen ständig und vergeblich darauf gedrungen, Voltaire nach Potsdam zu holen. Erst nach dem Tod von Voltaires Lebensgefährtin Emilie du Châtelet im Jahre 1750, die als Angehörige des Hochadels weniger Illusionen ihrem Stand gegenüber hatte (sie schrieb in einem Brief an Richelieu: “am meisten beschäftigt mich der Gedanke an den schrecklichen Schmerz, den Voltaire empfinden wird, wenn der Rausch nachlässt, in den ihn der Hof von Preußen versetzt hat”) und sich zeitlebens dem Ansinnen Friedrichs entgegensetzte, entschloss sich Voltaire zu einem dauernden Aufenthalt in Preußen. Friedrich II. hatte zu dieser Zeit bereits bedeutende Wissenschaftler an seinen Hof gebunden, es fehlte ihm jedoch der größte und populärste Kopf der damaligen Geisteswelt: Voltaire.

Als der dann schließlich anreiste, waren Friedrichs künstlerische Ambitionen schon weitgehend dem königlichen Alltagsgeschäft, dem Regieren und Kriegführen, gewichen. Friedrichs “Tafelrunde” illustrer, materiell von ihm abhängiger Geister, sollte ihn wie die Musik vom Alltag entspannen und keinem anderen Zweck als dem der geistigen Erbauung dienen. Eine Art Hofnarrenkabinett, dem Voltaire, materiell unabhängig,  bestrebt, die Theorie aus ihrem Klosterdasein zu befreien und zur Realität zu führen, naturgemäß nicht lange angehören konnte.

Voltaire bei Friedrich in Berlin und Potsdam: Zerstörte Illusionen

8. August 1736 Erster Brief des Kronprinzen Friedrich an Voltaire: Der Brief beginnt so: "Monsieur, quoique je n’aie pas la satisfaction de vous connaître personnellement, vous ne m’en êtes pas moins connu par vos ouvrages." (Monsieur, wenn ich auch nicht die Genugtuung habe, mit Ihnen persönlich bekannt zu sein, so kenne ich Sie doch durch Ihre Werke...) und endet mit dem Wunsch, Voltaire kennenlernen zu dürfen. Es sollte noch vier Jahre bis zum ersten Treffen dauern:

Am 11. September 1740 Erste Begegnung Voltaires mit Friedrich in Schloß Moyland, Kleve, von hier aus fährt er zurück nach Den Haag.

Friedrich II

Friedrich II, genannt der Große im Alter von 27 Jahren, so, wie ihn Voltaire gekannt haben dürfte. Ausschnitt nach einem Gemälde von G. Glüme 1739 (Schloss Charlottenburg).

 

 

19. November 1740 Voltaire kommt von den Haag, über Herford und einer Zwischenstation in Rheinsberg zum ersten Mal nach Berlin. Nicht nur aus Freundschaft, denn der französische Hof will Friedrich als neuen Machthaber in Berlin ausloten und Voltaire fungiert als Bote einer persönlichen Nachricht des Kardinals Fleury, er soll insbesondere die Absichten Friedrichs angesichts der schwächelnden Großmacht Österreich in Erfahrung bringen. Vergeblich: Friedrich bereitet bereits seinen ersten schlesischen Krieg vor, ohne dass Voltaire etwas davon ahnt. So reist Voltaire Anfang Dezember (Friedrich “sein sechstägiges Erscheinen kostet mich fünfhundertfünfzig Ecus pro Tag. Das nenne ich einen Narren teuer bezahlen”) unverrichteter Dinge über Bückeburg ab, wo er die Gräfin  Bentinck trifft (9. - 11.12) und gelangt dann in einer sehr beschwerlichen Reise über Holland zurück nach Brüssel, wo er erst am 6 Januar 1741 ankommt und dort Emilie du Châtelet trifft.

3. September 1742 Kurzreise aus Brüssel zu Friedrich nach Aachen

30. August 1743 Voltaire kommt, nach der Enttäuschung, nicht in die Académie Francaise gewählt worden zu sein, erneut nach Berlin, jetzt mit diplomatischem Auftrag des französischen Königs, er soll die Haltung des jungen Königs zu verschieden weltpolitischen Fragen sondieren. Friedrich versucht Voltaire von der Politik fernzuhalten und die Gespräche auf  Literatur und Philosophie zu lenken, denn für ihn ist Voltaire mehr als ein Höfling Ludwig XV und es bleibt ihm nicht verborgen, dass Voltaire alle Tage dem französischen Außenminister Amelot Bericht erstattet. So besuchen sie die Markgräfin von Bayreuth, Friedrichs Schwester, die  für Voltaire zwei Wochen lang all den Luxus entfaltet, den ihr Hof zu bieten hatte und er genießt Theater, Oper und die zahlreichen Feste in vollen Zügen. Am 12. Oktober reist Voltaire nach Braunschweig (6 Tage Aufenthalt bei Phillipine-Charlotte von Braunschweig, einer weiteren Schwester Friedrichs), um dann über Bückeburg und Den Haag nach Brüssel weiterzufahren, wo er wieder mit Emilie du Châtelet zusammentrifft.

Berlin Stadtschloss
Kupferstich von P. Schenk (1660-1718) nach einer Zeichnung von S. Blesendorf (1833-1699), Quelle: Wikipedia Commons

Das Berliner Stadtschloß, wie es um 1700 ausgesehen hat. Stadtführer erzählen gerne die Mär von der 'bösen' DDR, die das teilzerstörte Gebäude 1950 abreissen ließ. (mehr dazu hier). Doch erbaute die DDR an dessen Stelle einen allen Bürgern offenstehenden Kulturpalast - der natürlich nach der Wende wieder abgerissen wurde ('Asbest, Asbest!') - um, man glaubt es kaum, das Preussenschloß als Kopie für 1500 Mio € wieder aufzubauen!

Ende Juni 1750 Nach dem unersetzlichen Verlust seiner Lebensgefährtin Emilie du Châtelet tritt Voltaire die beschwerliche Reise über Westfalen (Kleve erreicht er am 2. Juli) und Magdeburg nach Potsdam an, um dort an der Seite Friedrichs ein völlig anderes Leben zu führen. Die Kosten für die Reise, 4000 Dukaten (den Gegenwert von 2000 kg Rindfleisch = 16.000 €)  lässt er sich von Friedrich vorstrecken.

Ende Juli (20./21.) 1750 Ankunft Voltaires in Potsdam. Zunächst nehmen die Gespräche mit Friedrich und die Debatten der  Tafelrunde in Sanssouci Voltaire sehr in Anspruch. Er pendelt zwischen Berlin und Potsdam im Rhythmus von 3, 4 Tagen und genießt die freie, areligiöse Atmosphäre, korrigiert nebenher Friedrichs Gedichte und Schriften.

Schloss Sanssouci in Potsdam

Über dem Portal steh nicht Sans Souci, sondern eben 'sans, souci.', wie man hier sieht:

Friedrichs Sanssouci

Der Name stammt vom Schloss 'Kummerfrei' des Grafen Manteuffel, unter dessen wolffianischem Einfluss Friedrich stand, bevor er sich der Aufklärung Voltaires zuwandte. Auch die Schreibweise mit Komma und Punkt ist kein Zufall. Vgl. dazu das sehr unterhaltsame Buch des Historikers Heinz D. Kittsteiner: Das Komma von sans, souci. 2001.

