Amitié – Freundschaft

Freundschaft ist ein stillschweigend eingegangener Vertrag  zwischen für einander empfänglichen und aufrichtigen Personen. Ich sage empfänglich, weil ein Mönch, ein Einzelgänger, ohne je bösartig zu sein, doch lebt, ohne die Freundschaft zu kennen. Ich sage aufrichtig, weil die Bösartigen nur Komplizen haben, die Wollüstigen haben Begleiter der Ausschweifungen, Gewinnsüchtige Teilhaber, Politiker versammeln Parteigänger, der gewöhnliche Müßiggänger hat Beziehungen, Prinzen haben Höflinge, aufrichtige Menschen allein haben Freunde.

Cethegus war der Komplize Catilinas1 und Maecenas Höfling von Octavius2, aber Cicero war der Freund von Atticus3.

Wozu führt dieser Vertrag zwischen zwei zartfühlenden und ehrlichen Seelen? Die Verpflichtungen sind je nach dem Grad ihrer gegenseitigen Empfänglichkeit und der Anzahl der erwiesenen Dienste stärker oder schwächer.Die Begeisterung für die Freundschaft war bei den Griechen und den Arabern stärker als bei uns. Die Erzählungen über die Freundschaft, die sich diese Völker ausgedacht haben, sind bewundernswert, wir haben nichts Vergleichbares, wir sind bei allem ein wenig trockener.Die Freundschaft war Bestandteil der Religion und der Gesetze bei den Griechen. Die Thebaner kannten ein Regiment aus Freunden: ein schönes Regiment – einige haben es für ein Regiment von Sodomiten gehalten – sie täuschen sich und haben die Nebensache für die Hauptsache ausgeben.Bei den Griechen war die Freundschaft im Gesetz und in der Religion vorgeschrieben. Die Päderastie wurde unglücklicherweise von ihren Sitten toleriert, man sollte aber einem Gesetz die schändlichen Missbräuche nicht anlasten. Wir werden später darüber sprechen.


Catalina, L.Sergius 108 -62 v.u.Z., römischer Patrizier, strebte 63 die Alleinherrschaft  durch einen Umsturzversuch an, den Cicero vereitelte. Cethegus Cornelius wurde wegen des von ihm geplanten Attentats gegen Cicero am 5. Dezember 63 v.u.Z. hingerichtet, während Catalina durch Flucht entkam.

Octavius, ursprünglicher Name des späteren Kaisers Augustus, lebte von 63 – 19.8.14 v.u.Z., sein Sterbemonat heißt noch heute nach ihm August.
Maecenas starb im Jahre 8 v.u.Z, betätigte sich als ‚rechte Hand‘ Augustus und als Kunstförderer. 

Cicero, römischer Konsul zur Zeit der Verschwörung Catalinas, großer Schriftsteller und Redner, lebte von 106 bis 43 v.u.Z. Während einer Bildungsreise nach Griechenland 79-77 befreundete er sich in Athen mit Atticus, der später seine Schriften herausgab. Am 7. Dezember 43 v.u.Z. wurde Cicero auf Befehl des Antonius ermordet, den er mit seinen 14 ‚Phillipikanischen Reden‘ scharf angegriffen hatte.

Amour-Propre – Eigenliebe

Ein Bettler aus der Umgebung von Madrid bat mit edler Geste um ein Almosen, ein Passant sagte zu ihm: „schämen sie sich denn nicht, diesen unwürdigen Beruf auszuüben, wo sie doch arbeiten können?“ – „Mein Herr, antwortete der Bettler, ich bitte sie um Geld, nicht um ihre Ratschläge“; dann drehte er ihm, seinem kastilischen Stolz entsprechend, den Rücken zu. Das war schon ein stolzer Bettler, dieser Herr, ein Weniges genügte, um seine Eitelkeit zu verletzten. Aus Eigenliebe bat er um Almosen und duldete nicht, von einem anderen aus Eigenliebe gerügt zu werden.
Ein Missionar reiste durch Indien und traf einen Fakir, beladen mit Ketten, nackt wie ein Affe, der auf seinem Bauch lag und sich für die Sünden seiner indischen Mitbürger auspeitschen ließ, die ihm dafür einige Heller in Landeswährung gaben. „Welche Selbstverleugnung!“, sprach einer der Zuschauer – „Selbstverleugnung!“, erwiderte der Fakir, „hören Sie, ich lasse mir in dieser Welt nur den Hintern versohlen, um es Ihnen in einer anderen zurückzugeben, wenn Sie dann das Pferd sind und ich der Reiter.“
Diejenigen, die gesagt haben, dass die Eigenliebe die Basis aller unserer Empfindungen und Handlungen sei, haben folglich recht in Indien, in Spanien und auf der ganzen bewohnbaren Erde: Und weil man nicht schreibt, um den Menschen zu beweisen, dass sie ein Gesicht haben, braucht man ihnen auch nicht zu beweisen, dass sie Eigenliebe besitzen. Diese Eigenliebe ist das Instrument zu unserer Selbsterhaltung und dem Instrument zu unserer Fortpflanzung ähnlich: sie ist uns unentbehrlich, sie ist uns teuer, sie bereitet uns Vergnügen und – man muss sie verstecken.

Ange – Engel

Engel, griechisch: der Gesandte; man ist kaum klüger, wenn man weiß, dass die Perser ihre Peris hatten, die Hebräer Malakim, die Griechen ihre Daimonoi. Aber was uns vielleicht klüger macht, ist, dass es immer schon eine der ersten Ideen des Menschen gewesen ist, zwischen die Götter und sich selbst Vermittler einzusetzen: das sind jene Dämonen, jene Genien, welche die Antike erfand: der Mensch schuf die Götter immer nach seinem Bilde. Man sah, dass die Fürsten ihre Befehle durch Boten zustellen ließen, also schickten Götter ebenfalls Kuriere: Merkur, Iris waren Kuriere, waren Boten.  
Die Hebräer, dieses einzige von Gott selbst geführte Volk, gaben den Engeln, die Gott ihnen schließlich zu schicken geruhte, keine Namen, sie bedienten sich der Namen, die die Chaldäer ihnen gaben, als die jüdische Nation in babylonischer Gefangenschaft war. Michael und Gabriel sind zuerst von Daniel, einem Sklaven dieses Volkes, genannt worden. Der Jude Tobit, der zu Ninive wohnte, wusste vom Engel Rafael, der mit seinem Sohn unterwegs war, um zu helfen, das Geld, das ihm der Jude Gabaël schuldete, einzutreiben. In den jüdischen Gesetzen, das heißt im Levitikus und im Deuteronomium, wird, vor allem bezüglich ihres Gottesdienstes, nicht die geringste Bemerkung über die Existenz von Engeln gemacht, auch die Sadduzäer glaubten nicht an Engel.1
Aber in den Geschichten der Juden ist viel von ihnen die Rede. Diese Engel seien körperlich, hätten Flügel am Rücken, so wie die Heiden vorgaben, dass Merkur welche an den Fersen hatte, mitunter verbargen sie ihre Flügel unter ihren Gewändern. Wie sollten sie auch keine Körper haben, wo sie doch aßen und tranken und die Einwohner Sodoms sündhafte Päderasterie mit den Engeln, die zu Loth kamen, treiben wollten. Nach Ben Maimonides kannte die alte jüdische Tradition zehn Stufen, zehn Ordnungen von Engeln. 1. Chaios Akodesch, Reine, Heilige. 2. Die Ofamin, Schnelle. 3. Die Oralim, die Starken. 4. Die Chasmalim, die Flammen. 5. Die Seraphim, die Funkelnden. 6. Die Malakim, Engel, Boten, Abgesandte. 7. Die Eloim, die Götter oder Richter. 8. Die Ben Eloim, Kinder der Götter. 9. Cherubim, die Spiegelbilder. 10. Ychim, die Beseelten.2
Die Geschichte vom Sturz der Engel findet sich nicht in den Büchern Moses; das erste Zeugnis das darauf Bezug nimmt, ist das des Propheten Jesaja, der, als er den König Babylons beschimpft und ausruft: „Was ist aus dem Tributeintreiber geworden? Die Tannen und die Zedern erfreuen sich seines Sturzes; wie bist du vom Himmel gefallen oh Hellel, du Stern des aufgehendes Tages?“ Man übersetzt dieses Hellel mit dem lateinischem Wort Luzifer und schließlich hat man den Namen Luzifer in allegorischem Sinn den Engelsfürsten gegeben, die im Himmel Krieg führten; und endlich ist dieser Name, der schimmerndes Licht  und Morgenröte bedeutet, zum Namen des Teufels geworden.
Die christliche Religion ist auf den Sturz der Engel gebaut. Jene, die sich erhoben, wurden aus den Höhen, die sie bewohnten, herabgestürzt in die Hölle im Inneren der Erde und wurden zu Teufeln. Ein Teufel in Schlangengestalt verführte Eva  und führte das Menschengeschlecht in Verdammnis. Jesus kam zur Erlösung des Menschengeschlechts und um den Teufel zu bezwingen, der uns noch immer in Versuchung führt. Jedoch findet sich diese Grundversion nur in dem apokryphen Buch Enoch und auch sie ist sehr verschieden von der gängigen Überlieferung.

