Genf, 1993
Tariq Ramadan, Professor (!), angeblich Voltaire zugeneigt, stellt sich gerne als liberaler Moslem dar, fordert aber, wenn es um die Meinungsfreiheit geht, immer Verständnis für die Position der Islamisten. Er ist also so etwas wie ein grüner Minister, der ’schon immer gegen Atomkraft‘ war, aber die Laufzeit der Atomkraftwerke auf 15 Jahre verlängert. Schade, daß es das Buch von Caroline Furest ‚Frère Tariq‘ über die Affäre Mahomet nicht auf Deutsch gibt. Sonst hätte. die Tageszeitung ‚junge Welt‘ eventuell darauf verzichtet, T.Ramadan (9.7.2011) als Fachmann für ’soziale Fragen‘ zu präsentieren?
Die Genfer Affäre Mahomet
Wie Grüne und Islamisten eine Aufführung des Theaterstücks Voltaires Le fanatisme ou Mahomet le Prophète verhindern konnten. Eine Chronik.
Im Frühjahr 1993 begann der Genfer Regisseur Hervé Loichemol mit Vorbereitungen zur Aufführung von Voltaires Tragödie Le Fanatisme ou Mahomet le Prophète im Rahmen der Feiern zum 300. Geburtstag Voltaires. Der grüne Verwaltungsrat und Kulturminister des Kantons Genf, Alain Vaissade, im übrigen ein Lehrer des sogenannten Islamwissenschaftlers Tariq Ramadan, sprach sich als einer der ersten gegen das Theaterstück aus:
„Selbst wenn Voltaire hier die Klinge mit dem Katholizismus kreuzt, stellt ‚Mahomet ou le fanatisme’ die Moslems doch als blutrünstige Leute dar. Das Stück ist geeignet, religiöse Gefühle zu verletzen. Als Politiker ist es nicht unsere Funktion, Konflikte anzuheizen, sondern dafür zu sorgen, dass sich Gegensätze verringern“.
Tribune de Genève, 28.9.1993
Vaissade sprach sich also dafür aus, die Aufführung des Stücks fallen zu lassen, denn er wußte sehr wohl, dass ohne die Unterstützung der Sadt Genf eine Aufführung im französischen Ferney, mit der zusammen man die 300 Jahrfeier organisiert hatte, unmöglich war. Als Zensor wollte er aber nicht gelten, Loichemol könne sich ja an private Sponsoren wenden. Weniger schüchtern war da der Bürgermeister von Ferney-Voltaire selbst, einer französischen Kleinstadt in unmittelbarer Nähe von Genf, die Voltaire so viel verdankt: „Wenn wir Mahomet in Ferney verbieten müssen, dann nicht, um zu zensieren, sondern aus politischen Gründen und wegen der Sicherheit“.
Loichemol wehrte sich: „Man kann nicht Voltaire feiern und gleichzeitig eines seiner Stücke verbieten, das wäre ein Widerspruch in sich“. Dies war auch der Moment für Tariq Ramadan, der bereits am 25.9.1993 in der Tribune de Genève seine Giftspritzen platziert hatte. Dabei forderte er nicht, das Stück als gotteslästerlich zu zensieren, er konzentrierte sich darauf, jene moralisch in Misskredit zu bringen, die das Stück trotz der Proteste aufführen wollten: „In diesem Augenblick werden die Moslems Bosniens zu neuen Feindbildern erklärt. Man kann Mahomet nicht aufführen und von diesem explosiven Kontext absehen.“ Zweitens lässt er den Rassismusknüppel ein wenig tanzen, indem er Kritik am Islam als Vorstufe zum Aufruf zum Pogrom an einer kleinen religiösen Minderheit stilisiert. So intervenieren er und seine Freunde gegenüber der Stadtverwaltung mit dem Argument, dass man nicht „im Namen der Meinungsfreiheit eine Gemeinschaft verletzen dürfe, die so das Gefühl bekomme, nicht erwünscht zu sein“.