12. September 1750 nach seiner Freistellung durch den französischen Königshof (der ihm aber im Gegenzug seine Stellung als Hofhistoriograph entzieht) kann Voltaire offiziell in die Dienste Friedrichs eintreten und wird zum Kammerherrn mit 20.000 Pfund Jahresgehalt ernannt. Angesichts dieser Bevorzugung Voltaires beginnen die Eifersüchteleien und Intrigen in der engeren Umgebung Friedrichs, besonders in der Tafelrunde, das Klima zu vergiften.

Ende August 1750: Wiedersehen Voltaires mit der Gräfin Bentinck. Voltaire unterstützt sie bei ihren Rechtsstreitigkeiten gegen den dänischen Staat und organisiert Friedrichs Beistand. Ein Freundschaftsdienst, den dieser nur widerwillig erbringt und die Angelegenheit zu diplomatischen Ränkespielen nutzt.

Bereits Anfang September 1750 spricht Voltaire davon, nach Frankreich zurückzukehren, eine Absicht, die er in der Folgezeit immer wieder äußert und doch zwei Jahre lang nie umsetzt.

Im Oktober: Eine engere Freundschaft hält Voltaire mit der Gräfin Bentinck. Allein der Schriftwechsel aus der Berliner Zeit zwischen ihm und der Gräfin umfasst 250 Seiten. Außerdem gehört Friedrichs Schwester Wilhelmine zu Voltaires Verbündeten am preussischen Hof.

Wilhelmine von Bayreuth

Friederike Sophie Wilhelmine von Preussen, Markgräfin von Bayreuth,
mit ihr hält Voltaire dauerhaft Kontakt bis zu ihrem frühen Tod im Jahr 1758. Wilhelmine von Bayreuth hielt sich in den ersten Monaten seines Aufenthalts in Berlin auf.

 

 

 

November 1750 Die Affäre Hirschel nimmt ihren Lauf. Ein Spekulationsgeschäft, heute würde man es als (auch damals verbotenes) Insidergeschäft bezeichnen. Voltaire bedient sich eines Mittelsmanns, eben jenes Hirschel, um sächsische Staatsanleihen aufzukaufen. Bald zweifelt Voltaire an dessen Zuverlässigkeit und verlangt das für den Ankauf der Staatsanleihen vorgestreckte Geld zurück. Die Angelegenheit wird Friedrich hinterbracht. Hirschel weigert sich, einzulenken (es scheint, als habe ihn Friedrich unterstützt, um Voltaire zu bestrafen). Im Januar 1751 kommt es zu einem in ganz Europa Aufsehen erregenden Prozess, den Voltaire zwar gewinnt, ihn aber viel Geld kostet und ihm zudem die gefährliche Missgunst Friedrichs und die unverhohlene Schadenfreude seiner Gegner einbringt.

Dezember 1750 Die Konten Voltaires in Paris werden in Zusammenhang mit der Affäre Hirschel gesperrt.

Februar 1751 Das Verhältnis zu Friedrich ist merklich abgekühlt, es folgt ein bedrohlicher Brief Friedrichs an Voltaire. Voltaire erbittet die Erlaubnis (ein halbes Dutzend mal)  ins Marquisat, eine Villa am Stadtrand von Potsdam, umziehen zu dürfen, die ihm dann gnädigerweise fürs Frühjahr in Aussicht gestellt wird. In dieser Zeit verliert Voltaire, erst 56 jährig, sämtliche Zähne.

März 1751 Aussöhnung zwischen Friedrich und Voltaire. Voltaire zieht trotzdem ins Potsdamer Marquisat und bleibt dort bis zur Rückkehr des Marquis d'Argens im August. Der auf Voltaire bezogene Ausspruch Friedrichs: “Ich brauche ihn höchstens noch ein Jahr, man presst die Orange aus und wirft die Schale weg” wird Voltaire von La Mettrie, dem bedeutenden Materialisten und Atheisten am Hofe Friedrichs, hinterbracht und zeigt ihm ungeschminkt die Haltung des preußischen Königs ihm gegenüber.


Das Marquisat war eine kleine Gartenvilla mit großem, parkähnlichen Garten vor den Toren Potsdams, die Friedrich II 1748 erworben und seinem Freund, dem Marquis d'Argens geschenkt hatte, daher auch der Name. Vom Marquis d'Argens ist das Gebäude schon 4 Jahre später an einen gewissen Kabinettsrat Eichel abgegeben worden.
Dazwischen aber, von März bis August 1751, diente das Marquisat Voltaire kurzzeitig als Aufenthaltsort.
mehr zum Marquisat


 

La Mettrie

Julien Offray de La Mettrie *23.11.1709, Arzt und Philosoph (l'homme machine). Pionier des Materialismus.
La Mettrie stirbt am 11.11.1751 in Potsdam. Auf der offiziellen Trauerfeier lässt Friedrich den von ihm selbst verfassten Nachruf “Eloge de La Mettrie” verlesen.

 

1752 ist das Jahr einer heftig geführten Auseinandersetzung Voltaires mit Maupertuis, dem berühmten Naturwissenschaftler und Präsidenten der preußischen Akademie. Aus reiner Machtgier versucht Maupertuis, das Ansehen eines seiner Kritiker, des Mathematikers Johann Samuel König, herabzusetzen. Er beschuldigt ihn der Fälschung.

10. April.1752 Collini tritt als Sekretär in die Dienste Voltaires und wird sein enger Vertrauter.

13. April 1752 Die preußische Akademie der Wissenschaften unter Maupertuis und leider auch Euler, verurteilt J. S. König als Fälscher.

September 1752 Voltaire schlägt sich anonym auf die Seite J.S.Königs (“Réponse d`un académicien à un académicen de Paris”).

7. November 1752 Friedrich verteidigt seinen Akademiepräsidenten Maupertuis mit einer ebenfalls anonymen Schrift “Lettres d`un académicien de Berlin à un académicien de Paris” und greift dort den  Anonymus der “Réponse” beleidigend an.

15. November 1752 So herausgefordert, verfasst Voltaire seine Satire  “Diatribe du Docteur Akakia”, ein Generalangriff auf Eitelkeit und Selbstherrlichkeit Maupertuis. Friedrich will die “Diatribe”, die große Beachtung findet, sogleich unterdrücken und verlangt von Voltaire, er solle auf  die Veröffentlichung verzichten. Voltaire vernichtet zwar das Manuskript vor Friedrichs Augen, die Schrift erscheint jedoch wenige Tage später (Anfang Dezember) in Dresden und, von Christlob Mylius übersetzt, in Leipzig auf Deutsch (Diatribe des Doctor Akakia, Päbstlichen Leibarztes).

Maupertuis

Pierre Louis Moreau de Maupertuis *28.9.1698, gestorben 27.7.1759 in Basel, Präsident der Berliner Akademie der Wissenschaften.

Maupertuis kreuzte immer wieder die Wege Voltaires, zuletzt allerdings wenig freundschaftlich: Der Streit über die Frage, wer nun das Gesetz der kleinsten Wirkung entdeckt hat (Maupertuis oder Leibniz) entzweit sie endgültig.

 

24. Dezember 1752 10 Uhr lässt Friedrich Voltaires “Akakia” in Berlin   verbrennen. Es ist das einzige Buch, das während der Regentschaft Friedrichs verbrannt wird.

1. Januar 1753 Voltaire gibt als Antwort seine Kammerherren-Insignien an Friedrich zurück und zieht mit seinem Sekretär Collini in ein gemietetes Haus am Holzmarkt in der Berliner Vorstadt.

Friedrich versucht vergeblich, eine Versöhnung herbeizuführen. Voltaire verlangt die Genehmigung Friedrichs, Potsdam und Berlin verlassen zu dürfen.