Der heilige Augustin hat in seinem einhundertneunten Brief keinerlei Schwierigkeiten,  den guten und den bösen Engeln losgelöste und bewegliche Körper zuzuordnen.  Papst Gregor II. hat die zehn von den Juden anerkannten Engelchöre auf neun Chöre, neun Stufen oder Ordnungen verringert, es sind die Seraphim, die Cherubim, die Throne, die Herrlichkeiten, die Tugenden, die Mächte, die Erzengel und schließlich die Engel, die den acht weiteren Ebenen ihren Namen geben.3
Die Juden hatten im Tempel zwei Cherubim mit jeweils zwei Köpfen, der eine als Stier, der zweite als Adlerkopf, dazu sechs Flügel. Heute malen wir sie als fliegenden Kopf  mit zwei kleinen Flügeln unter den Ohren. Die Engel und die Erzengel malen wir in Gestalt junger Leute mit zwei Flügeln am Rücken. Hinsichtlich der Throne und Herrschaften hat man sich noch nicht unterstanden, sie zu malen. Der heilige Thomas sagt in seiner Disputation CVIII, Artikel 2, die Throne seien ebenso nah bei Gott wie die Cherubim und die Seraphim: sind sie es doch, auf denen Gott sitzt. Scotus hat tausend Millionen Engel gezählt. Die alte Mythologie der guten und bösen Genien, die vom Orient auf Griechenland und Rom überging, lässt uns diese Meinung bestätigen, indem wir jedem Menschen einen guten und einen bösen Engel zuordnen, von denen ihn der eine unterstützt, der andere ihm von der Geburt bis zum Tode schadet; aber man weiß noch nicht, ob die guten und bösen Engel laufend von einem Einsatzort zum anderen wechseln, oder ob sie von neuen Engeln abgelöst werden. Ziehen Sie zu dieser Frage die Summa des heiligen Thomas heran.4 Man weiß nicht genau, wo die Engel sich aufhalten, ob in der Luft, im Leeren oder auf den Sternen. Gott wollte nicht, dass wir davon wissen.


  1 – Tobit..,  Voltaire bezieht sich auf das apokryphe Buch Tobit; Levitikus (3.Buch Mose)  und Deuteronomium (5.Buch Mose) bilden mit den Büchern   Moses 1 – 3  den Gesetzeskanon – den Pentateuch – der jüdischen Tora.  Die Sadduzäer waren eine Priesterkaste des Judentums, Zeremonienmeister des Tempelkults und waren strikt an den Texten Moses orientiert, sie bestimmten das sakrale Geschehen bis zur Niederschlagung des von ihnen abgelehnten jüdischen Aufstands (70 uZ) durch Rom, in dessen Verlauf der zweite Tempel in Jerusalem zerstört wurde. Die Sadduzäer waren auch gegen die Auferstehung, somit entschiedene Gegner des Christentums.

2 – Eloim.., Quintus Fabius Pictor, römischer Historiker (254 – 201 vuZ), schrieb die Annalen Roms, die wohl auch den bekannten Mythos von der Gründung Roms enthielten. 

3 – Gregor II – (669 – 731), Papst, dem wir die Missionierung Deutschlands zu verdanken haben. Die katholische Engelshierarchie war seit  Dionysos Aeropagias Schrift  ‚Hierarchia coeestis‘ (um 500 uZ) in 3 Stufen mit 3 Unterabteilungen unterteilt: Seraphim, Cherubim, Throne – Herrschaften, Mächte, Kräfte  und Fürstentümer, Erzengel, Engel. Noch heute singt man im Vorgebet des Abendmahlsgottesdienstes, der sogenannten Profation: „Darum singen wir mit den Engeln und Erzengeln, den Thronen und Mächten (= Herrschaften), und mit all den Scharen des himmlischen Heeres den Hochgesang von deiner göttlichen Herrlichkeit…“ zur Engelslehre aus kirchlicher Sicht siehe die recht guten Seiten des Pfarrers Dr. Johannes Holdt: http://catholic-church.org/ao/ps/Angeli.html.

4 – heiliger Thomas, Thomas von Aquin (1225-1275),  Summa theologica 4.Buch ‚Schöpfung und Engelwelt‘. (abgedruckt in http://www.himmelsboten.de)

Apis der Stier und Ägypten

Verehrte man den Stier Apis zu Memphis1 als Gott, als Symbol oder als Stier? Es ist anzunehmen, dass die Fanatiker in ihm einen Gott sahen, die Weisen schlicht ein Symbol und dass das dumme Volk den Stier anbetete. Tat Kambyses2 das Richtige, als er den Stier nach der Eroberung Ägyptens eigenhändig tötete? Warum nicht? Er machte den Einfältigen klar, dass man ihren Gott am Spieß braten konnte, ohne dass sich die Natur erhob, um solche Gotteslästerung zu rächen. Man hat die Ägypter sehr gepriesen. Doch kenne ich  kaum ein erbärmlicheres Volk – es muss in ihrem Charakter und ihrem Staatswesen ein Grundübel liegen, dass aus ihnen zu allen Zeiten ein Volk von elenden Sklaven machte. Ich gestehe, dass sie in fast unbekannten Zeiten die Welt beherrscht haben, aber in geschichtlicher Zeit wurden sie von allen, die sich diese Mühe machen wollten, unterworfen, von den Assyrern, von den Persern, von den Griechen, von den Römern, von den Arabern, von den Mamelucken, von den Türken, am Ende von aller Welt, ausgenommen unseren Kreuzfahrern, die zugegebenermaßen noch dümmer waren als die Ägypter feige. Es war eine Mameluckenmiliz, die die Franzosen besiegte. Es gibt bei dieser Nation vielleicht nur zwei passable Dinge: das erste ist, dass diejenigen, die einen Stier anbeteten, niemals jene, die einen Affen anbeteten, zwingen wollten, ihre Religion zu ändern, das zweite, dass sie in ihren Backöfen stets Hühnchen ausbrüten ließen. Man lobt ihre Pyramiden, aber sie sind das Denkmal eines versklavten Volkes. Es war wohl notwendig, dass die ganze Nation an ihnen arbeiten musste, anders hätte man diese schrecklichen Steinmmassen niemals aufstapeln können. Wozu dienten sie aber? Um in einem kleinen Gemach die Mumie irgendeines Fürsten, eines Herrschers, eines Verwalters zu konservieren, damit sie von ihrer Seele nach Ablauf von tausend Jahren wiederbelebt würde. Aber wenn sie die Wiederauferstehung der Körper erhofften: warum entfernten sie vor der Einbalsamierung das Gehirn ? Sollten denn die Ägypter ohne Gehirn auferstehen?


1 – Apis, der Stier, war ein Symbol der Fruchtbarkeit und wurde als lebendiges Tier in Memphis im Tempel des Ptah verehrt. Er musste schwarz sein, mit einem weißen Zeichen auf der Stirn

2 – Kambyses II. ( – 522 vuZ), war König in Persien und unternahm 525 einen Ägyptenfeldzug in dessen Verlauf er die Hauptstadt Memphis eroberte.

3 – Mamelucken, ursprünglich türkische Söldner, verselbständigten sich und gelangten in Ägypten unter Aybak ab 1250 an die Macht.

Circoncision – Beschneidung

Wenn Herodot erzählt1, was er von den Barbaren, zu denen er gereist war, erfahren hat, erzählt er Albernheiten wie die meisten unserer Reisenden. So braucht man ihm nicht zu glauben, wenn er von den Abenteuern von Gyges und Kandaules2 spricht, von Arion auf dem Delphin3 und vom Orakel, das befragt, was Krösus tun würde, antwortete, dieser koche eine Schildkröte bei zugedeckten Topf4 – oder vom Pferd des Darius, das seinen Herrn zum König machte, indem es sich ihm als erstem näherte5 und von hundert anderen Märchen, die Kindern gefallen und Rhetoriker sammeln. Wenn er aber von den Dingen erzählt, die er gesehen hat, von den Sitten der Völker, die er untersucht, von ihrer Geschichte, die er zu Rate gezogen hat, spricht er doch zu Erwachsenen. „Es scheint, sagt er im Buch Euterpe, dass die Einwohner von Kolchis6 ursprünglich aus Ägypten stammen, ich urteile aus eigener Anschauung und weniger vom Hörensagen, denn ich habe festgestellt, dass man sich in Kolchis wesentlich besser an die alten Ägypter erinnert als man sich in Ägypten an die alten Gewohnheiten von Kolchis erinnert. Die Bewohner der Ufer des Schwarzen Meeres behaupten eine durch Sesostris7 gegründete Kolonie zu sein, ich für meinen Teil vermute das ebenfalls, nicht nur weil sie dunkelhäutig sind und gekräuselte Haare haben, sondern weil die Völker von Kolchis, Ägypten und Äthiopien die einzigen sind, die sich seit jeher beschneiden lassen haben; weil die Phönizier und die Palästinenser zugeben, dass sie die Beschneidung von den Ägyptern übernommen haben. Die Syrer, die heute die Ufer des Thermodon und Parthiens bewohnen, und ihre Nachbarn, die Makronen8, erklären, dass es noch nicht lange her ist, seit sie sich dieser ägyptischen Gewohnheit angepasst haben.  Hauptsächlich deshalb hält man ihre Herkunft für ägyptisch. Was Äthiopien und Ägypten betrifft, bei denen diese Zeremonie jeweils sehr weit zurück reicht, wüsste ich nicht zu sagen, wer von beiden die Beschneidung vom anderen hätte, es ist indessen wahrscheinlich, dass die Äthiopier sie von den Ägyptern haben, wie umgekehrt die Phönizier den Brauch, die Neugeborenen zu beschneiden, abgeschafft haben, seit ihr Handel mit den Griechen zunahm.“
Aus dieser Passage Herodots folgt klar, dass mehrere Völker die Beschneidung von Ägypten übernommen haben; aber keine Nation jemals behauptet hat, sie von den Juden erhalten zu haben. Wem kann man nun den Ursprung dieses Brauchs zuschreiben – der Nation von der fünf oder sechs andere bekennen, ihn erhalten zu haben, oder einer anderen Nation, die weit weniger mächtig, weniger Handel treibend, weniger Krieg führend, versteckt in einem Winkel Arabiens lebend und niemals die kleinste ihrer Gewohnheiten an irgendein anderes Volk übermittelt hat? Die Juden sagen, sie seien vormals aus Barmherzigkeit in Ägypten aufgenommen worden; ist es nicht wahrscheinlich, dass das kleine Volk einen Brauch des großen Volkes nachahmte und die Juden einige Sitten ihrer Herren annahmen?  Clemens von Alexandria berichtet, dass Pythagoras9, als er durch Ägypten reiste, gezwungen war, sich beschneiden zu lassen, um zu ihren religiösen Mysterien zugelassen zu werden; man musste also unbedingt beschnitten sein, wollte man der Priesterschaft Ägyptens angehören.

