Offener Brief (25.11.2020) an Mark Zuckerberg wegen der Sperre unserer Facebook Seite ‚Voltaire Stiftung‘.

Nach der Sperre im Oktober 2020 haben wir, da sich die Rechtsprechung geändert hatte, im August 2021 einen Rechtsanwalt eingeschaltet. Nach etlichen Anschreiben, kurz bevor die Sache vor ein Gericht gegangen wäre, lenkte Facebook im November ein und gab unsere Seite wieder frei. Im Übrigen ohne jeden Kommentar! Überflüssig zu sagen, dass unser unten abgedruckter Brief von Facebook niemals beantwortet wurde. Und schließlich, genau ein Jahr später, war unsere Seite wieder gesperrt! Einen weiteren Versuch, juristisch und mit viel Geld wenigstens eine Begründung zu erzwingen, haben wir nicht mehr unternommen.

Voltaire ist nicht Facebook, Facebook ist nicht Voltaire, Facebook ist nicht Charlie, Facebook ist nicht Freiheit….soviel zu diesem Thema!

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„Gegen Fanatismus hilft nur die Aufklärung“ Zur erstmals vollständigen Übersetzung des Philosophischen Taschenwörterbuchs, Nachdenkseiten, 1.11.2021

Der Herausgeber des Philosophischen Taschenwörterbuchs Voltaires und Gründer der Voltaire-Stiftung, Rainer Bauer, hat ein Interview zur Frage, inwieweit Voltaires Positionen heute noch von Bedeutung sind, gegeben. Es ist auf großes Interesse gestoßen. Das Interview führte Rüdiger Göbel.

16.10.2020: Islamist enthauptet Lehrer Samuel Paty in Conflans-Sainte-Honorine bei Paris

Während die Zeugen zum Charlie Hebdo Attentat vernommen werden, unter Ihnen die Angehörigen der 12 Ermordeten von 2015, ermächtigt sich am 16.10.2020 ein 18 jähriger Islamist (das ist ein Mensch, der den Koran über die bürgerliche Gesetze stellt), mit einem Fleischermesser sein eigenes Blutgericht aufzuführen. Er erstach den Lehrer für Geschichte und Geographie Samuel Paty auf offener Straße. Anschließend trennte er den Kopf vom Rumpf des ermordeten Lehrers. Paty hatte im Unterricht mit seinen Schülern Mohamedkarrikaturen aus Charlie Hebdo gezeigt, um sie in der Klasse zur Diskussion zu stellen.

Voltaire (Artikel Fanatismus in seinem Philosophischen Taschenwörterbuch): „Es sind gewöhnlich Schurken, die die Fanatiker anführen und ihnen den Dolch in die Hand geben“.

Der Täter Abdoullakh A., ein in Frankreich anerkannter Asylant aus Tscheteschenien, spricht nicht Französisch und sehr schlecht Englisch.

Voltaire: Philosophisches Taschenwörterbuch, nach der Erstausgabe von 1764 erstmals vollständig ins Deutsche übersetzt von Angelika Oppenheimer […], Ditzingen: Reclam 2020, 444 Seiten.

Voltaire Philosophisches Taschenwörterbuch

Erstmals ist in deutscher Sprache das vollständige Philosophische Taschenwörterbuch Voltaires, eines der bedeutendsten Werke der Aufklärung, herausgegeben von unserer Voltaire-Stiftung, bei Reclam erschienen!

Als Voltaire 1764 sein Philosophisches Taschenwörterbuch anonym veröffentlichte, kam dieses Ereignis in der damals stark klerikal dominierten Welt einem Erdbeben gleich. Niemand hatte es bisher gewagt, die Kirche derart frontal auf allen wesentlichen Gebieten anzugreifen. Die Infame reagierte prompt, das Buch wurde ein Jahr später öffentlich in Paris verbrannt. Wer es besaß, lebte gefährlich, der Chevalier de La Barre zum Beispiel wurde nicht zuletzt deshalb 1769 in Abbéville auf dem Scheiterhaufen verbrannt; mit ihm verbrannte das Philosophische Wörterbuch, das die Schergen der Inquisition in seiner Bibliothek entdeckt hatten.