Berlin Holzmarkt Strasse Am Holzmarkt in Berlin heute, ob Voltaire da wohnte? Sicher nicht in dem Hochhaus aus der DDR Zeit, aber bescheiden war es schon.

 
 

16. März 1753 “Abschiedsbrief” an Friedrich, am 19.3. letztes Zusammentreffen Voltaire - Friedrich

26. März 1753 Voltaire reist aus Berlin nach Leipzig ab, angeblich, um nach einem Kuraufenthalt in Plombières zurückzukehren. Voltaire und Friedrich begegnen sich jedoch nie wieder, nehmen ihre Korrespondenz aber nach dem Ende des siebenjährigen Krieges wieder auf.

In Leipzig hält sich Voltaire fast 4 Wochen auf. Er wohnt im Goldenen Engel gar nicht weit vom Firmensitz des Verlages Breitkopf, wo er sich mit seinem dortigen Unterstützerkreis um Gottsched, der bei Breitkopf wohnt, täglich trifft und berät (s. dazu die Briefe bei Danzel, Gottsched) .  Er reist mit Collini am 18.4. von Leipzig über Gotha (21.4.) nach Frankfurt am Main (31.5.), dort  lässt ihn Friedrich verhaften und unter Hausarrest stellen.

  • Œuvres de M. de Voltaire. À Dresden. Walther 1752 (Werkausgabe in 9 Bänden). Mit Georg Conrad Walther hatte Voltaire während seines Aufenthalts am preußischen Hof Kontakt aufgenommen und unterstützte den für die Aufklärung engagierten Verleger bei der Herausgabe tatkräftig. Zur Entstehungsgeschichte und zu Walther existiert eine sehr materialreiche Untersuchung von Martin Fontius, Voltaire in Berlin, Berlin (DDR) 1966.
  • Œuvres de M. de Voltaire [Texte imprimé]. Nouvelle édition considérablement augmentée, 11 vols erscheint bei Lambert  (Mai 1751 ), Paris. Eine Edition, mit der Voltaire nie zufrieden war, der Streit eskalierte unter Mitwirkung von Collini im Jahr 1757 als bei Lambert eine die erweiterte Ausgabe erscheinen sollte.
  • Siècle de Louis XIV (Jahrhundert Ludwig XIV.) Voltaire bedeutendes 
    Geschichtswerk über die Zeit Ludwig des XIV. erscheint November 1751 in Berlin bei C.F. Henning, der königlichen Druckerei.
  • Dialogue entre Marc Aurèle et un récollet erscheint im Juni 1751, Mit diesem Dialog will Voltaire Friedrich zu einer weisen Staatsführung motivieren.
  • Dialogue entre un bracmane et un jésuite (Dialog zwischen einem Bramanen und einem Jesuiten) erscheint in der Zeitschrift Abeille du Parnasse Februar/März 1752
  • Sermon des cinquantes (Schwur der Fünfzig), Voltaires vehement antiklerikale Schrift April 1752 fertiggestellt
  • Micromegas erscheint im März bei Walther in Dresden (der Roman, schon 1750 fertiggestellt, war in Paris auf Betreiben Fontenelles unterdrückt  worden).
  • L`Epitre au cardinal Quirini (Epistel auf den Kardinal Quirini) wird in Paris Juli 1752 publiziert
  • Réponse d`un académicien à un académicen de Paris (Antwort eines Akademikers auf einen Akademiker aus Paris)
  • Poème sur la loi naturelle (Poem über das Naturgesetz) erscheinen September 1752
  • Arbeit am Dictionnaire philosophique (philosophisches Wörterbuch)
  • Artikel Athéisme für das geplante philosophische Wörterbuch Oktober 1752
  • Histoire de  la guerre de 1741 (Geschichte des Krieges von 1741)
  • Diatribe du Docteur Akakia (Pamphlet des Doktor Akakia), ein Generalangriff auf Eitelkeit und Selbstherrlichkeit Maupertuis
  • Défense de Milord Bolingbroke (Verteidigung des Milord Bolingbroke) erscheinen  November 1752
  • Le tombeau de la Sorbonne (Das Grab der Sorbonne) Dezember 1752

Paris

Voltaire und Paris

Gemälde von Nicolas Raguenet: Pont neuf 1755, musée du carnavalet

Nicht nur für Voltaire, der hier geboren wurde und im Alter von 84 Jahren in Paris starb, für Frankreich und für die gesamte westliche Welt (die damals Russland einschloss, Voltaire unterhielt mit Katharina der Großen einen langjährigen Briefwechsel!) war Paris im 18.Jahrhundert das kulturelle Zentrum schlechthin.
Hier war der seit Ludwig XIV. luxuriöseste Hof, hier wurden Prunksucht und Verschwendung auf die Spitze getrieben. Ganz Europa (jedenfalls die Adligen und das gebildete Bürgertum) sprach französisch, alles blickte nach Paris, wenn es darum ging, Schlösser zu bauen, sich zu kleiden, Feste zu feiern - oder die neuesten Erkenntnisse der Philosophie und der Wissenschaft zu erfahren.

Paris war aber auch die Stadt der kleinen Leute, der Handwerker, der Kaufleute, der Manufakturarbeiter, die sich vor allem im Faubourg Saint Antoine ansiedelten. Sie besaßen wenig, waren in Compagnonades (Gesellenvereine) organisiert und erreichten manchmal in harten Arbeitskämpfen höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Sie hatten mit der Kirche nichts im Sinn, nannten Voltaire "l`homme aux Calas" und liebten ihn wegen seiner Forderung:

Ecrasez l`Infâme!

Paris

1694

Nach dem Taufregister am 21.11.1694 - am 20.2.1694 nach Voltaires eigener Auskunft,  wird François-Marie Arouet im Faubourg St.Germain geboren, als Sohn des königlichen Rates (eine hoch angesehene Stellung, einem amtlich bestellten Notar vergleichbar) Arouet und von Marguerite Arouet, geborene d`Aumart. Am 22.11 wird er in der Kirche Saint André des Arts getauft. Pate ist der Abbé de Châteauneuf, Mitglied des Temple-Kreises (eines Zusammenschlusses von Freidenkern, die sehr dem guten Leben zugetan waren).
Andre des Arts Arcaden
Der immer irgendwie sommerliche Platz Saint André des Arts, wo Voltaires Taufkirche stand. Dass hier einmal eine Kirche war, ist heute nur noch an den Anschlussflügeln des Wohnhauses im Hintergrund des Cafés Gentillehommière zu erkennen.
St Michel Michel
Die Rue Saint André des Arts (Metro St. Michel) im Quartier Latin heute, eine enge Straße mit einladenden Hinterhöfen, Antiquariaten, alten Häusern und Passagen. 

1701

Familie Arouet zieht in eine repräsentative Amtswohnung im Palais de Justice um. Tod der Mutter am 13. Juli
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Palais de Justice (Metro Cité) v. 13. - 16. Jhdt. Sitz des französischen Königshauses, später Zentrum der französischen Justiz.