Diese Priester waren da, als Joseph in Ägypten ankam, die Regierungsform bestand seit langem und man beachtete die antiken Zeremonien Ägyptens mit gewissenhafter Genauigkeit. Die Juden geben zu, dass sie zweihundertfünf Jahre in Ägypten ansässig waren, sie sagen, dass sie sich in diesem Zeitraum nicht beschneiden ließen; es ist folglich klar, dass die Ägypter während dieser zweihundertfünf Jahre die Beschneidung nicht von den Juden erhalten haben. Hätten sie diese von ihnen übernommen, nachdem ihnen die Juden alle Gefäße gestohlen hatten, die man ihnen geliehen hatte und nach ihrem eigenen Zeugnis mit ihrer Beute in die Wüste entflohen? Übernimmt ein Herr das wichtigste Kennzeichen der Religion von seinem flüchtigen und diebischen Sklaven? Dies liegt nicht in der Natur des Menschen. Es heißt im Buch Josua, dass die Juden in der Wüste beschnitten wurden: „Ich habe euch von dem befreit, was bei den Ägyptern zu eurer Schande gereichte“. Nun, was könnte dieses Schande-Bringende sein für Leute, die sich unter den Völkern der Phönizier, Araber und Ägypter befanden, wenn nicht jenes, das sie diesen drei Nationen verachtenswert machte? Wie befreite man sie von dieser Schande? Indem man sie von einem Stück Vorhaut befreite. Liegt nicht darin der natürliche Sinn dieser Passage?

Die Genesis sagt, dass Abraham schon vorher beschnitten worden war, doch Abraham reiste durch Ägypten, das seit langem, von einem mächtigen König regiert, ein blühendes Königreich war. Nichts spricht dagegen, dass die Beschneidung in diesem so alten Königreich  bereits lange in Gebrauch war, als sich die jüdische Nation bildete. Außerdem blieb die Beschneidung Abrahams ohne Nachahmung, seine Nachkommen wurden erst zur Zeit Josuas beschnitten.
Nun übernahmen die Israeliten vor Josua sogar nach ihrem eigenen Bekenntnis viele der Gewohnheiten Ägyptens: so imitierten sie einige Opferbräuche, mehrere religiöse Rituale wie das Fasten , das man an den Tagen vor den Isisfesten praktizierte, die Reinigungshandlungen, den Brauch, die Köpfe der Priester zu rasieren, den Weihrauch, den Kandelaber, das Opfer der roten Kuh, die Reinigung mit Ysopbüscheln, die Meidung von Schweinefleisch, die Abscheu vor Küchengeräten von Ausländern. All das belegt, dass das kleine hebräische Volk trotz seiner Abneigung gegen die große ägyptische Nation eine unendliche Vielzahl von Gebräuchen  seiner früheren Herren übernommen hat. Der Ziegenbock Asasel10, dem man die Sünden des Volkes auflud und ihn in die Wüste jagte, war eine ersichtliche Kopie eines ägyptischen  Brauchs, die Rabbiner geben sogar zu, dass das Wort Asasel nicht-hebräischen Ursprungs ist. Nichts spricht also dagegen, dass die Hebräer die Ägypter bei der Beschneidung imitiert haben, wie dies auch die Araber, ihre Nachbarn, taten.
Es ist keinesfalls verwunderlich, dass Gott, wenn er schon die Taufe – so lange gebräuchlich bei den Asiaten – heiligte, auch die Beschneidung guthieß, die nicht weniger lange bei den Afrikanern gebräuchlich war. Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass es dem Herr gegeben ist, die Merkmale seines Wohlgefallens auszuwählen. 
Des weiteren hat das jüdische Volk, seitdem es unter Josua beschnitten wurde, diesen Brauch bis auf unsere Tage beibehalten, auch die Araber sind ihm fortwährend treu geblieben, während die Ägypter, die in der ersten Zeit Jungen und Mädchen beschnitten, mit der Zeit damit aufhörten, an den Mädchen diese Operation vorzunehmen und beschränkten sie schließlich auf Priester, Astrologen und Propheten. Das lehren uns Clemens von Alexandrien und Origines. Tatsächlich weiß man gar nicht, ob die Ptolemäern die Beschneidung jemals praktizierten. Die lateinischen Autoren, welche die Juden mit so großer Verachtung behandeln, indem sie sie zum Beispiel spöttisch ‚curtus Apella‘, credat Judaeus Apella, curti Judaei12 nennen, geben den Ägyptern keine derartigen Beinamen. Das ganze ägyptische Volk ist zwar heute beschnitten, aber aus einem anderen Grund, denn der mohammedanische Glaube hat die alte Beschneidung von den Arabern angenommen. Es ist diese arabische Beschneidung, die zu den Äthiopiern kam, wo man Jungen und Mädchen noch heute beschneidet.

Man muss gestehen, dass diese Beschneidungszeremonie zunächst sehr befremdlich erscheint; man muss aber beachten, dass sich die Priester des Morgenlandes zu allen Zeiten durch besondere Kennzeichen weihten. Mit einem Stichel ritzte man den Bacchuspriestern ein Weinblatt ein. Lukian sagt uns, dass die Isisanbeter sich Buchstaben auf die Faust und auf den Hals tätowierten. Die Priester der Kybele machten sich zu Eunuchen. Allem Anschein nach stellten sich die Ägypter, die das Fortpflanzungsorgan sehr verehrten  und sein Abbild bei ihren Prozessionen prunkvoll mitführten, vor, dass sie Isis und Osiris, von denen alles Leben auf der Erde abhing, einen kleinen Teil jenes Gliedes opferten, durch das sich das menschliche Geschlecht nach dem Willen dieser Gottheiten  fortpflanzte. Die alten orientalischen Sitten sind so erstaunlich verschieden von den unseren, dass, wer ein wenig belesen ist, nichts unmöglich finden wird.
Ein Pariser ist ganz erstaunt, wenn man ihm sagt, dass die Hottentotten ihren männlichen Kindern eine Hode abschneiden lassen. Die Hottentotten sind vielleicht erstaunt, dass die Pariser davon zwei behalten.


1 – Herodot, Historien, I-IX, übersetzt von J. Feist, Düsseldorf 2001 (Artemis)

2 – Gyges und Kandaules, Gyges war ein lydischer König des 7 Jh. vuZ., der nach Herodot (Historien I,8-13) durch den Mord an König Kanadaules zur Macht kam und dessen Frau ehelichte, die ihn zu der Tat angestachelt hatte..

3 – Arion auf dem Delphin. Arion von Lesbos war Sänger und Dichter im 7.Jh vuZ. Er sang so bezaubernd schön, dass es ihm gelang, zu seiner Rettung Delphine anzulocken, die ihn vor dem Ertrinken retteten (Herodot Historien,I,23). Arion auf dem Delphin stellt auch eine der zentralen Skulpturen der Gartenanlage des Schwetzinger Schlosses dar, das Voltaire 1753 und 1758 besuchte.

4 – Krösus und die Schildkröte – Krösos war ein Nachkomme von Gyges und lebte im 6.Jh vuZ im Lydien Kleinasiens. Die Schildkröte kochte Krösus wirklich und wollte das Orakel testen, indem er ihm die Frage stellen ließ, was er, Krösus, jetzt gerade tue. Nach Herodot kam die Pythia, die wichtigste Priesterin des Orakels von Delphi, auf die  richtige Antwort (Herodot Historien,I,47,3).     

5 – Dareios und das Pferd   Dareios I, König von Persien (549 – 486 vuZ), wurde nach Herodot (Historien III, 84-86) dadurch aus sechs Kandidaten  zum König erwählt, dass sein Pferd als erstes wieherte   –  der Stallmeister hatte die Lieblingsstute des Pferdes in einiger Entfernung angebunden.

6 – Kolchis  – hieß das kaukasische Land am schwarzen Meer, heute Teil von Georgien und der Türkei Näheres siehe www.kolchis.de.

7 – Sesostris – ägyptischer Herrscher Anfang des 2.Jahrtausends vuZ.

8 – Thermodon und Parthien, Makronen  – der Fluss Thermodon gilt als Fluss der Amazonen, die dort, am Mündungsgebiet des Terme Cyr (wie er heute heißt) am schwarzen Meer bei Samsun, gelebt haben sollen. Das Partherreich befand sich im nordöstlichen Kleinasien, grenzte an die Gebiete der Syrer. Der Thermodon war aber deutlich nördlich davon – Herodot scheint angenommen zu haben, dass sich die syrischen Siedlungsgebiete wesentlich weiter nach nördlich ausdehnten, als sie es nach heutigem Wissen wirklich taten. Die Makronenwaren ein Volk im südlichen Siedlungsgebiet von Kolchis und waren wohl kein Nachbarvolk der Syrer.

9 – Clemens von Alexandria, Pythagoras   – Titus Flavius Clemens (150 -215), griechischer Theologe, Lehrer des Origines; Pythagoras von Samos (570 – 510 vuZ), griechischer Philosoph und Mathematiker.

