Lunéville

Lunéville

Ansicht Schloss Lunéville 2001

Lunéville in Lothringen liegt bei Nancy, heute 2 Autostunden von Cirey entfernt, damals, im 18. Jhdt. eine halbe Tagesreise mit der Kutsche. Hier hielt der 1736 endgültig abgedankte polnische König Stanislas Leszczynski* Hof, für Voltaire eine kleine Entschädigung für Versailles, Paris überhaupt, das ihm seine Gegner versperrt hielten. Zudem war Stanislas Vater der französischen Königin und Zeitzeuge der Kriege des schwedischen Königs Karls XII.in Polen, also eine erstklassige Informationsquelle. Stanislas hatte Karl XII., dessen Mann er im polnischen Thronfolgekrieg gewesen war, persönlich gekannt. Jetzt, nach dem französischen Einigungsvertrag mit Habsburg, war August III. (der Sachse) König von Polen und er in Lothringen Fürst von Frankreichs Gnaden. Sein Hof war eine Art Altenteil, das ihm seine Tochter, die fromme französische Königin Maria, auf Kosten der Krone eingerichtet hatte. Ein Refugium mit scheinbar unbegrenzten Geldmitteln, die es ihm erlaubten, eine Hofhaltung zu betreiben, eine Bautätigkeit zu entfalten, die sich mit Versailles messen konnte. Dieses Sandkasten-Fürstentum mit allem , was dazu gehörte: Schlösser, Untertanen, Feste, ging mit seinem Tod unter. In Lothringen ist Stanislas bis heute in guter Erinnerung, waren doch die Geldmittel und sein Prunk für das Land eine Zeit des relativen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwungs und bis heute sind seine Bauten rund um Nancy Anziehungspunkte für Touristen (Besonders sehenswert: Place Stanislas in Nancy). Das Reiterstandbild vor dem Schloss ehrt übrigens den Lothringer Général Lasalle, der sich unter Napoléon im Ägyptenfeldzug verdient gemacht hatte und 1809 in der Schlacht von Wagram fiel. 

* über Stanislas Leszczynski informiert recht gut die ihm gewidmete Wikipediaseite

Lunéville - im Reich Stanislas'

1735

  • 12.Mai: Voltaire reist mit der Gräfin von Richelieu in die jetzt von Elisabeth von Orléans regierte Grafschaft Lorraine. Am Hofe von Lunéville baut man die Experimente Newtons nach, Voltaire ist begeistert und genießt die freie und besonders die theaterfreundliche Atmosphäre, die er auch 13 Jahre später noch, zur Zeit von Stanislas, wiederfindet.
    Auszug aus seinem Bericht an seinen Freund M.de Formont vom 25.6.1735:

Eh bien! mon cher philosophe, il y a bien du temps que je ne me suis entretenu avec vous. J’ai été à la cour de Lorraine, mais vous vous doutez bien que je n’y ai point fait le courtisan. Il y a là un établissement admirable pour les sciences, peu connu et encore moins cultivé. C’est une grande salle toute meublée des expériences nouvelles de physique, et particulièrement de tout ce qui confirme le système newtonien. Il y a pour environ dix mille écus de machines de toute espèce. Un simple serrurierdevenu philosophe, et envoyé en Angleterre par le feu duc Léopold, a fait, de sa main, la plupart de ces machines, et les démontre avec beaucoup de netteté. Il n’y a en France rien de pareil à cet établissement, et tout ce qu’il a de commun avec tout ce qui se fait en France, c’est la négligence avec laquelle il est regardé par la petite cour de Lorraine.

Übersetzung:
Ja nun, mein lieber Philosoph, es ist eine ganze Weile her, seit ich mich mit Ihnen unterhalten habe. Ich bin am Hofe von Lothringen gewesen, aber Sie vermuten richtig, wenn Sie meinen, daß ich nicht dort war, um den Höfling abzugeben. Dort gibt es ein bewundernswertes Wissenschaftskabinett, wenig bekannt und noch weniger gepfleg. Es handelt sich um einen großen Saal voll mit Einrichtungen die man braucht, um die neuen Experimente Newtons durchzuführen und zu überprüfen. Hier stehen für ungefähr zentausend Ecus Geräte aller Art. Ein einfacher Schlosser, der zum Philosoph wurde, war vom verstorbenen Herzog Leopold nach England geschickt worden, er hat mit eigener Hand die meisten dieser Geräte hergestellt und bedient sie mit viel Geschick. In ganz Frankreich gibt es zu dieser Einrchtung nichts Vergleichbares und das einzig Gemeinsame mit dem, was sich in Frankreich tut, ist die Geringschätzung, mit der der kleine lothringische Hof das alles betrachtet.

  • Ende Juni Voltaire reist nach Cirey, um dort mit Madame du Châtelet zusammenzutreffen.

1748

  • Januar: Ankunft Voltaires mit Madame du Châtelet in Lunéville, das jetzt von Stanislas 'regiert' und prachtvoll ausgebaut wird. An seinem Hof schließen sie enge Freundschaft mit Madame de Boufflers, Stanislas Lebensgefährtin, die auch 'Madame volupté' (etwa: Frau Wollust) genannt wird. Voltaires Stücke Zaire und Mérope und die neu verfasste Komödie La femme qui a raison  werden aufgeführt. Voltaire und Emilie führen ein ziemlich unstetes Leben, sie sind abwechselnd in Paris, Plombières, Lunéville. Auch der lothringische Hof wechselt seinen Standort häufig zwischen Commercy, La Malgrange, Nancy und Lunéville. Ein Fest gibt das andere. Im Dezember reisen Voltaire und Emilie von Lunéville aus nach Cirey, denn Emilie ist schwanger - von ihrem Liebhaber Saint Lambert.

1749

  • Juni: Rückkehr von Voltaire und Madame du Châtelet. Emilie du Chatelet schreibt an ihrem Buch Principes de la philosophie naturelle de Newton.
    Von Voltaire stammen aus dieser Zeit die Stücke Catalina und Electra
  • September Am 10.9. stirbt Emilie du Châtelet, am sechsten Tag nach der Geburt ihrer Tochter Stanislas Adélaide am Kindbettfieber. Sie wird in der Kirche Saint Rémy (heute:Saint Jacques) beigesetzt. Zwei Tage später reist Voltaire in Begleitung von Emilies Ehemann ab nach Cirey.

Lunéville heute (2014)

 

2001: Schloß Lunéville ist ein Schloß im Niedergang, überall macht sich das Fehlen von finanziellen Mitteln bemerkbar, die aber dringend zur Renovierung benötigt würden, damit das einst so prächtige Schloß ein Anziehungspunkt für Touristen sein könnte. Ähnlich spärlich sind auch die Äußerungen zu Voltaire und Emilie du Châtelet beschaffen: sporadisch, amateurhaft, liebevoll von einem Liebhaber der Aufklärung selbst mit Schreibmaschine geschrieben und fotokopiert. Der offizielle Prospekt verliert kein Wort über die beiden, nicht einmal der Gründer Stanislas wird angemessen porträtiert.

2010: Das Schloß - es ist wie ein Schlußpunkt unter die Geschichte seines Niedergangs, wird von einer verheerenden Feuersbrunst vernichtet, insbesondere der Südflügel mit den Sammlungen historischen Porzellans und einer kleinen Gemäldegalerie ist unwiderruflich verloren. Eine ziemlich breite Unterstützerkampagne zum Wiederaufbau des Schloßes setzt ein.