1704

Voltaire besucht das Jesuitengymnasium Louis-le-Grand (Internat, nur am Wochenende kommen die Kinder nach Hause), es ist die Lehranstalt für Kinder der allerhöchsten Kreise. Mitschüler sind auch die beiden d`Argensons und d`Argental. D'Argental wird zu einem lebenslanger Freund Voltaires, die Bekanntschaft der d'Argensons war ihm oft nützlich.
Louis Louis2
Das Gymnasium Louis le Grand (Métro Cluny/Sorbonne)

1705

Voltaire wird im “Temple”, dem Zentrum der Freidenker, eingeführt und außerdem - so erzählt er selbst - der damals schon über 80jährigen Ninon de Lenclos vorgestellt, die einen berühmten libertären Salon unterhält - sie hinterlässt Voltaire bei ihrem Tod im Jahre 1705 2000 Pfund, um Bücher zu kaufen (das Existenzminimum dürfte damals bei einem Einkommen von ca. 300 Pfund pro Jahr gelegen haben, ein Landpfarrer verdiente 700 Pfund pro Jahr, ein Dorfschullehrer aber nur 150).
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Der 'Temple', der ein ganzes Stadtviertel umfasste, war bis ins 13. Jhdt. Sitz des Templerordens und danach des Malteserordens. Im 18.Jdt. versammelte sich hier unter dem Malteser-Prior, dem Prinz von Vendome, der freiheitlich und antiklerikal gesinnte Hochadel. An diese Zeit erinnert heute nichts, auch nicht an den kleinen Mozart, der hier auftrat. Stattdessen viel an die Königsfamilie, die hier vor ihrer Exekution gefangen sass. 

1709 - 1713

1709 Voltaires Schwester Marguerite heiratet und verlässt das Elternhaus 1711 Voltaire kehrt nach dem Schulabschluss ins Elternhaus zurück, wo jetzt nur noch sein religiös gesinnter älterer Bruder Armand und sein Vater leben. Der Vater widersetzt sich dem Wunsch Voltaires, Dichter zu werden und zwingt ihn, Jura zu studieren. 1712 Voltaire beginnt in den literarischen Salons von Paris zunehmend eine Rolle zu spielen, beginnt mit der Arbeit an seiner Tragödie Oedipus. 1713 Vater Arouet verbannt Voltaire nach Caen in der Normandie, dann nach den Haag wo er seine erste große Liebe, Pimpette, kennenlernt.

1714 - 1715

1714 Kaum ist Voltaire zurück in Paris, muss er zu einem Notar in die Lehre, Maitre Alain, in der Rue du Pavé Saint Bernard, Place Maubert. Er lernt dort Nicolas Thieriot kennen, der seinen Lebensweg begleiten wird. Ein Gedicht zur Einweihung des Kirchenchors von Notre-Dame, das er zum Wettbewerb der Academie eingereicht hatte wird abgelehnt. Er verspottet den bigotten Sieger und wird deshalb aufs Schloss Saint-Ange in der Nähe von Fontainebleau geschickt, dessen Besitzer Louis Urbain Lefèvre de Caumartin (1653-1720), Finanzpräsident, ihn freundlich aufnimmt. 1715
Voltaire verkehrt im Salon der Herzogin von Maine in Sceaux. Am 1.September stirbt Ludwig XIV..
Maubert1 Maubert2
Place Maubert heute, wo Voltaire zur Lehre ging

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1716

Voltaire wird wegen regierungskritischer Verse ("J'ai vu") verdächtigt und im Mai nach Sully sur Loire verbannt, hier verbringt er beim Herzog von Sully schöne Tage und verliebt sich in Suzanne de Corsembleu de Livry, die ihn als spätere Marquise de Gouvernet nicht mehr kennen will, sein Gedicht "Les Vous et les Tu" bezieht sich darauf: Im Oktober wieder in Paris, wohnt er im Hotel garni "Au Panier Vert" in der Rue de la Calandre, unweit von der Wohnung seines Vaters.
Hier ein Gemälde der heute verschwundenen Rue de la Calandre von Marc Peltzer, man sieht im Hintergrund die Sainte Chapelle im Palais de Justice. Er hat die Straße nach alten Vorlagen des Musée de Carnavalet nachempfunden und gemalt. Heute befindet sich an dieser Stelle gegenüber des Palais de Justice ein riesiger Platz und die Polizeipräfektur von Paris(Métro Cité). Die sehr schöne Internetseite von Marc Peltzer findet man unter: http://marc.peltzer.pagesperso-orange.fr"

1717 - 1718

Besuch in Saint-Ange. Am 16.5.1717 wird Voltaire in der Bastille mit königlichem Haftbefehl (lettre de cachet) gefangengesetzt. Grund: Diverse der Polizei durch den Spitzel Beauregard hinterbrachte regierungskritische Äußerungen und das Gedicht "Regnate puero", eine Satire auf das liederliche Leben Philipp d`Orléans, dem Regenten, und auf seine verfehlte Politik. Solche Verhaftungen waren damals an der Tagesordnung, konnten sich jahrelang hinziehen, wenn man keine Beziehungen hatte und kein Geld für die notwendigen Bestechungsgelder. Voltaire wird elf Monate gefangengehalten. Er hat jedoch Gelegenheit, in der Gefangenschaft sein berühmtes Epos, die Henriade zu konzipieren. Sturm auf die Bastille nach einem anonymen Gemälde des 18. Jhdts. Die Bastille war ein Spezialgefängnis für Inhaftierungen ohne Anklage und ohne Prozess. Heute ist es vielfach Mode geworden, die milden Haftbedingungen zu loben, damals war die Bastille das Symbol für Willkür und Despotismus schlechthin. Deshalb wurde sie 1789 als erstes Gebäude gestürmt und anschließend sorgfältig abgetragen. Das Gemälde befindet sich heute im Schloss Versailles.

1719 - 1722

1719 Voltaire erhält die definitive Erlaubnis, wieder in Paris zu leben und lernt Baron Goertz kennen, den Vertrauten Karls XII. Nimmt den Namen 'de Voltaire' an - er soll ihm mehr Glück bringen als Arouet, es gelingt ihm, zu Finanz- und Bankierskreisen Kontakt aufzunehmen, besucht den Salon der Duchesse de Villars in Vaux bei Melun. 1720 Die Tragödie Artémire, obwohl die berühmte Adrienne Lecouvreur die Hauptrolle spielt, wird vom Publikum ausgepfiffen. Voltaire wohnt im Schloss des Herzogs von Richelieu. 1721 Voltaire macht seine Henriade bekannt, bereist die Salons. 1722 Voltaires Vater Arouet stirbt am 1.Januar, das Erbe beträgt 'nur' 4000 Livres Jahresrente, sein Bruder erbt ein Vielfaches. Voltaire wird von Handlangern des Spitzels Beauregard, den er öffentlich einen solchen genannt hat, auf dem Pont de Sceaux verprügelt, erhält Messerstiche, die ihn jedoch nicht töten. Es gelingt ihm später, Beauregard vor Gericht zu ziehen und ins Gefängnis werfen zu lassen. Reise mit der Marquise de Rupelmonde über Cambrai nach Brüssel. um den damals hochberühmten Dichter Jean-Baptiste Rousseau zu besuchen. Im Oktober ist Voltaire wieder in Paris. Im Dezember reist er nach Ussé zum früheren 'secretary of state'* Englands, Lord Bolingbroke, der seit 1717 im französischen Exil in Orléans (Schloß La Source) lebte, der im Jahr darauf in seine Heimat zurückkehrt. * das entspricht einem heutigen Ministerpäsidenten, Bolingbroke hatte das Amt von 1710 bis 1714 inne. Er musste England verlassen, nachdem ein von ihm iniitierter Staatsstreich scheiterte. Quelle: Wikipedia.

