Sellières

Voltaire in Sellières

Sellières gehört zur Ortschaft Romilly sur Seine bei Troyes.
Die Abtei von Sellières (früher Abbaye de Scellières) war zwar ein richtiges Kloster, aber auch ein hübscher Landsitz des Neffen Voltaires, des weltlich eingestellten Abbé Mignot, der im Kloster Wohnrecht besaß, weil sein Pfarrhaus zerfallen und unbewohnbar war.

In der Kapelle dieser Abtei ist Voltaire am 2. Juni 1778, 3 Tage nach seinem Tod, gegen den ausdrücklichen Willen des Bischofs von Troyes (siehe seinen Brief) bestattet worden. Sein Leichnam war einbalsamiert und  heimlich in einer sechsspännigen Kutsche aus Paris hierher geschafft worden, um ihn dem Zugriff des Klerus zu entziehen, der ihn auf dem Weg nach Ferney vermutete, abfangen und auf den Schindanger werfen lassen wollte.

13 Jahre später, im Jahr 2 nach der Großen Revolution (1791), wird der Leichnam Voltaires per Dekret der Assemblée Constituante am 10. Mai exhumiert, bis zum 5. Juli in die Kirche zu Romilly gebracht und anschließend in einem beispiellosen Triumphzug nach Paris gefahren, um dort am 10. Juli 1791 in der Krypta der Kirche Sainte-Geneviève (von der Revolution in “Panthéon” umbenannt) erneut in einem Ehrengrab beigesetzt zu werden.

Tausende nutzen das Begräbnis zu einer letzten Ehrung Voltaires.

Sellières, heimliches Begräbnis

Grundmauern der Abtei, rechts die Grabplatte

Die restaurierte Grabplatte, unter der man 1778 den Sarg mit Voltaires Leichnam verborgen hatte, wird heute im Haupthaus der ehemaligen Abtei, das sich jetzt in Privatbesitz befindet, noch aufbewahrt. Sonst erinnert hier nichts mehr an Voltaire, die Kapelle ist längst bis auf einige unter dichtem Gras versteckte Grundmauern verschwunden.

Zahlreiche Legenden bearbeiten die Frage, was mit den Gebeinen Voltaires "wirklich" geschehen ist. Die einen behaupten, man habe sie aus dem Panthéon entfernt, andere wollen wissen, dass man aus Sellières das falsche Skelett nach Paris geschafft hätte und 1926, als man bei Umbauarbeiten im Haupthaus der ehemaligen Abtei ein hinter einer Mauer verborgenes Skelett fand, war die Aufregung groß und die Vermutung, es sei das wirkliche Skelett Voltaires, schnell bei der Hand. Bei der Untersuchung des Schädels fand man jedoch keine Spuren der anatomischen Arbeiten, die nach seinem Tod zur Entfernung des Gehirns vorgenommen worden waren.

2. Juni 1778
Beerdigung Voltaires in der Abtei von Sellières. Der Versuch des Bischofs von Troyes, das Begräbnis zu verhindern war vergeblich, Mignot und der Prior des Klosters Sellières waren schneller. Als sie der Drohbrief des Bischofs erreichte, war Voltaire bereits ganz offiziell - in geweihter Erde - beerdigt, da war nichts mehr zu machen...

3. Juni 1778
Aus der Antwort des Priors an den Bischof ergibt sich ein genaues Bild vom Ablauf der Beerdigung.

13. Mai 1791
Der Leichnam Voltaires wird per Dekret der Assemblée Constituante am 10. Mai exhumiert, bis zum 5. Juli in die Kirche zu Romilly gebracht und anschließend in einem beispiellosen Triumphzug nach Paris gefahren, um dort am 10. Juli 1791 im Panthéon begraben zu werden. 

Die letzten Wochen im Leben Voltaires schildert ausführlich diese Veröffentlichung.

Sellières, ein Besuch im Jahr 2006

 

Wer heute Sellières besucht, fährt über Troyes nach Romilly, einem kleinen Städtchen auf dem Weg nach Paris, in dessen Gemarkung Sellières liegt. 
Auf normalen Landkarten ist Sellières nicht zu finden, handelt es sich doch um ein mitten im Wald gelegenes einzelnes Anwesen, dessen Klosterdasein heute nur noch Geschichte ist. 
Doch fragen hilft immer: "Le Chateau de Sellières?" Und ein Weg, scheinbar für Holzfäller und in die Wildnis führend, wird einem als Zugang gezeigt. Dort steht:"Privateigentum, Jagd, Zufahrt verboten. Privatweg".
Nach ungefähr 2 km Fußmarsch durch einen lichten Wald gelangt man an ein mit Efeu bewachsenes Haus, malerisch an einem kleinen Teich gelegen. Hier steht eine vom Besitzer selbst gestaltete Voltaire-Statue, die einzige in Romilly.

 

Das Chateau Sellières selbst erreicht man über einen kleinen Waldweg gleich hinter dem Efeu-Haus, es präsentiert sich zunächst bescheiden, erst von nahem erweist es sich als großes, ansehnliches Gebäude mit einer wunderschönen, parkähnlichen Umgebung.Es befindet sich in Privatbesitz und ist der Öffentlichkeit normalerweise nicht zugänglich, jedoch sind die Besitzer freundlich und zeigen einem gerne die hier aufbewahrte Grabplatte. Einmal im Jahr wird außerdem ein Tag der offenen Tür veranstaltet.

 

 

Ein Besuch in Romilly selbst lohnt sich nicht unbedingt. Dort steht zwar die Kirche, in der man die Exhumierung von Voltaires Leichnam zelebrierte, im Zustand dauernder Renovierung, Nichts erinnert hier an Voltaire.

Die Vereinigung der Heimatfreunde von Romilly hat eine sehenswerte Ausstellung zum Thema Voltaire und Sellières organisiert, wobei das Begleitheft zur Ausstellung leider in der Versenkung verschwunden ist. Nicht einmal die öffentliche Stadtbibliothek in Romilly verfügt über ein Exemplar. Aus Troyes, wo die Ausstellung wiederholt wurde, war schliesslich eine Antwort zu erhalten.

Nicht weit vom Kirchplatz findet man eine antifaschistische Gedenkstätte am ehemaligen Gestapo Hauptquartier, wie man sie wahrscheinlich in ganz Deutschland vergeblich suchen müsste (dies zum Thema "gelebter" versus  "verordneter" Antifaschismus).

Übersetzung:
- (oben links)  In diesem Gebäude, Sitz der Gestapo von 1940 - 1944 wurden Widerstandskämpfer und Patrioten gefoltert,
  feige hingerichtet (es folgen die Namen der Opfer)
- (unten links): 22.8.1944   22.8.1994 50 Jahre danach Romilly erinnert sich
- (unten Mitte): 1945  -   2005.  60. Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager und des Sieges über den Nazismus. 
  Zum Gedenken an die Erschossenen, Deportierten, Internierten und Widerstandskämpfer die für Frankreich gestorben sind. 
  Die Stadt Romilly vergisst nicht.
- (oben rechts): Ehre den Deportierten, die in den Konzentrationslagern der Nazis gestorben sind 1940 - 1945. Es folgen die Namen
- (unten rechts): 1945 -  1995. Befreiung der Nazi-Deportationslager. Die Stadt Romilly ehrt Ihre Märtyrer.

Ein sehr hübsches Hotel findet man in Romilly, das Hotel de Nicey, mit sehr freundlicher Leitung, hier erhält man auch alle nötigen Auskünfte zu Sellières.