10 – Asasel  – Es ist eigentlich nicht der Sündenbock, der Asasel heißt, sondern einer der abgefallenen Engel, die die Menschen die Sünde lehren (Buch Henoch).

11 – Ysop  – Josefskraut, eine rosmarinähnliche Heilpflanze der Naturmedizin.

12 – Horaz  – Satiren, I,9 69-70:  curtus = beschnitten, Apella steht für a pellis, also ‚ohne Haut‘, eine andere Ansicht hält ‚Apella‘ für die Bezeichnung eines Freigelassenen, ‚credat‘ meint ‚leichtgläubig‘.

Dictionnaire philosophique portatif 1764

Das philosophische Wörterbuch ist Voltaires Kampfansage an die christliche Religion und ihre Kirche, es ist die Schrift, in der man Voltaires lebendige Art zu denken am direktesten erleben kann. 

Philosophisches Taschenwörterbuch
Umschlagseite der Reclamausgabe (2020).

Stets die Fragestellung auf Beobachtung und unmittelbare Erfahrung beziehend, daraus zu erfrischend moralinfreien Schlussfolgerungen kommend und wo es geht, die herrschende Ideologie demaskierend, sind viele Artikel des philosophischen Wörterbuches noch so aktuell wie vor 250 Jahren: über die Liebe, die Schönheit, den Fanatismus, die Toleranz, die Eigenliebe und zahlreiche andere Themen. Das Buch wurde noch im Erscheinungsjahr in Genf und am 19.3.1765 in Paris verbrannt.
Wir haben die Erstausgabe, erstmals vollständig ins Deutsche übersetzt, bei Reclam 2020 herausgegeben. Zu den Artikeln dieser Ausgabe bieten wir hier (siehe Tabelle) ergänzende Informationen. Außerdem haben wir – zunächst exemplarisch mit einigen Artikeln – damit begonnen, zum Philosophischen Taschenwörterbuch ein Diskussionsforum aufzubauen (unter www.traumdenken.de).

Inhalt des Dictionnaire portatif von 1764.

Bei hellgelb hinterlegten Stichwörtern kann man sich eine Inhaltsangabe und den französischen Originaltext anzeigen lassen. Bei hellrot hinterlegten Stichwörtern bieten wir zusätzlich ausführliche Kommentare zur Reclamausgabe von 2020 (deutsche Ausgabe) an. Falls es zu dem Artikel auch noch ein Diskussionsforum gibt, ist der Hintergrund hellgrün:

A B C D G L S
Abraham Baptême (Taufe) Caractère (Charakter) Destin (Schicksal) Gloire (Ehre) Luxe (Luxus) Salomon
Âme (Seele) Beau, beauté (Schön, Schönheit) Catéchisme chinois (Chinesischer Katechismus) Dieu (Gott) Grâce (Gnade) M Songes (Traumbild)
Amitié
(Freundschaft)
Bêtes (Tiere) Catéchisme du curé (Katechismus des Landpfarrers) Guerre (Krieg) Matière (Materie) Superstition (Aberglaube)
Amour (Liebe) Bien,souverain bien (Das höchste
Gut)
Catéchisme du japonais (Katechismus des Japaners)

E

H

Méchant (Böse)

T

Amour nommé socratique
(Sokratische Liebe, Homosexualität)

Bien, tout est bien (Alles ist
gut)
Certain, certitude (Gewißheit) Égalité (Gleichheit) Histoire de rois juifs (Geschichte der jüdischen Könige) Messie (Messias) Tolérance
Amour propre (Eigenliebe) Bornes de l’esprit humain
(Grenzen des menschlichen Geistes)
Chaine des êtres crées (Kette der geschaffenen Lebewesen) Enfer (Hölle)

I

Métamorphose, Métempsychose (Verwandlung, Seelenwanderung) Tirannie
(Tyrannei)
Ange (Engel)   Chaine des événements (Kette der Ereignisse)

États, Gouvernements (Staatsformen)

Idole
(Götzenbild)
Miracles (Wunder)

V

Anthropohages (Menschenfresser)   De la Chine
(Über China)
D’Ézéchiel (Über Hesekiel) Inondation (Überflutung) Moïse (Mose) Vertu (Tugend)
Apis und Ägypten   Christianisme

F

J

P

 
Apocalypse   Ciel des anciens
(Der Himmel in der Antike)
Fables (Fabeln) Jephté (Jephta) Patrie (Vaterland)  
Athée, athéisme (Atheismus)   Circoncision (Beschneidung) Fanatisme Joseph Pierre (Petrus)  
    Convulsions (Zuckungen) Faussetés des vertus humaines
(Die Falschheit der menschlichen Tugenden)
L Préjugés (Vorurteile)  
    Corps (Körper)
Fin, causes finales
(Zweckursachen)
De la Liberté (Über die Freiheit)

R

 
    Critique (Kritik) Folie (Verücktheit) Des Lois (Über die Gesetze) Religion  
      Fraude (Betrug) Lois civiles et ecclésiastiques
(Zivile und kirchliche Gesetze)
Résurrection (Auferstehung)  

Fanatismus

Fanatismus verhält sich zum Aberglauben wie Fieberwahn zum Fieber, wie der Wutanfall zum Zorn. Wer Ekstasen hat, Erscheinungen, wer Traumbilder für Realität nimmt und seine Einbildungen für Prophezeiungen, ist ein Enthusiast, wer seinen Irrsinn durch Mord umsetzt, ein Fanatiker.

Jean Diaz, zurückgezogen in Nürnberg lebend und fest davon überzeugt, dass der Papst der Antichrist der Apokalypse sei und einen Pferdefuß habe, war nur ein Enthusiast; sein Bruder, Bartholomäus Diaz, der Rom verlassen hatte, um seinen Bruder heiligerweise zu ermorden und ihn auch tatsächlich aus Gottesliebe ermordete, war einer der nichtswürdigsten Fanatiker, den der Aberglaube jemals hatte erzeugen können.
Polyeuktes1, der an einem Festtag zum Tempel geht, um Statuen und Schmuckwerk umzustoßen und zu zerschlagen, ist ein minder schrecklicher Fanatiker als Diaz, aber nicht minder närrisch.

Die Mörder des Herzogs François de Guise, von Willhelm, Prinz von Oranien, von Heinrich III. und des Königs Henri IV und von so vielen weiteren waren Kranke, besessen von der gleichen Raserei wie Diaz. Das verachtungswürdigste Beispiel von Fanatismus ist das der Bürger von Paris, die zusammenliefen um jene ihrer Mitbürger umzubringen, zu erwürgen, aus den Fenstern zu stürzen, in Stücke zu reißen, die nie zur Messen gingen2.

Es gibt kaltblütige Fanatiker: dies sind die Juristen, die jene zum Tode verurteilen, die kein anderes Verbrechen begangen haben, als nicht so zu denken wie sie selbst und derartige Juristen sind um so mehr verurteilenswert, verdienen um so mehr aus der menschlichen Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden, als sie sich nicht in einem Anfall von Raserei wie Clément, Châtel, Ravaillac, Gérard, Damiens3 befanden, sondern allem Anschein nach der Vernunft hätten folgen können.
Wenn der Fanatismus erst einmal ein Gehirn vergiftet hat, ist die Krankheit nahezu unheilbar. Ich habe Verzückte gesehen, die, während sie von den Wundern des heiligen Paris4 sprachen, sich hochgradig unbeherrscht erregten: ihre Augen Feuer sprühend, mit zitternden Gliedmaßen, verzerrte die Raserei ihr Gesicht und sie hätten jeden, der ihnen widersprochen hätte, umgebracht.

Es gibt gegen diese Epidemie kein anderes Mittel als die Aufklärung, die, von Mund zu Mund weitergegeben, die Sitten der Menschen mildert und das Eindringen des Übels verhindert; denn, sobald das Übel vorankommt, bleibt einem nur die Flucht und abzuwarten, bis die Luft wieder rein ist.
Die Gesetze und die Religion erreichen gegen die Seelenpest nichts. Die Religion, weit davon entfernt, ein Heilmittel zu sein, verwandelt sich in einem infizierten Hirn zu Gift. Diese Elenden haben ohne Unterlass das Beispiel von Aod vor Augen, der König Eglon ermordete (Bibel, Richter, 3), von Judith, die Holofernes den Kopf abschnitt (bibel AT Judith, 3), während sie mit ihm schlief, von Samuel, der König Agag in Stücke hackte5(Bibel 1 samuel 15). Sie sehen nur solche Beispiele, die in der Antike achtbar waren, jedoch heute verachtungswürdig sind. Sie speisen ihre Raserei selbst aus jener Religion, die sie verurteilt. Die Gesetze sind noch sehr viel unwirksamer gegen diese Auswüchse von Raserei, es ist, als lese man einem Tobsüchtigen einen Ratsbeschluss vor.