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Voltaires Antwortbrief an den Juden Isaac de Pinto vom 21.7.1762

Hintergrund:
Isaac de Pinto, 1717 in einer der wohlhabendsten jüdischen Familien Amsterdams geboren, war philosophisch gebildet und hatte von sich aus persönlichen Kontakt zu den Aufklärern in Paris (La Condamine, Diderot) aufgenommen. In einem Brief und in einem Artikel ‚Réflexions critiques..“ beschäftigt er sich mit dem Essay ‚Des Juifs‘, in dem Voltaire die Juden als Vorläufer des Christentums negativ darstellt. Pinto fordert Voltaire auf, mehr zu differenzieren und sich nicht darauf zu beschränken, gegen die Scheiterhaufen und Judenpogrome zu schreiben. Man könne auch mit der Feder töten. Das sei um so fataler, als das geschriebene Wort Generationen später noch fortwirke. Siehe auch unsere Seite zum Thema ‚Voltaire, Juden, Antisemitismus‘. Eine Gegenposition dazu nimmt ein: Sutcliffe, A., Can a Jew be a philosophe? Isaac de Pinto, Voltaire and Jewish Participation in the Eurpean Enligthenment. Jewish Social Studies, vol 6, no.3, 2000 S. 31-51.

Monsieur,
die Zeilen, über die Sie sich beschweren, sind grob und ungerecht. Es gibt unter Euch [den Juden, R.N] sehr gebildete und sehr respektable Menschen, Ihr Brief zeigt mir das hinreichend genug. Ich werde dafür sorgen, dass in der neuen Ausgabe eine Korrektur vorgenommen wird. Wenn man falsch liegt, muss man es reparieren; und ich habe mich geirrt, indem ich die Fehler mehrerer Individuen einer ganzen Nation zugeschrieben habe.
Ich werde Ihnen mit der gleichen Offenheit sagen, dass viele Menschen weder Ihre Gesetze noch Ihre Bücher noch Ihren Aberglauben leiden können. Sie sagen, dass Ihre Nation zu allen Zeiten ebenso sich selbst wie auch der Menschheit insgesamt Leid zugefügt hat. Wenn Sie aufgeklärt sind, wie Sie es zu sein scheinen, werden Sie wie diese Leute denken, es aber nicht aussprechen. Der Aberglaube ist die abscheulichste Geißel der Welt; er ist es, der zu allen Zeiten viele Juden und viele Christen erdrosselt hat; er ist es, der Euch selbst bei ansonsten hochgeschätzen Völkern noch immer auf den Scheiterhaufen befördert. Es gibt Blickwinkel, unter denen betrachtet die menschliche Natur eine teuflische Natur ist.
Man würden vor Entsetzen verdorren, wenn wir sie immer von diesen Seiten betrachten würden; aber die ehrenwerten Leute, die an dem Platz La Grève vorbeikommen, wo man gerade jemanden rädert, befehlen ihrem Kutscher, schneller zu fahren, und werden sich in der Oper von dem schrecklichen Schauspiel ablenken, das sie auf ihrem Weg gesehen haben.

Ich könnte mit Ihnen über die Wissenschaften streiten, die Sie den alten Juden zuschreiben, und Ihnen zeigen, dass sie in der Zeit von Chilperich nicht mehr als die Franzosen wussten; ich könnte Ihre Zustimmung dazu erlangen, dass der Jargon einer kleinen Provinz, gemischt mit Chaldäisch, Phönizisch und Arabisch, eine Sprache war, die so dürftig und rau war wie unser altes Gallisch; aber ich würde Sie vielleicht ärgern, und Sie scheinen mir ein zu höflicher Mann zu sein, als dass ich Ihren Missfallen eregen möchte. Bleiben Sie Jude, so wie es sind; Sie sollten nicht zweiundvierzigtausend Männer töten, weil sie Shiboleth nicht richtig ausgesprochen haben, noch vierundzwanzigtausend, weil sie mit Midianitern geschlafen haben; aber seien Sie ein Aufklärer, das ist alles, was ich Ihnen in diesem kurzen Leben Gutes wünschen kann.

Ich habe die Ehre, mit all den Gefühlen, die Ihnen zustehen, Ihr sehr ergebener usw. zu sein,
Voltaire, Christ und gewöhnlicher Kammerherr
der sehr christlichen Königskammer

Norbert Campagna, Rüdiger Voigt (Hrsg): Das Jahrhundert Voltaires. Vordenker der Europäischen Aufklärung, Baden-Baden: Nomos, 2020

In der Reihe ‚Staatsverständnisse’ herausgegeben im Nomos Verlag und mit den Artikeln zahlreicher Würdenträger (Professoren) bestückt, richtet sich das Buch möglicherweise vor allem an deren Studenten, denen man hier die „richtige“ Haltung für ihren zukünftigen Lebensweg weisen will. Soweit so klar. Den Anspruch, „in Zeiten, in denen das Vertrauen in die Vernunft zu schwinden scheint, … den Gedanken des großen Aufklärers nachzuspüren“ erfüllt dieser Band in keiner Weise, eher im Gegenteil: Bis auf wenige Ausnahmen scheint es eher darum zu gehen, den großen Aufklärer in Bausch und Bogen zu verdammen.