Am 27. September wendet sich Ramadan an die Kulturamtsleiterin der Stadt, Erica Deuber-Pauli, Ehefrau von Jean Ziegler und Mitglied der kommunistischen Partei der Schweiz. Er gibt sich erstaunt über den Verlauf der Ereignisse. Am Tag darauf erscheint ein Kommuniqué des Stadtrats, in dem sich dieser negativ zur Aufführung Mahomets äußert; die Entscheidung will man aber erst im November treffen, wohl um Zeit zu gewinnen.
Ramadan nutzt die Zeit, um eine Medienkampagne zu starten, Loichemol sieht sich als ‚islamophob’ an den Pranger gestellt, organisiert aber für den 3.Oktober eine öffentliche Versammlung im Theatre le Poche (‚Taschentheater’) zu der Tariq Ramadan erscheint, umgeben von einem Dutzend kopftuchbedeckter Mädchen, die Flugblätter mit einem offenen Brief Ramadans an Loichemol verteilen, in dem er diesen auffordert, das Stück nicht aufzuführen und Moslems nicht zu beleidigen: „Sie nennen das Zensur, ich sehe darin Feingefühl“.
Diesen Brief ließ er dann am 7.10.1993 wiederum in der Tribune de Genève erscheinen:
„Alle ihre intellektuellen und literarischen Rechtfertigungen, so ernsthaft sie auch sein mögen ( und die jede für sich diskutierenswert sind), werden doch zusammen genommen durch ihre Konsequenzen ausgehöhlt: weil, was von all dem übrigbleibt, das Bild vom blutrünstigen Mahomet ist, unduldsam, eifersüchtig, heuchlerisch, fanatisch, ein „Falscher Prophet“, wie Voltaire in seiner Widmung an Papst Benedikt XIV schrieb. Und sie können nicht verhindern, dass dieses Bild die Herzen und das Bewusstsein von Muslimen mit Gewalt trifft, die heute Teil Europas sind und für die Mohammed Weg und Horizont ihrer Identität und ihres Glaubens darstellt. Kann ein Künstler, ein Regisseur den brutalen Charakter leugnen, den sein Tun annehmen kann? Ist es nicht besser, wenn man angesichts heiliger und persönlicher Räume manchmal Stillschweigen bewahrt?
Es mag sein, dass das Stück keinerlei Demonstration noch irgendwelche sichtbaren Unruhen auslöst, aber seien sie versichert, dass die gefühlsmäßigen Konsequenzen durchaus real sein werden: es wird ein weiterer Stein auf dem Gebäude des Hasses und der Ablehnung sein, in dem die Muslime sich eingesperrt fühlen“.
Während der Veranstaltung versuchte Loichemol Ramadan zu einer Stellungnahme zur Bedrohung Salman Rushdies zu bewegen, drei Mal stellte er ihm die Frage: „Herr Ramadan, ich würde gerne ihre Position zur Rushdy-Affaire erfahren“. Drei Mal wich Ramadan aus und beantwortete die Frage nicht.
Auch Erica Deuber-Pauli war im Theater anwesend und gab an, die finanzielle Unterstützung des Mahomet-Projekts sei nun nicht mehr gesichert, sondern werde gegenwärtig „geprüft“. Angesichts solcher Erfolge trommelten Ramadan und seine Freunde weiter.