Luxe – Luxus

Gegen den Luxus predigt man seit 2000 Jahren in Versen und in Prosa und hat andauernd an ihm Gefallen gefunden. Was hat man nicht alles über die frühen Römer gesagt? Als diese Straßenräuber die Ernte ihrer Nachbarvölker geraubt und vernichtet, als sie, um ihre armseligen Dörfer voranzubringen, die armseligen Dörfer der Volsker1 und der Samniter2zerstört haben, galten sie als verdienstvolle und bescheidene Leute, denn sie stahlen weder Gold noch Silber, noch Edelsteine, weil es nämlich dergleichen in den Flecken, die sie überfielen, gar nicht gab. Ihre Wälder und ihre Sümpfe brachten weder Fasanen noch Rebhühner hervor: man lobte ihre maßvolle Lebensweise.
Als sie gut und gerne alles geplündert hatten, alles gestohlen vom Adriatischen Golf bis zum Euphrat und genug Geist besaßen, um sich an den Früchten ihrer Raubzüge sieben bis achthundert Jahre lang zu erfreuen, als sie die Künste förderten und von allen Vergnügungen kosteten, sogar die Besiegten davon kosten ließen, da – sagt man – hörten sie auf, brave und anständige Leute zu sein.
All diese Predigten reduzieren sich darauf, zu zeigen, dass ein Dieb niemals das Abendessen, das er nahm, essen dürfe, noch die geraubte Kleidung  tragen, noch sich mit dem gestohlenen Ring schmücken dürfe. Man soll – sagt man – alles in den Fluss werfen, wenn man als ehrlicher Mensch leben will – sagt doch lieber, dass man nicht stehlen soll!  Verurteilt die Straßenräuber, wenn sie rauben, aber behandelt sie nicht als Dummköpfe, wenn sie genießen. Einmal ehrlich: als eine große Zahl der englischen Seeleute sich bei der Einnahme von Pondichéry3 und von La Havana4 bereicherten, taten sie Unrecht, als sie sich in London als Entschädigung für die Strapazen vergnügten, die sie im fernen Asien und in Amerika ausgestanden hatten?
Die Prediger hätten gerne, dass man den Reichtum verscharrt, den man durch Waffenglück, Landwirtschaft, Handel und durch die Industrie angehäuft hat. Sie führen Lakedämonien5 an, warum nicht auch die Republik von San Marino? Was gab Sparta Griechenland an Gutem? Hatte es jemals einen Demosthenes, einen Sophokles, einen Appelles, einen Phidias6? Der Luxus Athens hat große Menschen in allen Bereichen hervorgebracht, Sparta hatte einige Armeeführer und auch die in geringerer Zahl als die anderen Städte. Doch bewahre meinetwegen eine so kleine Republik wie Lakädemonien seine Armut. Man erreicht die Schwelle des Todes als jemand, dem es an allem fehlt ebenso wie jemand, der die Dinge, die das Leben angenehm machen, genießt. Der kanadische Wilde lebt vor sich hin und erreicht ebenso ein hohes Alter wie der englische Bürger mit Einkünften von fünfzigtausend Guineen. Aber wer wollte jemals das Land der Irokesen mit England vergleichen? Wenn die Republik von Ragusa und der Kanton Zug Gesetze gegen den Luxus machen, haben sie recht, denn der Arme soll nicht über seine Verhältnisse leben , so habe ich irgendwo gelesen:

Wisset vor allem: der Luxus bereichert den großen Staat
und richtet den kleinen zugrunde 7.

Wenn Sie unter Luxus Übermaß verstehen, so ist bekannt, dass Maßlosigkeit jeder Art schädlich ist, in der Enthaltsamkeit wie in der Völlerei, in der Sparsamkeit wie in der Freigiebigkeit. 
Ich weiß nicht, wie es kam, dass in meinen Dörfern, wo die Erde karg, die Steuern hoch, das Verbot, selbst gesäten Weizen zu exportieren, unerträglich ist, dennoch fast jeder Bauer einen Anzug aus gutem Stoff besitzt und gut beschuht und genährt ist. Pflügte dieser Bauer mit seinem guten Anzug aus weißem Stoff, die Haare frisiert und gepudert, den Acker, wäre das sicher größter Luxus und größte Unverfrorenheit, aber wenn ein Pariser oder Londoner Bürger, wie dieser Bauer angezogen, im Theater erschiene: da hätten wir die schändlichste und lächerlichste Knauserei.

Est modus in rebus, sunt certi denique fines
Quos ultra citaque nequit consitere rectum
(Horaz, Satiren, 1.Buch, Vers 106-107)8

Als man  die Schere erfand, und das war gewiss nicht im finstersten Altertum, was sagte man da nicht alles gegen die ersten, die sich die Nägel schnitten und den Teil der Haare, der ihnen bis über die Nase hingen? Man behandelte sie zweifellos als Angeber und Aufschneider, die sich für viel Geld  einen Gegenstand der Sünde kauften, um das Werk des Schöpfers herabzusetzen. Welch ungeheure Sünde, die Nägel zu kürzen, die Gott am Ende der Finger wachsen lässt. Das war Gotteslästerung. Noch schlimmer war es, als man Hemden und Socken erfand. Man weiß, mit welchem Hass die Räte, die solches nie getragen hatten, gegen junge Magistrate hetzten, die sich in diesem verderblichen Luxus zeigten.


1 Volsker – in einem 13jährigen Krieg (389 – 377) besiegte Rom den Volksstamm der V., der im Süden Latiums lebte.

Samniter – in 3 Kriegen (von 340 bis 290) wurden die S., die ganz Unteritalien besiedelten (Hauptstadt Capua), unterworfen. Rom konfiszierte den größten Teil des fruchtbaren Bodens – siehe hierzu Th. Mommsen, Römische Geschichte I, S 352 ff.

Pondicherry – Hafenstadt an der Ostküste Südindiens, von 1673 bis 1954 französische Kolonie, jedoch am 16. Januar 1761  im britisch-französischen Krieg um die Vorherrschaft in Indien von den Briten dem Erdboden gleichgemacht, erst nach dem Pariser Frieden 1763 (beendet den siebenjährigen Krieg) baute die französisch-indische Kompanie Pondicherry wieder als Handelszentrum auf.

La Havana – Hauptstadt Kubas, 1762 durch britisches Militär den Spaniern abgenommen, jedoch ein Jahr später, im Rahmen des Pariser Friedens  im Tausch gegen Florida zurückgegeben..

Lakädemonien – Sparta, dessen Sparsamkeit und Askese sprichwörtlich wurde.

6  Demosthenes – bedeutendster griechischer Rhetoriker, lebte von 384 – 322 in Athen, Sophokles – griechischer Dramatiker, lebte von 496 – 406 in Athen;  Appelles – bedeutendster Maler der Antike, war Hofmaler Alexander d. Gr. lebte im 4.Jhdt vuZ in Athen;; Phidias – auch Pheidias, war der bedeutendste Bildhauer der Antike, lebte in der 2. Hälfte des 5.Jhdts vuZ in Athen

7 zit. Voltaire, Le Mondain

8  Es ist allen Dingen eigen, nur in bestimmten Grenzen zu gelten
    jenseits derer sie ihre Bedeutung verlieren
(in der versmaßgerechten Übersetzung von Johann Heinrich Voß:
    Maß ist allem bestimmt und eigene scharfe Begrenzung
    Jenseits der so wenig, wie diesseits Rechtes bestehn kann.

Miracles – Wunder

Folgt man dem Wortsinn, ist ein Wunder eine bestaunenswerte Sache. In diesem Falle ist alles ein Wunder. Die bewundernswerte Ordnung der Natur, die Rotation von 100 Millionen Erden um 1 Million Sonnen, die Aktivität des Lichts, das Leben der Tiere – alles sind fortwährende Wunder. Folgt man den überlieferten Ansichten, nennen wir Wunder die Verletzung der göttlichen und ewigen Gesetze. Wenn es bei Vollmond eine Sonnenfinsternis gibt 1, ein Toter zwei Meilen Weges geht, dabei seinen Kopf in seinen Armen trägt, nennen wir das ein Wunder. Mehrere Physiker behaupten, dass es Wunder in diesem Sinne nicht gibt – und hier sind ihre Argumente: Ein Wunder ist die Verletzung von mathematischen, göttlichen, unveränderlichen und ewigen Gesetzen. Allein, nach dieser Feststellung ist das Wunder ein Widerspruch in sich. Ein Gesetz kann nicht zugleich unveränderlich und verletzt sein. Jedoch, erwidert man ihnen, kann nicht ein von Gott selbst geschaffenes Gesetz durch seinen Schöpfer auch aufgehoben werden? Sie antworten mutig mit Nein und dass das Unendlich-Weise-Wesen unmöglich Gesetze geschaffen haben könne, um sie zu verletzen. Gott hätte seine Maschine nur angehalten, um sie zu verbessern und er hat diese unermesslich große Maschine als Gott klarerweise so gut er es konnte geschaffen – sollte er eine aus der Natur der Sache folgende Unvollkommenheit bemerkt haben, hätte er sich schon von Anfang an darum gekümmert – daher wird er sie auch zukünftig nicht mehr ändern. Außerdem kann Gott nichts grundlos tun – und welcher Grund sollte ihn dazu verleitet haben, sein eigenes Werk für einige Zeit zu verschandeln? Er tut es den Menschen zu Gefallen, sagt man ihnen. Sie antworten, dass es dann wenigstens allen Menschen zu Gefallen sein müsse, denn man könne sich unmöglich vorstellen, dass die göttliche Natur für einige Menschen gesondert arbeite. Mehr noch, die menschliche Art sei nur ein kleines Etwas, sie sei, verglichen mit all den Wesen, die das Universum ausfüllen, viel weniger als ein kleiner Ameisenhaufen. Wäre es also nicht eine der absurdesten Verrücktheiten, sich vorzustellen, dass das unendliche Wesen zu Gunsten von 3 bis 400 Ameisen auf diesem kleinen Misthaufen das ewige Spiel der unermesslichen Kräfte umkehrte, die das ganze Universum in Bewegung halten? Aber nehmen wir an, dass Gott eine kleine Anzahl Menschen durch besondere Vergünstigungen herausheben wollte, war es dafür nötig, das zu verändern, was er für alle Zeiten und alle Orte geschaffen hat? Um seine Geschöpfe zu bevorzugen, gibt es gewiss keinerlei Notwendigkeit zu solcher Veränderung, solcher Unbeständigkeit – seine Vergünstigungen bestehen in seinen Gesetzen selbst. Er hat alles vorhergesehen, alles für sie gerichtet, alles gehorcht unumkehrbar der Kraft, die er der Natur für immer eingeprägt hat. Warum sollte Gott ein Wunder geschehen lassen? Um einen bestimmten Entwurf für einige Lebewesen fertig zu stellen! Er sagte demnach: „Ich habe es mit der Herstellung des Universums, mit meinen göttlichen Erlassen, meinen ewigen Gesetzen nicht geschafft, einen bestimmten Entwurf zu Ende zu bringen – ich werde meine ewigen Vorstellungen, meine unveränderlichen Gesetze ändern, um das zu erreichen, was ich durch sie nicht geschafft habe.“ Das wäre ein Eingeständnis seiner Schwäche und nicht seiner Macht. Das wäre, scheint es, in ihm der unvorstellbarste Widerspruch. Es ist also folgendermaßen:: indem man es wagt, Gott Wunder zu unterstellen, beleidigt man ihn in Wirklichkeit (wenn Menschen Gott beleidigen können): es ist, als sagte man ihm: „Sie sind ein schwaches und inkonsequentes Wesen“.