1723

Im Februar: Voltaire ist von Ussé zurück in Paris. Er zieht in das Haus der befreundeten und einflussreichen Familie Bernière, Rue de Beaune. Reist nach Rouen, zum zweiten Wohnort der Bernières, aufs Schloß La Rivière-Bourdet und wohnt schließlich im Schloß des Präsidenten de Maison unweit von Paris. Er infiziert sich an der Pest, die damals viele Opfer fordert. Voltaire entkommt jedoch ganz knapp dem drohenden Tod und kann sich Ende des Jahres der gefährlichen Aufgabe widmen, sein Epos, die Henriade, geheim zu vertreiben. Das Werk wird begeistert aufgenommen. Voltaire ist der französische Vergil.
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Das Haus der Bernières in der Rue de Beaune heute (Métro Musée d`Orsay). Es ist das einzige noch erhaltene Gebäude in Paris, in dem Voltaire selbst wohnte und ist leider derzeit (2003) in einem sehr schlechten Zustand.*
*unseren Vorschlag gegenüber der 'Société Voltaire' (honorige Vereinigung von Professoren) eine Initiative zu starten, um das Haus in Staatsbesitz überzuführen und zu einem Museum für Voltaire zu machen, beantwortete der Zuständige so: eine solche 'Anfrage' hätte gar keine Aussicht auf Erfolg, da der französische Staat ohnehin über zuwenig Geld verfüge. Zu bedauern, wer solche Freunde hat, Platzhalter, um bessere abzuschrecken!

1724 - 1726

1724. Am 6. März Aufführung von Mariamne mit Adrienne Lecouvreur - das Stück fällt durch. Er reist mit Richelieu nach Forges, einem damals sehr beliebten Badeort. Er zeigt seine Komödie L´Indiscret. Die Aufführung ist erfolgreich. Hochzeit Ludwig XV. mit Maria Leszcinska, Tochter des abgedankten polnischen Königs Stanislas - Voltaire ist zugegen. 1725 Mariamne und L'Indiscret gefallen der Königin, was Voltaire den Titel eines Hofpoeten einbringt und das Versprechen einer jährlichen Pension v. 1500 livres, die ihm ein sorgenfreies Leben gesichert hätten - wären sie denn ausbezahlt worden. 1726 wird Voltaire vom Chevalier de Rohan-Chabot (Spross einer einflussreichen Adelsfamilie) wegen seiner nicht adligen Geburt beleidigt (“Mon de Voltaire, Mon Arouet, comment vous appelez-vous ?”). Als Voltaire antwortet, ”Je ne suis pas comme ceux qui déshonorent le nom qu'ils ont reçu; j'immortalise celui que j'ai pris.”* schlägt der Chevalier mit dem Stock auf Voltaire ein und lässt ihm wenige Tage später durch 3 Schläger auflauern und übel zurichten. Jedoch nicht der Chevalier, sondern Voltaire wird verhaftet, 4 Monate in die Bastille gesteckt und muss im Mai zu einer 2 Jahre dauernden Emigration nach England aufbrechen. Positiver Nebenaspekt: Voltaire lernt dort außer der englischen Sprache auch die neuesten Entwicklungen der Philosophie (Locke) und der Naturwissenschaften (Newton) und die freieren gesellschaftlichen Verhältnisse kennen.
*Herr Voltaire, Herr Arouet - oder wie heißen Sie doch gleich? - Ich bin nicht wie jene, die den Namen entehren, den sie erhalten haben, ich werde den, den ich mir gegeben habe, unsterblich machen!
Voltaire war eng mit der erst 20 Jahre alten Schauspielerin Adrienne Lecouvreur befreundet, sie war der Star der Comédie Française und von der Männerwelt Paris´ heiß begehrt. Dem dem Klerus galt die Schauspielerei als unehrenhaftes Gewerbe. Auch Adrienne Lecouvreur wirde nach ihrem Tod eine ordentliche Beerdigung durch die Kirche verweigert. Dazu Voltaires Gedicht: La mort de Mlle Lecouvreur Das Bild zeigt Adrienne Lecoucreur auf der Bühne.
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1729

Rückkehr aus London. Voltaire wohnt in Saint Germain en Laye bei einem Perückenmacher namens Sanson in der Rue de Récollets, später erhält er die Erlaubnis, wieder in Paris zu wohnen: in der Rue Traversières Saint Honoré. Reise mit Richelieu nach Plombières les Bains, einem damals sehr beliebten lothringischen Kurort.
Paris Canal St Martin Paris Rue de Recollets
Die Rue de Recollets ist noch heute fast dörflich, zumindest auf der Kanalseite, wo die nicht so betuchten Pariser Sonntags ausspannen.
Paris Rue MoliereParis Moliere Statue
Die Rue Molière (Métro Palais Royal) hieß früher Rue Traversières Saint Honoré, ist heute eine nette Wohnstraße mit kleinen Restaurants, die von den Besuchern des Palais Royal profitieren.

1730

Als im März 1730 die berühmte Schauspielerin Adrienne Lecouvreur, mit der Voltaire freundschaftlich verbunden ist, stirbt, wird ihr Körper nicht begraben, sondern auf den Schindanger geworfen. Denn nach Ansicht der Kirche sind Schauspieler unehrenhafte Leute - die 1000 Pfund, die ihr Adrienne Lecouvreur in der Hoffnung auf ein anständiges Begräbnis vermacht hat, waren umsonst. Voltaire schreibt gegen diese Ungeheuerlichkeit das bewegende und antiklerikale Gedicht: l'Ode sur la mort de Mlle Lecouvreur. Am 11.12. findet die Uraufführung der Tragödie Brutus statt. Gleichzeitig erscheint die umfangreiche Geschichte des schwedischen Königs Karl XII (Histoire de Charles XII). Um die Herausgabe des Werkes zu überwachen, reist Voltaire nach Rouen und wohnt dort 3 Monate im Hause seines Verlegers Jore. Unter falschem Namen, denn er befürchtet, wegen dem Gedicht 'Ode sur la mort de Mlle Lecouvreur' verfolgt zu werden.

1731

Voltaire zieht in das Haus der Comtesse de Fontaine-Martel am Palais Royal rue des Bons-Enfants), arbeitet an seiner Tragödie La mort de Cesar, an Eriphyle und an einer neuen Version der Epitre à Uranie. 1629 durch Cardinal Richelieu in Auftrag gegeben, wohnte im Palais Royal (Métro Palais Royal) später Anna von Österreich mit dem kleinen Ludwig XIV., daher der Name: Palais Royal. Im 18. Jahrhundert feierte Phillippe d`Orléans hier große Feste. Hier befanden sich bedeutende literarische Cafés, Treffpunkt der Intellektuellen. Sehr schön dazu Diderots Werk: Der Neffe von Rameau. Heute ist der schöne Garten ein angenehmer Ruhepol inmitten des Pariser Trubels.

