Voltaire-Übersetzer: Christlob Mylius

Christlob Mylius, (* 11.11.1722 in Reichenbach an der Pulsniz – † 6.3.1754 in London). Sein Vater war der Pfarrer Caspar Mylius, seine Mutter dessen zweite Ehefrau Marie Elisabeth geb. Ehrenhaus. Er hatte vier ältere Brüder, die alle den Christus im Namen tragen: Christlieb, Christfried, Christhelf und Christhilf.

Von ihm stammt die bisher einzige Übersetzung von Voltaires Streitschrift, der Diatribe du Docteur Akakia, 1752/3.

Nach seinem Studium in Leipzig entwickelte er sich, vielseitig interessiert und begabt, zu einem der ersten Wissenschaftsjournalisten Deutschlands. Er gab mehrere Periodika heraus, unter anderem die Zeitschrift „Der Wahrsager“, die 1749 von der preußischen Zensur nach der 20. Ausgabe (im Mai) verboten wurde (so viel zu Friedrichs Haltung zur Pressefreiheit, die er Mai 1749 dann auch entschieden einschränkte). Dazu heißt es bei Ernst Cosentius, dem bis heute besten Bericht zu Mylius Leben:

Gewissermaßen als Feuilleton zur Zeitung gab M. seit dem 2. Januar 1749 unter dem Titel: „Der Wahrsager“ wiederum eine satirisch-moralische Wochenschrift heraus, die lediglich als eine Erwerbsquelle von M. zu nennen wäre, hätten sich die Schullehrer Berlins nicht über das 7. Stück des „Wahrsagers“, in dem sie sich gezeichnet glaubten, beschwert. Dies Stück darf man eine ironische Empfehlung der La Mettrie’schen Philosophie nennen. Es gab, wie das 9. Stück, das ein satirisches Lob der Hahnreihe brachte, den Ministern Friedrich’s des Großen Anlaß, beim Könige ein neues Censur-Edict zu beantragen und den Verfasser und Verleger des „Wahrsagers“ zu verwarnen. Daß die Leser satirischer Blätter stets nach lebenden Modellen suchten, war ein alter Uebelstand. Nach Mylius’ Ankündigung zum „Wahrsager“ hatten sie vielleicht auch ein Recht dazu. Jetzt, wo M. gewarnt war, lenkte er sein Blatt in die ruhige Bahn einer wohlgesitteten Wochenschrift und wurde nicht müde zu versichern, daß er Niemanden im Bösen meine; aber Friedrich der Große verbot trotzdem den „Wahrsager“ und erließ am 11. Mai 1749 das von den Ministern vorgeschlagene Censur-Edict. Das letzte (20.) Stück des „Wahrsager“ datirt vom 15. Mai 1749.

Sein akademischer Lehrer Abraham Kästner lobt ihn als „beobachtenden Geist, der den so mannigfachen Reichtum der Erde durchforschte“ .(S. 7)

Mylius förderte den jüngeren G.E. Lessing und ließ ihn bei sich in Berlin wohnen. Lessing berichtet, man habe Mylius wegen seinen religionskritischen Schriften immer „den Freygeist“ (nach dem Titel einer von ihm publizierten Zeitschrift) genannt. Obwohl er – darin Voltaire ähnlich – einem teleologischen Deismus huldigte, war Mylius ein entschiedener Gegner des Christentums.

In der Zeit von Voltaires Aufenthalt in Berlin gehörte Christlob Mylius zu dessen Unterstützerkreis (Voltaire bat ihn in einem erhaltenen Brief um seine Unterstützung). Nach der Verbrennung des Akakia auf dem Neumarkt am 24.12.1752 verbreitete Mylius einige kritische Spottverse (etwa: Dem kleinsten Teil der Stadt/war Moreaus Schimpf bekannt/ Nun liest ihn alle Welt/seitdem man ihn verbrannt) und übersetzte Voltaires gegen Moreau de Maupertuis, den Präsidenten der preußischen Akademie der Wissenschaften, gerichtete satirische Kampfschrift Diatribe du Docteur Akakia, Médcin du Pape ins Deutsche („Diatribe des Doctor Akakia, Päbstlichen LeibarztesDigitalisat aus der Anna Amalia Bibliothek – mit Brandspuren). Seine Übersetzung erschien 1753, womit er sich das Missfallen Friedrichs II. zugezogen und sich in Gefahr gebracht hatte, verhaftet zu werden (Voltaire befürchtete in seinem Brief an Gottsched vom 19.4.1753, dass Mylius inhaftiert worden sei). Mylius reiste aus Berlin, zeitgleich mit Voltaire, ab und trat eine schon länger geplante naturwissenschaftliche Expedition an, die er jedoch hinauszögerte, um seinen Bekannten- und Unterstützerkreis (etwa Professor König in den Haag, wo er auch seine Post nachsenden ließ) zu festigen und zu mobilisieren.
Mangels geeigneter Schiffspassagen (Ähnliches berichteten Humboldt und Bonpland von ihrem schwierigen Start nach Südamerika auch), musste er seine Abfahrt nach Nordamerika und Surinam verschieben, erkrankte und starb am 6.3.1754 im Alter von nur 31 Jahren an einer Lungenentzündung in London.