Es ist also absurd, an Wunder zu glauben und in gewisser Hinsicht bedeutet es, die Göttlichkeit zu entehren. Man bedrängt jene Philosophen und sagt ihnen: „Ihr habt gut die Unwandelbarkeit des höchsten Wesens zu rühmen, die Ewigkeit seiner Gesetze, die Gleichförmigkeit seiner unendlichen Welten – unser kleiner Dreckhaufen war von Wundern ganz und gar bedeckt, die Geschichten sind genauso voll von Wundern wie von natürlichen Ereignissen“. Die Töchter des großen Priesters Anius 2 verwandelten alles was sie wollten zu Weizen, zu Wein oder zu Öl; Athalide3 Tochter des Merkur, erstand mehrere Male auf; Äskulap4 erweckte Hippolyte zum Leben; Herkules entriss Alceste dem Tod5, Hera kehrte zur Erde zurück, nachdem sie 15 Tage in der Hölle zugebracht hatte; Romulus und Remus wurden als Kinder eines Gottes und einer Vestalin geboren, das Palladium fiel vom Himmel in die Stadt Troya6; an den Haare der Berenike wurden die Sterne festgehalten7; die Hütte von Philemon und Baucis wurde in einen phantastischen Tempel verwandelt8, der Kopf des Orpheus sprach Orakel auch nach dessen Tod9; die Mauern Thebens erbauten sich in Anwesenheit der Griechen von selbst nach dem Ton einer Flöte10; die Heilungen im Tempel des Äskulap waren unzählbar und wir haben noch immer Denkmäler, die die Namen von Augenzeugen der Wunder Äskulaps tragen.“ Nennen Sie mir ein Volk bei dem sich nicht unglaubliche Wunder zugetragen hätten, vor allem in den Zeiten, wo man kaum Lesen und Schreiben konnte. Die Philosophen der Aufklärung antworten auf diese Einwürfe mit Gelächter und mit Schulterzucken, aber christliche Philosophen meinen: „Wir glauben an die Wunder, die sich in unserer heiligen Religion zugetragen habe. wir glauben an sie aus unserem Glauben heraus und nicht nach unserem Verstand den zu hören wir wohl vermeiden, denn, wenn der Glaube spricht, das weiß man gründlich, darf der Verstand nicht ein einziges Wort sagen. Wir haben einen festen und vollkommenen Glauben in die Wunder Jesu Christus und der Apostel, aber erlauben Sie uns an zahlreichen anderen ein wenig zu zweifeln, duldet etwa, dass wir uns einem Urteil über die Geschichte eines einfachen Mannes enthalten, dem man den Beinahmen der Große gab: er versichert, dass ein einfacher Mönch sich so sehr an das Wunder tun gewöhnt hatte, dass ihm der Prior schließlich verbot, sein Talent auszuüben. Der Mönch gehorchte – aber als er sah, dass ein armer Dachdecker von einem Dach fiel, schwankte er zwischen dem Wunsch ihn zu retten und der heiligen Gehorsamkeit. Er befahl also dem Dachdecker bloß, in der Luft zu bleiben, bis er einen neuen Befehl erhalte und lief schnell, um seinem Prior den Sachverhalt zu berichten. Der Prior erteilte ihm die Absolution von der Sünde, ohne Erlaubnis mit einem Wunder begonnen zu haben und erlaubte ihm es zu vollenden, vorausgesetzt, dass er es dabei belasse und nicht wieder damit anfange. Wir gestehen den Aufklärern zu, dass man an dieser Geschichte ein wenig zweifeln sollte“. Aber wie wagt ihr zu leugnen, sagt man ihnen, dass der heilige Gervasius und der heilige Protasius dem heiligen Ambosius als Engel erschienen sind und ihm den Platz wiesen, an dem sich ihre Reliquien befanden?, dass der heilige Ambrosius sie ausgegraben hat und damit einen Blinden heilte? Der heilige Augustinus war damals in Mailand, er erzählte dieses Wunder: „Immenso populo teste‘, sagt er in seinem ‚Gotteststaat‘, Buch XXII. Da hätten wir ein bestens bezeugtes Wunder. Die Aufklärer sagen, sie glaubten nichts davon, Gervasius und Protasius seien niemandem erschienen, dass es für das Menschengeschlecht ziemlich gleichgültig sei, wo sich ihre Gerippe befinden, dass sie an diesen Blinden nicht mehr glaubten als an den des Vespasian, dass es ein unnützes Wunder sei, dass aber Gott nichts Unnützes mache und sie halten an ihren Grundsätzen fest. Meine Hochachtung für den heiligen Gervasius und den heiligen Protasius 11 erlaubt mir nicht , mich der Ansicht dieser Aufklärer anzuschließen, ich berichte lediglich von ihrem Unglauben. Sie machen großes Aufheben über eine Textstelle bei Lukian, die sich im ‚Tod des Peregrinus‘12 befindet: „Wenn nun irgendein durchtriebener Schwindler zu ihnen kommt, der die Verhältnisse zu nutzen versteht, so wird er gleich in Kurzem ein reicher Mann“. Aber da Lukian ein weltlicher Autor ist, kommt ihm unter uns keinerlei Autorität zu. Diese Aufklärer können sich nicht entschließen, an die Wunder aus dem 2. Jahrhundert zu glauben. Die Augenzeugen können noch so sehr beschreiben, wie sie, als der heilige Polykarpus, Bischof von Smyrna, zum Feuertod verurteilt, in die Flammen geworfen wurde, eine Stimme vom Himmel herabrufen hörten: „Mut, Polycarpe! Sei stark, sei ein Mann“ – während die Flammen des Scheiterhaufen sich von seinem Körper entfernten und einen Feuerpavillion um seinen Kopf bildeten und aus der Mitte des Scheiterhaufens eine Taube hervorflog, so dass man gezwungen war, Polykarpus den Kopf abzutrennen. „Wozu soll dieses Wunder gut sein?“, sagen die Ungläubigen, „wieso haben die Flammen ihre Natur verloren und warum tat dies nicht das Beil des Scharfrichters? Woher kommt es, dass so viele Märtyrer gesund und unverletzt dem kochenden Wasser entsteigen und nicht der trennenden Klinge widerstehen konnten?“ Man antwortet, dies sei der Wille Gottes. Aber die Aufklärer würden das alles gerne mit ihren eigenen Augen gesehen haben, bevor sie es glauben13. Jene, die sich für ihre Überlegungen mit der Wissenschaft wappnen, werden euch sagen, dass die Kirchenväter selbst oft zugegeben haben, dass zu ihrer Zeit keine Wunder mehr getan werden. Der heilige Chrysostomus sagt ausdrücklich: „die außergewöhnlichen Begabungen des Geistes waren selbst Unwürdigen gegeben worden, weil damals die Kirche Wunder brauchte, heute jedoch gibt man sie nicht einmal mehr Würdigen, weil die Kirche sie nicht mehr benötigt“. Dann gesteht er, dass es niemanden mehr gibt, der Tote wieder auferweckt und auch niemanden, der Kranke heilt. Der heilige Augustinus selbst, trotz des Wunders von Gervasius und Protasius, sagt in seinem Gottesstaat: „Warum gibt es die Wunder, die früher getan wurden, heute nicht mehr?“ Und gibt dafür den gleichen Grund: Cur, inquissunt, illa miracula quae praedicatis facta esse non fiunt? Possem quidem dicere nec esssaia prius fuisse quam crederet mundus, ad hoc ut crederet mundus.“14 Man entgegnet den Aufklärern, dass der heilige Augustinus trotz dieses Bekenntnisses von einem alten Flickschuster aus Hippo spricht, der als er seine Wohnung verlor, in die Kapelle der 20 Märtyrer beten ging, als er zurückkam, fand er in einen Fisch in dessen Körper ein goldener Ring war und der Koch, der den Fisch gekocht hatte, sagte zum Flickschuster: „das haben euch die 20 Märtyrer gegeben“. Daraufhin antworten die Aufklärer, dass es in dieser Geschichte nichts gebe, das den Gesetzen der Natur widerspreche, dass die Physik, dadurch, dass ein Fisch einen goldenen Ring verschluckt und ein Koch diesen Ring einem Flickschuster serviert, keinesfalls verletzt sei, dass darin keinerlei Wunder liege. Wenn man diese Aufklärer daran erinnert, dass nach dem ‚Leben des Eremiten Paul‘ des heiligen Hieronymus15 jener Eremit mehrere Unterhaltungen mit Satyren und Faunen hatte, dass ihm ein Rabe 30 Jahre lang ein halbes Brot zu seinem Mittagessen brachte, und ein vollkommen ganzes Brot am Tag, als der heilige Antonius ihn besuchen kam, könnten sie antworten, dass solches nicht absolut gegen die Regeln der Physik verstoße, dass Satyren und Faune existieren könnten und jedenfalls, wenn dieses Märchen auch kindlich sei, so hätte es doch nichts gemeinsam mit den Wundern, die der Heiland und seine Apostel vollbracht haben. Mehrere gute Christen haben die Geschichte vom heiligen Stylites des Théodoret bekämpft16. Viele Wunder. die in der griechischen Kirche als authentisch gelten, wurden von der römischen als zweifelhaft zurückgezogen, ebenso wie Wunder der römischen Kirche der griechischen suspekt sind; schließlich kamen die Protestanten und haben die Wunder der einen wie der anderen Kirche stark misshandelt. Ein jesuitischer Wissenschaftler (Ospinian) der lange in Indien gepredigt hat, beschwert sich, dass weder seine Brüder noch er selbst je ein Wunder bewirkt hätten. Xavier bedauert in mehreren seiner Briefe, dass er nicht sprachbegabt sei, er sagt, er sei unter den Japanern wie eine stumme Statue. Dennoch haben die Jesuiten geschrieben, er hätte 8 Tote wiedererweckt, was viel ist, aber man muss auch bedenken, dass er sie 6000 Meilen von hier wiedererweckte. Man hat Leute gefunden, die behauptet haben, dass die Abschaffung des Jesuitenordens in Frankreich ein viel größeres Wunder sei als die von Xavier und Ignatius17. Wie dem auch sei, alle Christen gestehen zu, dass die Wunder Jesu Christi und der Apostel von unbezweifelbarer Wahrheit sind, aber dass man mit aller Entschiedenheit an einigen Wundern zweifeln kann, die in letzter Zeit vollbracht wurden und nicht sicher belegt worden sind. Man wünschte beispielsweise, damit man ein Wunder gut belegen hätte können, dass die Akademie der Wissenschaften von Paris zugegen gewesen wäre oder die Royal Society von London und die medizinischen Fakultät, assistiert von einem Garderegiment, um die Volksmassen in Schach zu halten, die sonst durch ihre Indiskretion die Ausführung des Wunders hätten verhindern können. Man fragte eines Tages einen Aufklärer, was er sagen würde, wenn die Sonne anhielte, das heißt, wenn die Erde aufhörte, sich um diesen Stern zu drehen, wenn alle Toten wiederauferstünden und wenn sich alle Berge gemeinsam ins Meer stürzten, dies alles um irgendeine bedeutende Wahrheit zu beweisen wie etwa die der wechselhaften Gnade. „Was ich da sagen würde? antwortete der Aufklärer, ich machte mich zum Manichäer18 , ich würde sagen, es gebe ein Prinzip, das zerstört, was das andere aufgebaut hat“.