1732

Triumphale Aufnahme von Zaire an der Comédie Française am 31.8.1732. Zaire wird das erfolgreichste Stück seiner Zeit.
Die Comédie Française am Palais Royal, Paris
Die Comédie war für Voltaire der entscheidende Bezugspunkt seines dramaturgischen Schaffens.Hier errang er seinen ersten großen Erfolg mit der Tragödie Ödipus (1718). über 30 Stücke schrieb er direkt zur Aufführung für die Comédie Française, unter nderen Zaire (1732),  Sémiramis (1748), L`Orphelin de la Chine (1755) und Irène(1778).
Die Comédie Française wurde 1680 unter Ludwig XIV. als Zusammenschluss der verschiedenen, bisher unabhängig voneinander spielenden Truppen, unter anderem der Truppe Molières (nach seinem Tod 1673 von seiner Lebensgefährtin A. Béjart geleitet) als eigenständige Gesellschaft gegründet und spielte bis 1687 im Hotel Guénégaud (heute: Musée de la Chasse, Métro Rambuteau). Kirchenleute in der Nachbarschaft zwangen die Truppe, den Standort aufzugeben und in die Rue des Fossés-Saint-Germain, in einen ehemaligen Federballsaal umzuziehen (Nr. 14 der heutigen Rue de l'Ancienne-Comédie, Métro Odéon). Erst zwei Jahre später, 1689, konnte hier der Spielbetrieb wieder aufgenommen werden. An diesem Standort wurden auch die meisten der Stücke Voltaires aufgeführt. Im Jahre 1770, der alte Theatersaal war baufällig geworden, musste man schließlich in das Palais des Tuileries (dieses bildete den Abschluss der beiden Längsachsen des heutigen Louvre und ging 1871 in Flammen auf - zum Palais des Tuileries siehe die sehr gute Louvre-Internetseite http://www.louvre.fr) umziehen. Hier wurde Voltaire mit seiner letzten Tragödie Irène ein triumphaler Empfang bereitet, mitten in der Aufführung bekränzten die Zuschauer seine Büste mit Ehrenlaub. Von 1782 bis 1790 spielte man im Odéon, danach bis heute im Théatre du Palais-Royal. 1812 erhob Napoléon die Comédie Française in den Rang einer staatlichen Institution. Das heutige Gebäude der Comédie wurde von 1786 - 1790 von Victor Louis erbaut. Im Foyer findet man die berühmte Voltairebüste von Houdon. Die Geschichte der Comédie Française und der aktuelle Spielplan sind sehr schön auf der Internetseite der Comédie http://www.comedie-francaise.fr nachzulesen (auch auf englisch).

1733 - 1735

1733 Voltaire zieht nach dem Tode der Comtesse de Fontaine-Martel in ein Haus gegenüber dem Portal von Saint Gervais in der Rue Jacques de Brosse (früher Rue du Longpont). Die Liebe zu Emilie du Châtelet entflammt. 1734 Hochzeit des Duc de Richelieu auf Schloß Monjeu, Voltaire und Emilie treten als Paar auf. Die Veröffentlichung der Lettres philosophiques hat einen Haftbefehl (8.Mai) zur Folge, das Werk wird am 10. Juni verbrannt. Voltaire flieht nach Cirey. 1735 Kardinal Fleury als oberster Zensor hebt den Haftbefehl auf, Voltaire kommt am 30. März nach Paris zurück. Schon sechs Wochen später erhält er eine eindringliche Warnung: Er soll wegen seiner satirischen Versdichtung über die Jungfrau von Orleans (La Pucelle) verhaftet werden. Er entzieht sich der Verhaftung und reist am 12.Mai an den Hof von Lunéville. nach oben

1739 - 1741

1739 Am 24. August Ankunft Voltaires mit Emilie Du Châtelet aus Brüssel, er wohnt in einem Hotel in der Rue Cloche-Perce. Voltaire kauft das Palais Lambert (2, rue Saint-Louis-en-l'Île) auf der Île Saint-Louis als Pariser Wohnsitz auf den Namen Emilies. Das Haus wird vermietet und schon ein Jahr später wieder verkauft. Proben für Mahomet. Die Polizei beschlagnahmt bei einer Hausdurchsuchung drei gedruckte Schriften. Sein Verleger wird zu einer Geldstrafe und zu einer dreimonatigen Schließung seines Geschäfts verurteilt.  Voltaire verlässt Paris am 24.11. und reist über Cirey zurück nach Brüssel. Am 4 Dezember lässt das  Pariser Parlament sein Werk "Das Jahrhundert Ludwig XIV." verbrennen.

 

 

 

 

 

1740 Voltaire in Brüssel, Den Haag. Am 11. September erstes Treffen mit Friedrich II in Kleve, Rheinsberg.

1741 Anfang November zurück in Paris im früheren Haus der Comtesse de Fontaine-Martel nahe dem Palais Royal. Mitte November Abreise nach Cirey.

1742

Im Februar sind Voltaire und Emilie in Paris zurück. Obwohl - oder weil - die Aufführung des Mahomet am 9. August ein großer Erfolg war, erlässt der am Hofe Ludwig XV. allmächtige Kardinal Fleury wegen des antiklerikalen Inhalts ein Aufführungsverbot. Am 22. August reisen beide über Reims nach Brüssel und Ende November wieder zurück nach Paris. Voltaire erwirbt ein kleines Haus im Faubourg St.Honoré. Voltaire beglückwünscht Friedrich II. zum Friedensschluss mit Österreich in einem Brief vom 5.Mai 1742. Der Brief wird - von Friedrich II. - publiziert, um Voltaire in Paris unmöglich zu machen - mit Erfolg: die Pariser Öffentlichkeit ist gegen Voltaire aufgebracht. Seine Wohnung muss vor der aufgehetzten Menschenmenge geschützt werden.

 

 

 

In der Rue St. Honoré, im 18. Jhdt eine wichtige Handwerkerstraße, wo die Luxusgegenstände des Hofes gefertigt wurden, verkauft man heute vor allem Kleidung und Schmuck für die Luxus liebenden Damen der Diplomaten. Rechts die britische Botschaft, früher das Hotel Charot, in dessen Nachbarschaft Voltaire wohnte. 

1743

Voltaire betreibt seine Aufnahme in die Academie Française mit dem eher zahmen Stück Mérope. Die Aufführung am 20.Februar ist ein riesiger Erfolg, trotzdem verweigert man ihm erneut die Aufnahme in die Akademie. Voltaire hat die Kirche gegen sich. Die Niederlage schwächt seine Stellung. Mitte April Reise nach Nancy, im Mai zurück in Paris. Voltaires Tragödie Julius Cäsar, mit der er Shakespeare in Frankreich bekannt machen will, wird von der Zensur am Vorabend der Premiere abgelehnt. Ab Juli reist Voltaire über Den Haag nach Berlin zu Friedrich II. in geheimer Mission. Erst im Dezember trifft er wieder gemeinsam mit Emilie de Châtelet in Paris ein.

 

Theatersaal der Comédie nach einem Kupferstich von Charles Coypel 1726

1744 - 1745

1744 Arbeit an der komischen Oper La Princesse de Navarre zusammen mit Rameau, dem bedeutenden Komponisten und Begründer der Harmonielehre. Voltaire versucht, seine Stellung bei Hofe zu verbessern, pendelt ständig zwischen seiner Wohnung im Hotel Villeroy in Versailles und Paris. Er hofft, sich am Königshof etablieren zu können, denn seine Freunde haben sich ins Zentrum der Macht vorgearbeitet. d'Argenson wird Außenminister.

1745 Am 18.2.45 stirbt Voltaires bigotter Bruder und entzieht ihm testamentarisch seinen Anteil am väterlichen Erbe. Erfolgreiche Aufführung der Princesse de Navarre als Höhepunkt bei den Hochzeitszeremonien des Thronfolgers in Versailles. Die Taktik hat Erfolg: Voltaire wird Hof-Historiograph mit einem Jahresgehalt von 2000 Livres. Voltaire fördert auch die Ambitionen von Mlle de Pompadour und betreibt für sich selbst die Aufnahme in die Académie Française. Am 17.8.45 Brief an Papst Benedikt XIV., mit der Bitte, die Widmung des Mahomet anzunehmen. Der nicht ungebildete Papst nimmt an und Voltaire hat einen weiteren Pluspunkt für seine Wahl in die Académie. Die Liebesbeziehung mit seiner Nichte Marie Louise Denis beginnt.