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Deutsche Erstveröffentlichung des Philosophischen Wörterbuchs: Reaktionen

Das Philosophische Taschenwörterbuch ist im September 2020 zum ersten Mal vollständig in deutscher Sprache bei Reclam erschienen. Nachfolgend d0kumentieren wir in chronologischer Reihenfolge, wie das Buch in den Medien angekommen ist:

  • Horst Delkus empfiehlt das Philosophische Taschenwörterbuch („Ein Klassiker der Aufklärung“) im Deutschen Freimaurermagazin „humanität“, Heft 3/ 2021 zur Lektüre. Das Buch sei, entstanden aus der Tradition der Freimaurer in der Zeit der Aufklärung, auch nach 250 Jahren noch eine Inspiration für jeden Freimaurer. Herr Delkus hat uns freundlicherweise seine Rezension als pdf zur Verfügung gestellt: Ein Klassiker der Aufklärung (pdf)
  • Christoph Fleischmann von SWR2 lobt, dass das Philosophische Wörterbuch erstmals vollständig auf Deutsch erscheint. Er hätte sich mehr und treffsichere Kommentare gewünscht und kritisiert, dass wir für Voltaire voreingenommen sind. SWR2 Sendung Lesenswert Kritik, 25.1.2021, 15.55 Uhr.
  • Die zu unserer großen Freude begeisterte und sehr ausführliche Rezension des bekannten Literaturkritikers Gustav Seibt erschien am 22.1.2021 in der Süddeutschen Zeitung.
  • „Empfehlenswerte sehr gute Übersetzung“ findet eine Leserin bei bücher.de
  • „Beobachtung der ungetauften Natur“ lautet der Untertitel zur Besprechung in der Online Ausgabe des Luxemburgischen Zeitung ‚Tageblatt“ vom 13.12.2020. Leider ist der Artikel nur kostenpflichtig lesbar.
  • Ein Klassiker, der in der Neuübersetzung „keinen Tag gealtert ist“, titelt buchmarkt.de am 20.11.2020, allerdings ohne eine eigene Besprechung zu liefern, es ist nur eine Notiz mit  Bezug auf die FAZ-Notiz.
  • www.perlentaucher.de berichtet über die Notiz in der FAZ (19.11.2020) und merkt an: „Zur Anlage des Bandes (Rainer Bauer) und zur Übersetzung (Angelika Oppenheimer) äußert sich der Rezensent leider nicht“.
  • „Zum ersten Mal vollständig auf Deutsch“, eine Notiz im Rahmen einer anderen Buchbesprechung im Feuilleton der FAZ von Friedrich Vollhardt (19.11.2020).
  • „Erstmals auf Deutsch“, der Kommentar bei Amazon ist eine ausführliche und sehr positive Besprechung von Dr. W. Fuchs zu dem Buch und seinem Inhalt. Er hebt positiv hervor, dass man kein Philosoph sein muss, um das Buch zu verstehen (19.11.2020).
  • „Klugheit, Skepsis und Ironie im Dienst von bitterer Kritik“ Eine sehr positive Kritik mit ausführlicher Würdigung des Philosophischen Wörterbuchs, der Übersetzung und der Anlage des Buchs von Martin Lowsky auf www.literaturkritik.de (10.11.2020). .
  • „Gegen Fanatismus hilft nur die Aufklärung“ Interview zur Aktualität Voltaires und des Philosophischen Wörterbuchs von Rüdiger Göbel mit dem Herausgeber Rainer Bauer auf www.nachdenkseiten.de (1.11.2020).

„Émilie du Châtelet (1706–1749): Eine ungewöhnlich emanzipierte Frau“, Spektrum der Wissenschaft, 1.12.2020 (von Heinz Klaus Strick)

In der Kolumne ‚Der mathematische Monatskalender‘ stellt der Autor die außergewöhnlich begabte Émilie du Châtelet, die Lebensgefährtin Voltaires, vor. Es ist ein der Aufklärung freundlich gesinnter Artikel, der völlig ohne Seitenhiebe auskommt. Nur der Einschätzung im ersten Satz des Artikels: „Für das Zeitalter, in dem sie lebte, war sie eine ungewöhnlich emanzipierte Frau…“, kann man sich nicht anschließen: sie ist es in ihrem Jahrhundert gewesen, aber sie ist es auch für alle weiteren Jahrhunderte: ein Vorbild für alle, die sich der weiblichen Rollenzuschreibung entziehen möchten.

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