Vollmond-Sonnenfinsternis: bei Vollmond liegen sich, von der Erde aus gesehen, Sonne und Mond gegenüber, es kann also bei Vollmond nie eine Sonnenfinsternis, wohl aber eine Mondfinsternis geben (wenn der Mond so steht, dass er vom Erdschatten bedeckt wird).

2Anius, in der griechischen Religion Sohn von Apoll und Rhöo, der Tochter Bacchus‘. Anius hatte 3 Töchter Oeno, Spermo und Elais, denen von Bacchus die Gabe verliehen worden war, was auch immer in Wein, Weizen und Öl zu verwandeln – was Wunder, dass ihnen die Aufgabe zufiel, das griechische Heer vor Troja zu versorgen.

Athalide, Merkur, der Götterbote und Gott des Handels (= Hermes), soll seinen Sohn Aethalides befähigt haben, aus der Unterwelt immer wieder aufzutauchen, um für kurze Zeit bei den Menschen zu leben (nach Appolonius v. Rhodos, Die Argonauten, I,V.). Voltaire hat dieses Wunder an anderen Stellen auch so wiedergegeben, nur hier hat er ihn  zur Frau gemacht (aber fille und fils sind im Französischen nahe beieinander und Hermes und Hermaphrodit ebenfalls).

4Äskulap (Asklepios), griechischer Gott der Heilkunst, erweckte Hippolytos wieder zum Leben, den Poseidon an einem Fels zerschmettern lies.

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5Alceste, in der griechischen Religion starb sie, um Admetos, ihren Mann, zu retten. Herkules holte sie jedoch aus der Unterwelt zurück (s. Euripides Tragödie Alceste).

6Palladium, ist ein Schutzschild, mit der Abbildung der Göttin Pallas Athena versehen. Er soll angeblich auf die Stadt Troja herabgefallen sein und soll sie vor ihren Feinden geschützt haben.

7Berenike, ägyptische Königin (270 – 221 vuZ), opferte, ihrem Gelübde entsprechend, ihr prachtvolles Haar, als Ptolemaios III., ihr Mann, unversehrt aus dem Krieg zurückgekehrt war. Schon am Tag nach dem Opfer war das Haar aus dem Tempel verschwunden. Die Götter waren so entzückt von ihrem Opfer, dass sie daran die Sterne am Himmel aufhängten. Nach dieser Sage wurde das Sternbild ‚Haar der Berenike‘ benannt.

8Philemon und Baucis, in der griechischen Religion waren sie die Einzigen, die den inkognito reisenden Göttern Zeus und Hermes Gastfreundschaft gewährten – dafür wurden sie belohnt, indem ihre ärmliche Hütte in einen Tempel verwandelt wurde, zu dessen Priestern man sie auch gleich ernannte.

9Kopf des Orpheus, Orpheus, der Sänger, wurde in Stücke gerissen, Kopf mit Leier in einen Fluss geworfen, wo er nach der Sage weitersang, bis ihm, als er in Lesbos an Land gespült wurde, der Gott Apollo gebot, zu schweigen.

10die Mauern Thebens, Amphion, König von Theben, soll die Steine durch das Spiel seiner Leier dazu gebracht haben, sich zu den mächtigen Mauern des siebentorigen Thebens zusammenzufügen.

11Gervasius, Protasius, Zwillinge und Märtyrer zur Zeit Neros – erschienen am 17. Juni 386 dem heiligen Ambrosius von Mailand im Traum, um ihm die Grabstätte ihrer Gebeine zu weisen. Dieser benutzte diese ebenso zur Blindenheilung wie Vesapsian seinen Speichel. Man findet die Gebeine der Zwillinge heute angeblich in der Kirche San Ambrogio in Mailand, deren Schutzpatrone die beiden sind.

12Tod des Peregrinus, Lukian, Zitat übersetzt nach Lukian, Tod des Peregrinus, S.5 erschienen bei Ernst Heimeran München, 1925, 24. S (griechisch-dt). Peregrinus war eine äußerst dubiose Gestalt des Frühchristentums. Er verbrannte sich im Stadion zu Olympia selbst bei lebendigem Leib, um seine Anhängerschar zu beeindrucken. Nach etlichen Straftaten (unter anderem hatte er seinen Vater erdrosselt), hatte er sich christlichen Gemeinden angeschlossen und war eine Art christlicher Wanderprediger geworden. Dabei hatte er großen Erfolg und kam durch das Geld seiner Anhänger schnell zu Reichtum. Darauf bezieht sich das Zitat Voltaires aus dem Text Lukians. Lukian von Samosata (120 – ca. 200), war ein bedeutender griechischer Schriftsteller, der die Sitten seiner Zeit, besonders aber auch die Religion, kritisierte. ‚Über den Tod des Peregrinus‘ ist eines seiner ca 80 überlieferten Werke. Die Kirche ließ aus seinen Büchern – wo sie ihrer habhaft werden konnte – den Bericht über den Tod des Peregrinus herausschneiden, da sie sein Leben im Dienste des Christentums gerne verklärt hätte. Auf Deutsch ist die letzte Übersetzung 1925 erschienen.

13Polykarbus,  Heiliger (lebte um 100), Bischof von Smyrna – das heute Izmir heißt, starb den Märtyrertod um 150.

14Augustinus,  Heiliger: Vom Gottesstaat XXII, 8,566: „Ich würde antworten, dass sie nötig waren bevor die Welt glaubte, um zum Glauben zu führen.“

15 Eremit Paul, Paul der Eremit, genannt ‚von Theben‘ , Heiliger der ersten Stunde (von 229 bis 342!), verbrachte sein Leben in der Wüste – sein Leben beschrieb der heilige Hieronymus „Vie de Saint Paul Ermite“, das Werk kann man sich im Internet sogar bei jesusmarie.com herunterladen.

16Stylites, Heiliger (390 – 459), Simeon von Stylites war der Begründer eines Ordens von Säulenheiligen, also von Leuten, die sich zum Ziel setzen, es möglichst lange auf einer Säule lebend auszuhalten. Thédoret lebte von 393 – 460 in Syrien, war Kirchenhistoriker und hat das Leben des Simeon von Stylites beschrieben.

17Xavier, Ignatius, Francisco de Xavier (1506-1552), jesuitischer Missionar in Indien, Ignatius von Loyola (1491 – 1556), Gründer des Jesuitenordens.

18 Manichäer, eine Glaubenslehre die auf den den persischen Stifter Mani (216 – 276) zurückgeht und in Asien bis ins 14. Jahrhundert stark verbreitet war. In Europa wurden die manichäischen Glaubensgemeinschaften von der Kirche verfolgt und im 5. Jahrhundert endgültig zerstört. Der Manichäismus ist eine streng dualistisch angelegte Religion: dem Reich des Lichtes steht das Reich der Finsternis entgegen. Dieses zerstört, was jenes aufgebaut hat (-> guter Artikel in wikipedia.org ‚Manichäismus‘).