Lebenslauf

  • 11.11.1722 wird Christlob Mylius in Reichenbach (Oberlausiz) als fünfter Sohn des Pastors Caspar Mylius und seiner Frau Maria Elisabeth, geb. Ehrenhaus, geboren.
  • 1739-42 Lateinschule in Kamenz.
  • 1742 Studium der Medizin, Philosophie, Naturwissenschaften in Leipzig. Zu seinen Lehrern gehörten Abraham Kästner und Johann Christoph Gottsched, in dessen „Vertraute Rednergesellschaft“ er aufgenommen wurde.
  • 1743 wegen eines satirischen Gedichts zur Unterstützung seines verehrten Lehrers Johann Gottfried Heinitz in Kamenz inhaftiert und zu einer Geldstrafe verurteilt.
  • Ab 1747 Herausgeber mehrerer, der Aufklärung verbundener Zeitschriften (siehe dazu ausführlich: Mahlmann-Bauer, Barbara, Christlob Mylius, der Wissenschaftsjournalist, in: Aufklärung, Interd. Jahrbuch 2019, S. 259 – 299.
  • 1751 übersetzt er Maupertuis, Moreau de, Cosmologie, (Versuch einer Kosmologie, von dem Herrn von Maupertuis, Berlin: Nicolai, 1751, 107 S.)
  • 1752 Mylius übersetzt Clairaut, Alexis, Claude, Elémens d’algèbre, 1746 (Des Herrn Clairaut … Anfangsgruende der Algebra, Berlin: Nicolai, 1752, 354 S., mit einem Vorwort d. Übersetzers) .
  • Ob der am 2. Mai 1753 in Berlin geborene Wilhelm Christhelf Sigmund Mylius, der später Candide übersetzen und die gesammelten Werke Voltaires in deutscher Sprache herausgeben wird, der Sohn von Chrislob Mylius ist, ist mehr als fraglich. Das genealogische Werk von Johann Carl Mylius, Geschichte der Familien Mylius sagt jedenfalls, er sei der einzige Sohn von Christhelf gewesen.
  • Im August 1753 Mylius Abreise/Flucht aus Berlin, begibt sich im Auftrag der Göttinger Akademie der Wissenschaften (Albrecht v. Haller) auf eine Expeditionsreise nach Nordamerika und Surinam.
  • 1753 (bis November) übersetzt Mylius die „Analysis of Beauty“ Hogarths („Zergliederung der Schönheit, die schwankenden Begriffe von dem Geschmack festzusetzen“, Berlin: Voß, 1754, mit einem Vorwort des Übersetzers: „Meine Durchreise durch London hat sich, ohne meine Schuld und zu meinem Verdruß, in einen ziemlich langen Aufenthalt in dieser Stadt verwandelt“….).
  • Chrstlob Mylius stirbt am 6.3.1754 in London an einer Lungenentzündung.

Quellen

  • Aufklärung, Interd. Jahrbuch , hrsg. v. M. Muslow, G.Stiening, F. Vollhardt, Bd. 31, München: Meiner, 2019, 358 S.
    [Das Jahrbuch enthält interessante Aufsätze zur Neubewertung der Leistung und Bedeutung Mylius‘ für die deutsche Aufklärung und etliche spezielle Aufsätze zur Interpretation seiner Theaterstücke]
  • Cosentius, Ernst, Artikel Christlob Mylius in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd 52, 1906
  • Deutsche Biographie, Artikel Mylius, Christlob (www.deutsche-biographie.de)
  • Ghanbari, Nacim/Multhammer,Michael, Christlob Mylius, Ein kurzes Leben an den Schaltstellen der deutschen Aufklärung, in: Aufklärung. Interd. Jahrbuch 2019, S. 11 -19
  • Goldenbaum, Ursula und Alexander Kosenina, Berliner Aufklärung, Kulturwissenschaftliche Studien Bd. 1, Hannover: Wehrhahn, 1999, [Der Artikel von U. Goldenbaum, Im Schatten der Tafelrunde, zeigt, dass die Kooperation zwischen den deutschen Aufklärern und ihren französischen Vorbildern sehr viel enger war als bisher angenommen. Detailanalysen zeigen die bedeutende Rolle von Mylius während der König/Maupertuis Kontroverse. Ihre – wohl in der Gefolgschaft zu Mylius – abschätzige Behandlung La Mettries wirft einen Schatten auf den ansonsten erhellenden Artikel]
  • Hildebrandt, Dieter, Der Wahrsager, Artikel im Tagesspiegel vom 7.3.2004, also zum 250. Todestag von C. Mylius [sehr unangenehm reißerisch und leider auch mißgünstig geschrieben]
  • ders., Christlob Mylius, Preußische Köpfe, Berlin: Stapp, 1981, 162 S.
  • Kästner, Abraham Gotthelf: Dem Andenken seines Freundes Christlob Mylius, Leipzig:Pouillard, 1754, 20 S., Digitalisat: MDZ, Digitale Bibliothek [Kästner erzählt ausführlich die Umstände der erfolglosen Forschungsreise, wohl, um Mylius‘ Ruf zu verteidigen]
  • Johann Carl Mylius, Geschichte der Familien Mylius, Buttstädt, Selbstverlag, 1895, 352 S., Digitalisat: UB Heinrich Heine Universität Düsseldorf,
  • Scholz, Rüdiger, Späte Gerechtigkeit, Korrekturen am Bild von Christlob Mylius – in Band 31 des Jahrbuchs „Aufklärung“, in: www.literaturkritik.de (12/2020)
    [kompetente und Mylius wohlgewogene Besprechung des o.g. Jahrbuchs]