 

Gedenkmünze zur Hochzeit des Dauphin (ältester Sohn und Thronfolger Ludwig XV - er stirbt 1765 an Tuberkulose) mit Maria von Sachsen, bei der Voltaires Stück, die Prinzessin von Navarra aufgeführt wird.

1746 - 1750

1746 Am 25.3.46 wird Voltaire in die Academie Française gewählt und am 22.10.46 zum "Gentillehomme de la Chambre du Roi". Dies ist der Höhepunkt von Voltaires Glück bei Hofe. Am 25.5. hält Voltaire seine Rede zur Aufnahme in die Akademie. Dies ist eine Periode des höfischen Lebens mit Emilie.

1747 Am Spieltisch der Königin in Fontainebleau verliert Mme. de Châtelet im Oktober 84.000 Livres. Voltaire weist sie in englischer Sprache darauf hin, dass nicht ehrlich gespielt würde ("Sehen Sie denn nicht, dass Sie mit Schurken spielen?"). Die Bemerkung wird verstanden und nur durch sofortige Flucht nach Sceaux kann sich Voltaire einer drohenden Verhaftung entziehen. Er hält sich dort einige Zeit bei der Duchesse de Maine versteckt. Die Diplomatie Mme. de Châtelets und die Intervention guter Freunde helfen, die Wogen zu glätten.

1748 Aufführung des Enfant prodigue bei Hof, Verstimmung des Königs über die Widmung des Stücks an M. de Pompadour; mäßiger Erfolg der Tragödie Sémiramis. Aus Sichheitsgründen reisen Voltaire und Mme. de Châtelet nach Lunéville. Ab 13. Mai: Voltaire wohnt mit Emilie wieder in der Rue Traversière St Honoré (siehe 1729) und arbeitet an der Komödie Nanine.

1749 Am 10.September stirbt Emilie in Lunéville an den Folgen einer Geburt, wahrscheinlich am Kindbettfieber. Voltaire verlässt Cirey und kehrt nach Paris zurück. Es beginnen die Aufführungen im Speichertheater in der Rue Traversière: Rome Sauvée, AlzireMahomet werden vor einem handverlesenen Publikum aufgeführt. Die Aufführungen haben dank Voltaires beeindruckenden schauspielerischen Auftritten großen Erfolg. Voltaire entdeckt den später berühmten Schauspieler LeKain, unterstützt ihn grosszügig. Zu Weihnachten zieht Mme. Denis zu ihm in die Rue Traversière.

1750 Voltaire verlässt Paris, folgt der Einladung Friedrich II. nach Berlin. Obwohl er vorher in Versailles eine Erlaubnis einholt, wird ihm der Hof die Bevorzugung Berlins nie vergessen. Erst 28 Jahre später, in seinem Todesjahr, erhält Voltaire die Erlaubnis, nach Paris zurückzukehren.

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1778

10. Februar am Abend des 10. Februar kommt der 84jährige Voltaire aus Ferney nach 6tägiger strapaziöser Reise in Paris, Rue de Beaune, im Hause des Marquis de Villette an. Es ist dasselbe Haus, in dem er vor langer Zeit, 1723, schon einmal gewohnt hatte. Ein riesiger Besucherstrom hebt an: Alles was Rang und Namen hat, will Voltaire sehen. Marie-Antoinette und Franklin erweisen ihm die Ehre Ihres Besuchs, jedoch nicht der König, der offizielle Hof duldet lediglich Voltaires Anwesenheit.

         

Von der Rue de Beaune aus das Hoftor des Gebäudes. Blick vom belebten Quai Voltaire auf das Haus, in dem Voltaire starb.

Voltaire leitet die Proben für die Tragödie Irène.

14. März Die Premiere von Irène in der Comédie Francaise findet unter Anwesenheit des gesamten Hofes statt. Voltaire kann die Aufführung nicht erleben, er ist krank und außerdem verärgert über die an seinem Text angebrachten Korrekturen. Jede Bewegung des wieder genesenen Voltaire in Paris wird wahrgenommen und von einer begeisterten Menge begleitet.

30. März Rede vor der Académie, am Abend ist Voltaire im Theatersaal der Comédie in den Tuilerien bei der Aufführung der Irène. Ovationen empfangen ihn. Voltaire wird mit einem Lorbeerkranz gekrönt, später stellt man eine Voltairebüste auf die Bühne.

6. April Voltaire besucht die Academie zu Fuß, hier zeigt sich die Liebe des gewöhnlichen Volkes zu Voltaire: die Leute haben nicht vergessen, wie er ihresgleichen gegen Verfolgung und Unrecht verteidigte.

7. April Voltaire wird in den Freimaurerorden der Loges des Neuf Soeurs, Rue Pot-de-Fer, aufgenommen.

11. Mai Voltaire zeigt sich zum letzten Mal in der Öffentlichkeit. Der sterbende Voltaire wird von seiner Nichte in ein Gartenhaus im Hof ausquartiert. Voltaire legt die Beichte ab, um zu verhindern, dass seine Leiche auf den Schindanger geworfen wird.

30. Mai Voltaire stirbt. Die Leiche wird aus Paris gebracht, um ihr ein ähnliches Schicksal wie das der Mlle Lecouvreur zu ersparen. In der Champagne, in der Abtei von Sellières, findet die Beerdigung statt, ein einfacher Sarg wird nahe dem Chor der Abteikirche beigesetzt.

11. Juli 1791 Exhumierung der Gebeine und feierliche Überführung nach Paris - ins Pantheon. (Die letzten Wochen im Leben Voltaires schildert ausführlich www.gkpn.de/voltaire.htm).

 

Im Pantheon (Métro Maubert/Mutualité) befindet sich heute die Grabstätte Voltaires

   

Die Grabinschrift lautet: "Aux Manes de Voltaires L`assemblée nationale a décreté le 30 May 1791 qu`il avoit mérité les honneurs du aux grands hommes" (Dem Andenken Voltaires. Die Nationalversammlung vom 30. Mai 1791 hat festgestellt: Er hat die Ehrenbezeugungen, die den Großen unter den Menschen vorbehalten sind, verdient.

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Photo PHGCOM — Travail personnel. Sous licence CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons. v

Was kann man in Paris von und über Voltaire entdecken? Einige Strassen tragen seinen Namen: der Boulevard Voltaire mit der Rue Voltaire und der Cité Voltaire (1), die Impasse Voltaire (2) und der Quai Voltaire (3),den man besuchen sollte, weil dort an der Ecke Rue de Beaune das Haus steht, in dem Voltaire 1778 gestorben ist. Außerdem kann sein seit 1791 im Panthéon aufgestellter Sarkophag besichtigt werden (5) und auch das Café Procope ist seit 1686 an seinem angestammten Platz geblieben (4), es liegt in der Rue de l'Ancienne Comédie, also genau gegenüber dem früheren Standort der Comédie, wo bis 1770 die meisten der Theaterstücke Voltaires aufgeführt wurden. Das Procope war der Treffpunkt der Philosophes. Weil sie sich nicht so ganz einfach erschliessen und weil man daran die Haltung der Stadt Paris zu Voltaire ganz gut ablesen kann, wollen wir an dieser Stelle die Geschichte(n) einiger Voltairestatuen in Paris nachzeichnen:

1. Die Statue des nackten Voltaire von Jean Baptiste Pigalle, heute im Louvre (6)

An den Anfang stellen wir eine Voltairestatue, die noch zu Voltaires Lebzeiten vom berühmten Bildhauer Jean Bapiste Pigalle (ja, nach ihm ist auch das Pariser Stadtviertel benannt) geschaffen, aber niemals in Paris aufgestellt wurde. 1770, im Salon der Familie Necker kam die Idee auf, eine Subskription für eine Voltairestatue zu veranstalten. ein Statue zu Lebzeiten! Das hatte es bisher nur für Könige, nie für einen Künstler gegeben.  Deshalb sollte auch auf dem Sockel der Statue stehen: "A Voltaire Vivant, par les gens des lettres ses contemporains". In den Correspondances von Grimm kann man den Bericht über dieses Treffen nachlesen. Das Geld, immerhin 12.000 Louis, kam zusammen, Friedrich II hat alleine 2000 Louis gespendet und Pigalle machte sich an die Arbeit. Dazu musste er natürlich zu Voltaire fahren, nach Ferney, denn Voltaire war in Paris unerwünscht. Vom 17. bis 25. Juni hat Pigalle in Ferney Maß genommen und zumindest Voltaires Gesicht zu einer Maske modelliert, die er anschließend für seine Statue verwenden konnte. Die Statue hat, als sie 6 Jahre später fertig war, sofort einen Skandal ausgelöst, denn Pigalle zeigte Voltaire nackt und Nacktheit war zwar den damaligen Zeitgenossen von den griechischen Statuen gut bekannt, aber nicht so eine Nacktheit! Daher hat die Statue das Atelier Pigalles nicht verlassen, wanderte nach Pigalles Tod an die Académie francaise, wo man sie in der Bibliothek versteckt hat. 1980 bekam sie dann der Louvre, wo sie heute zu besichtigen ist. Auch das Modell der Statue (rechtes Bild), vielleicht noch beeindruckender als das fertige Kunstwerk, - Pigalle hat es vor dem Beginn seiner Arbeit aus Ton modelliert - ist noch erhalten, im Museum der schönen Künste von Orléans!

2. Statue des sitzenden Voltaire von Jean-Antoine Houdon, heute in der Comédie francaise (7)

Am erstaunlichsten ist die Geschichte der Statue des sitzenden Voltaire auf dem Place Voltaire, einer Replik des Originals aus der Hand des berühmten Bildhauers Houdon. Houdon hat noch im letzten Lebensjahr Voltaires vom lebenden Modell  eine Büste modelliert, die er für die Statue verwenden konnte. Mehrere Vorstudien und kleine Tonmodelle waren nötig, bevor er sein Meisterwerk vollendete. Und Werbung gehörte auch dazu: ein Bronzemodell stellte er im Pariser Salon von 1779 aus (es ist heute im Besitz des Rijksmuseum, Amsterdam). Voltaires Nichte, Madame Denis, gab Houdon nach dem Ableben ihres Onkels 1779 den Auftrag, die Statue in Lebensgröße zu verwirklichen - sie sollte in der Académie francaise aufgestellt werden, eine Absicht, die Madame Denis später zugunsten der Comédie Francaise geändert hat, wo man sie heute noch besichtigen kann. Katherina die Große - auch ihr hatte Houdon eine kleine Statue als Modell zukommen lassen - gab ebenfalls ein Exemplar des sitzenden Voltaire in Marmor in Auftrag (es ist 1784 in St. Petersburg angekommen. Sie steht heute im Museum der Eremitage). Voltaire sitzend 1870 hat die Stadt, erstmals im öffentlichen Raum, direkt vor der Mairie des 11e Arrondissement (Métro Voltaire`), eine Replik des sitzenden Voltaire aufstellen lassen - also im Jahr der Commune, sie ersetzte eine Statue von Eugène Napoléon. Der Platz bekam daher auch den Namen Place Voltaire (statt Place Prince Eugène). 15 Jahre später, 1885,  wurde die Voltairestatue durch die  von Ledru Rollin ersetzt. Wer war aber Ledru Rollin? Er gilt als Vater des Allgemeinen Wahlrechts in Frankreich, so konnte man den antiklerikalen Voltaire geräuschlos beseitigen, indem man ihn durch einen fortschrittlichen Politiker ersetzte. Am 9. April 1957. nachdem er 87 Jahre den Namen Voltaires getragen hatte,  taufte man den Platz in Place Léon Blum um und 1991 hat man dann dem neuen Namen entsprechend, eine Statue von Léon Blum errichtet (die von Ledru Rollin war während der Besetzung 1942 eingeschmolzen worden). Nur die Metrostation trägt noch ihren früheren Namen: Voltaire, vielleicht, weil hier der große Boulevard Voltaire endet. Was aus der Voltairestatue geworden ist, haben wir bisher nicht feststellen können.

4. Voltairestatue von Joseph Michel Caillé/Léon Divier, Square Honoré Champion (8)

Im selben Jahr 1885, in dem das Denkmal des sitzenden Voltaire beseitigt wurde, ließ die Stadt eine Voltaire Statue von Joseph Michel Caillé, am Quais Malaquais vor der Académie Francaise (Institut francaise) aufstellen. Sie wurde 1941 eingeschmolzen, der Sockel 1955 zerstört. Eine neue Voltairestatue von Léon Drivier hat man 1962, jetzt aus Stein gehauen auf den Platz Honoré Champion hinter das Institut verbannt - allerdings ist diese Statue auch nicht besonders gelungen. Am 11.8.2020 hat man die Statue entfernt, um sie zu reinigen. Die einen sagen, weil sie von BLM Demonstranten beschädigt wurde, die Stadt versichert, man habe sie ohnedies reinigen wollen und werde sie alsbald wieder aufstellen. Bis heute (2021-8) konnte dieses Vorhaben allerdings noch nicht umgesetzt werden. (Bild: Voltaire Statue wird entfernt)
An die Stelle am Quais Malaquais, wo früher die Voltairestatue von Caillé stand, ist 1980 eine Statue der Republik gekommen.

5. Statue des aufrecht stehenden Voltaire von Houdon, im Phantéon (5)

Eine Statue des aufrecht stehenden Voltaire befindet sich seit 1791 im Panthéon, in der Krypta Voltaires, direkt vor dem Sarkophag. Der Ehrenzug, der Voltaires sterbliche Überreste von seiner Exhumierung in Scellières bis ins Panthéon in Paris begleitete, erreichte die letzte Ruhestätte am 11 Juli um 10 Uhr abends. Der Konvoi wurde von Beaumarchais empfangen, neben dem Eingangsportal war die Statue des aufrecht stehenden Voltaires von Houdon aufgestellt. Der Sarg bekam seinen Platz zwischen dem Philosophen Descartes und dem Tatmenschen Mirabeau.

Alle Voltairestatuen sind aus dem öffentlichen Raum verschwunden, Vielleicht liebt Paris seinen großen Sohn besonders in revolutionären Zeiten, so wie es ihn nach dem Attentat auf Charlie Hebdo im Januar 2015 wiederentdeckte, wo innerhalb einer Woche 120.000 Exemplare seines Traité sur la tolérance gekauft wurden. Was sich Voltaire-Freunde in aller Welt wünschen würden, ein Museum in seinem Sterbehaus Ecke Rue de Beaune/Quai Voltaire, hat sich bis heute nicht verwirklichen lassen. Somit bleibt es vorerst dabei, dass sich die bedeutendsten Voltaire-Orte außerhalb von Paris befinden: das große Voltaire Museum in Genf, die Bibliothek Voltaires in der Nationalbibliothek in St. Petersburg und die Voltaire Foundation, die sich um die Herausgabe der kritischen Werkausgabe Voltaires kümmert, hat ihren Sitz in London.