Préjuges – Vorurteile

Das Vorurteil ist eine Meinung ohne Urteil. So werden Kindern auf der ganzen Welt, bevor sie zu einem Urteil fähig wären, alle beliebigen Meinungen eingeflösst.
Es gibt universelle, notwendige und solche Vorurteile, die die Tugend selbst sind. In jedem Land bringt man den Kindern bei, Gott als Belohner und Bestrafenden zu ehren, Vater und Mutter zu lieben, Diebstahl als Verbrechen anzusehen, die absichtliche Lüge als böse –  und zwar bevor sie noch erraten können, was Laster und was Tugend wäre. 
Es gibt also sehr gute Vorurteile, nämlich diejenigen, die die Urteilskraft bestätigt, wenn man nachdenkt. Gefühle sind nicht einfach Vorurteile, sie sind etwas sehr viel stärkeres. Eine Mutter liebt ihren Sohn nicht deshalb, weil man ihr gesagt hätte, sie solle ihn lieben: sie hängt gegen ihren eigenen Willen an ihm. Man folgt nicht einem Vorurteil, wenn man einem Kind zu Hilfe eilt, das droht, in den Abgrund zu fallen, oder von einem wilden Tier gebissen zu werden. Aber es geschieht aus Vorurteil, wenn Sie einem gut gekleideten, würdig einher schreitenden und ebenso sprechenden  Mann mit Respekt begegnen. Ihre Eltern haben Sie gelehrt, dass Sie sich vor diesem Mann verneigen sollen – Sie respektieren ihn noch bevor Sie wissen, ob er Ihren Respekt verdient. Sie werden älter in Jahren und Erfahrung, Sie bemerken, dass dieser Mensch ein Scharlatan ist, voller Hochmut, Eigennutz und Arglist, Sie werden das, was Sie überprüft haben, gering schätzen und das Vorurteil weicht dem Urteil. Sie haben aus Vorurteil den Märchen geglaubt, mit denen man Ihre Kindheit ausgefüllt hat, man hat Ihnen erzählt, dass die Titanen gegen die Götter Krieg führten und Venus Adonis liebte, mit 12 haben Sie diese Märchen für Wahrheit genommen, mit 20 haben Sie sie für gut gemachte Allegorien angesehen.
Untersuchen wir ein wenig die Begriffe der verschiedenen Arten von Vorurteilen, um in unsere Angelegenheiten etwas Ordnung zu bringen. Es wird uns dabei vielleicht am Ende ergehen wie jenen, die zur Zeit der Lawschen Systeme1 bemerkten, dass sie mit eingebildeten Reichtümern gehandelt haben.

Vorurteil der Sinne
Ist es nicht eine komische Sache, dass, obwohl wir sehr gut sehen, uns unsere Augen laufend täuschen, während uns unsere Ohren nicht täuschen? Wenn Ihr richtig ausgerichtetes Ohr vernimmt: „Sie sind schön, ich liebe Sie“ ist es ziemlich gewiss, dass man nicht: „Ich hasse Sie, Sie sind hässlich“ zu Ihnen gesagt hat. Aber betrachten Sie die glatte Oberfläche eines Spiegels – man kann zeigen, dass Sie sich  täuschen, denn sie ist uneben. Sie sehen die Sonne mit ungefähr zwei Fuß Durchmesser, man kann zeigen, dass sie eine Million mal größer ist als die Erde. Es scheint, dass Gott die Wahrheit in unsere Ohren gelegt hat und die Täuschung in unsere Augen.

Studieren Sie jedoch die Gesetze der Optik, werden Sie erkennen, dass Gott 
sich nicht getäuscht hat und dass Ihnen die Gegenstände unmöglich anders als in ihrem gegenwärtigen Zustand erscheinen können.

Physikalische Vorurteile
Die Sonne geht auf, der Mond ebenfalls, die Erde bewegt sich nicht: da haben wir physikalische Vorurteile aus der Natur. Aber dass Krustentiere gut für das Blut sind, weil sie gekocht ebenso rot sind, dass der Zitteraal Lähmungen heilt, weil er zappelt, dass der Mond unsere Krankheiten beeinflusst, weil man eines Tages beobachtet hat, dass ein Kranker doppelt so hohes Fieber hatte, als der Mond abnahm: diese Vorurteile und tausend andere gehen auf Fehler von Scharlatanen in der Vergangenheit zurück, die urteilten ohne nachzudenken und die, selbst Getäuschte, Andere täuschten.

Historische Vorurteile
Die meisten Geschichten hat man ohne Überprüfung geglaubt und dieses Zutrauen war ein Vorurteil. Fabius Pictor2 erzählt, dass einige Jahrhunderte vor seiner Zeit eine Vestalin der Stadt Alba vergewaltigt wurde, als sie Wasser in ihren Krug schöpfen wollte und dann mit Romulus und Remus niederkam, die von einer Wölfin gesäugt wurden usw. Das römische Volk glaubte dieses Märchen, es untersuchte nicht, ob es zu diesem Zeitpunkt im Latium Vestalinnen gab, ob es glaubhaft ist, dass die Tochter eines Königs ihr Kloster mit einem Krug verließ, ob es wahrscheinlich war, dass eine Wölfin 2 Kinder, statt sie zu verspeisen, säugte. Das Vorurteil verfestigte sich.
Ein Mönch schrieb, dass Clovis, als er während der Schlacht von Tolbiac in große Gefahr geriet, schwur, Christ zu werden, wenn er heil herauskäme.3 Aber ist es normal, sich in einer derartigen Situation an einen fremden Gott zu wenden? Ist es nicht vielmehr so, dass die Religion, in die man geboren wurde, die größte Wirkung ausübt? Welcher Christ hätte sich in einer Schlacht gegen die Türken eher an Mohammed und nicht an die Jungfrau Maria gewandt? Es wird hinzugesetzt, dass, um Clovis zu salben, eine Taube in ihrem Schnabel die heilige Ampulle brachte und ein Engel das Lilienbanner trug, um ihn zu führen. Das Vorurteil glaubt alle derartigen Histörchen. Wer die menschliche Natur kennt, weiß sehr gut, dass der Besetzer Clovis ebenso wie die Besetzer Rolon oder Rol4  Christen wurden, um Christen besser beherrschen zu können, ebenso wie die türkischen Besatzer zum Islam konvertierten, um Moslems besser zu regieren.

Religiöse Vorurteile
Wenn Ihnen Ihre Amme erzählt hat, dass Ceres dem Getreide befiehlt, oder dass  Vichnu und Xaca mehrere Male zu Menschen wurden, oder dass Sammonocodom einen ganzen Wald abholzen kann, oder dass Odin Sie in seiner Halle zu Jütland erwartet5, oder dass Mohammed oder irgend ein anderer eine Reise in den Himmel getan hat, wenn schließlich Ihr Erzieher das einmeißelt, was Ihre Amme in Ihr Hirn eingravierte, werden Sie Ihr ganzes Leben daran tragen. Fall sich Ihr Urteilsvermögen gegen diese Vorurteile erheben wollte, werden Ihre Nachbarn, vor allem Ihre Nachbarn, Gotteslästerung schreien und sich fürchten. Euer Derwisch, in voller Angst, sein Einkommen zu verlieren, zeigt Sie bei Gericht an und der Richter wird Sie pfählen lassen, wenn er kann. Denn er will Dummköpfe regieren und glaubt, dass Dummköpfe besser gehorchen als andere. Und das wird so lange dauern, bis Ihre Nachbarn, oder der Derwisch und der Richter zu verstehen beginnen, dass die Dummheit zu nichts führt und dass der Verfolgungswahn verabscheuenswert ist. 


1 – Lawsches System,  der Schotte John Law (1671-1729), Ökonom, Bankier, kam unter der Regentschaft Phillippe d’Orléans ab 1715 zu Einfluss. Er  gab mit staatlicher Genehmigung Banknoten und Anteilsscheine auf seine Bank aus, die in barer Münze bezahlt werden mussten, als Sicherheit dienten Goldreserven und Staatsgarantien. Doch verbreitete sich nach anfänglich großem Erfolg das Gerücht mangelnder Deckung und als die Aktionäre in Panik 1720 ihre Banknoten und Aktientitel einlösen wollten, brach das Lawsche System zusammen und riss zahlreiche Teilhaber in den Ruin, einige im Verlauf der ausbrechenden Unruhen auch in den Tod. Voltaire war es gelungen, seine Anteile rechtzeitig abzustoßen..

2 – Fabius Pictor, Quintus Fabius Pictor, römischer Historiker (254 – 201 vuZ), schrieb die Annalen Roms, die wohl auch den bekannten Mythos von der Gründung Roms enthielten. 

3 – Clovis I. (dt. ‚Chlodwig I.‘, 466 – 511), erster christlicher König Frankreichs, besiegte 496 in der Schlacht bei Tolbiac (heute Zülpich) im Süden Kölns ein alemannisches Heer. Nach dem Sieg bekehrte sich Clovis zum Christentum.

4 – Rolon/Rol – Rollo (860 – 932), bedeutender Anführer der Wikinger, fiel 911 in Nordfrankreich ein und bekehrte sich zum Christentum, um die Herrschaft über die Grafschaft Rouen und das umgebende Gebiet, etwa mit der heutigen Normandie identisch, zu erlangen.

5 – Ceres, römische Göttin des Getreides, der Kultur überhaupt – nach ihr heißen Feldfrüchte ‚Cerealien‘; Vichnu, im Hinduismus Gott der Erhaltung; Xaca, Sammonocolus (Samano Khodom) Synonyme für Buddha; Odin (=Wotan), germanischer Hauptgott