Am 14.10.1993 schreibt Hanif Ouardini, Sprecher der Genfer Moschee, im Journal de Genève:
„Jene, die behaupten, den Fanatismus im Namen der freien Meinungsäußerung zu bekämpfen tun nichts anderes als ihn in einer friedlichen und ungeliebten muslimischen Bevölkerung anzufachen und zu radikalisieren. Ist dies nicht eine andere Art von niederträchtigem und heimtückischem Fanatismus? Ich bin mir sicher, dass Voltaire heute nein zu einer derartigen Aufführung sagen würde, denn, wenn man den Ereignissen in Europa Rechnung trägt, wäre er auf Seiten der Unterdrückten, das heißt auf Seiten der Moslems Europas. Diese Aufführung kann für uns nicht anders als tragisch sein, weil sie unglücklicherweise Haß hervorrufen kann und wir wieder nichts dagegen unternehmen können. Sollten uns doch die vorhergehenden Affären lehren, dass die freie Meinungsäußerung im Dienste der Liebe zwischen den Menschen stehen sollte.“
Der grüne Kulturminister des Kantons, Alain Vaissade, entschied dann ganz im Sinne eines mittelalterlichen Burgfriedens, dem Mahometprojekt die finanziellen Mittel zu verweigern, weil er, wie er meinte, ‘gewisse Rücksichten beachten“ müsse.
Innerhalb von wenigen Tagen erreichte also Ramadan den Rückzug der Stadt. Heute behauptet er, dabei überhaupt keine Rolle gespielt zu haben. Henry Loichemol , erschöpft und enttäuscht von so viel Lügen und Diffamierungen, verließ die Schweiz. Leider muss man ihm vorwerfen, dass er verzichtete und sich dann dazu hergab, ein anderes Voltairestück aufzuführen (da war das Théatre le Poche konsequenter, es nahm nämlich an den Voltaire-Feierlichkeiten überhaupt nicht mehr teil). Aber wie ein Alptraum suchte ihn die Sache 13 Jahre später wieder heim: Am 8 12. 2005, als die kleine Stadt Saint-Genis-Pouilly ihn bat, eine öffentliche Lesung des Mahomet zu veranstalten, intervenierte sofort Hafid Ouardi, indem er dem dortigen Bürgermeister einen Beschwerdebrief schrieb.
Hervé Loichemol war wieder bereit zu verzichten: „Ich möchte die Ereignisse von vor 10 Jahren nicht noch einmal erleben, ich lasse das Projekt fallen“. Aber dieses Mal stärkten der Bürgermeister von Saint-Genis-Pouilly und der Präfekt seinen Mut, sie versprachen ihm sogar Polizeischutz und baten ihn, durchzuhalten. Am Tag der Vorstellung des Projekts, am Vorabend der Lesung – es waren 30 bis 40 Leute anwesend – tauchte Hafid Ouardi auf, um seine Show abzuziehen. Er behauptete, ganz nach dem Vorbild Ramadans, nie ein Verbot der Veranstaltung gefordert zu haben. Der Bürgermeister zeigte aber Ouardis eigenhändig geschriebenen Brief, der das Gegenteil bewies. Die Veranstaltung fand statt.
Quellen:
o Nach einem Artikel von Caroline Fourest in: http://carolinefourest.wordpress.com/2007/02/01/tariq-ramadan-et-la-censure-de-voltaire/
o Pierre Frantz, Le fantôme de Mahomet, in: Les Cahiers Voltaire, 2, Ferney-Voltaire:Centre international d’ étude du XVIIIe siècle, 2003, S. 153 – 158
o Hier noch die wenig befriedigende Antwort Jean Zieglers auf die in der Zeitschrift Charlie Hebdo publizierten Vorwürfe v. Caroline Fourest, er habe bei der Unterdrückung des Theaterstücks in Genf mitgewirkt: „Das Projekt, Mahomet im Rahmen der 300 Jahrfeier des Geburtstags Voltaires im Jahr 1994 aufzuführen, war an den Bürgermeister von Ferney-Voltaire herangetragen und aus budgetairen Gründen sofort abgelehnt worden. Die Stadt Genf sah sich nicht in der Lage, die französische Stadt zu unterstützen und befasste sich daher mit der Sache nicht weiter. Charlie-Hebdo müsste seinen Lesern erklären, wie es einer Kulturamtsdirektorin der Stadt Genf möglich sein sollte, die Aufführung eines Theaterstücks auf dem Territorium der französischen Republik untersagen zu lassen.“