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Prof. Dr. Gyula Racz - Studentenprojekt Kirchenmusikakademie Regensburg - 2001

Candide - eine Zeitreise: nach Voltaire und L. Bernstein

Inhalt: Entstehung| Bernstein's Candide| Leonard Bernstein| Gattung Candide| Musiktheater| Dokumentation|

Gattungen des Musiktheaters

OPER    OPERNGESCHICHTE    OPERETTE    SINGSPIEL    MUSICAL   

Oper

Der Begriff Oper leitet sich ab aus dem italienischen Wort opera (Pl. opere, "Werk", zu lat. opus, Pl. opera). 

Zunächst benutzte man diesem Begriff im 16. und frühen 17. Jahrhundert für verschiedene Formen von geschriebenen und improvisierten Stücken, während für die musikalisch-dramatischen Werke bis weit ins 18. Jahrhundert hinein der allgemeingültige Begriff Dramma per musica in Italien, Tragédie lyrique in Frankreich und Singspiel in Deutschland verwendet wurde. Oper festigte sich als fester Terminus erst im Verlauf des 18. Jh.

Um den Begriff Oper mit seinen verschiedenen Operngattungen, die sich im Laufe der Zeit im italienisch-, französisch-, deutsch-, und englischsprachigen Raum entwickeln, zu bestimmen, genügt es nicht zu sagen, Oper sei einfach eine Verbindung von Bühnendichtung mit Musik. Eine Oper kommt erst zustande, wenn die Musik eigene Mittel zum Ausdruck der Rede und Gebärde im szenischen Dialog und Monolog einsetzt und so die dramatische Aktion verdeutlicht. Drama und Musik müssen sich in einer dialektischen Spannung befinden. 

Die Entwicklung der Oper - ein kurzer geschichtlicher Überblick 

Die Geschichte der Oper begann, als die Monodie der Florentiner Camerata, der Stile recitativo, auf längere Bühnenstücke übertragen wurde. Die rezitativische Vortragsweise der Dialoge und Monologe der handelnden Personen verdichtet sich hier mittels affektischer Ausdrucksfiguren in Melodie und Harmonie zum bühnenmäßigen Darstellungsstil (Stile rappresentativo). Monteverdi hatte hier den ersten großen Erfolg. Die stärksten Impulse der italienischen Opernpflege gingen dann im 17. Jh. von Rom und Venedig, im 18. Jh. von Neapel aus. Es wurden Stoffe aus der Mythologie, den antiken Heldensagen und der griechischen und römischen Geschichte verarbeitet. Die bedeutendste Neuerung, ausgehend von Neapel, war die opera buffa (komische Oper), die auf die Stegreifkomödie zurückgeht, Stoffe und Handlungen aus dem Leben des Alltags enthält und gelegentlich die herkömmliche Oper (opera seria = ernste Oper) parodiert. Die italienische Oper drang im 17. und 18. Jh. in fast alle europäischen Länder vor, in einem Umkreis von Spanien, Portugal bis nach Rußland.

Nach der Einführung der italienischen Oper am Pariser Hof in den 40er Jahren des 17. Jh. entstand die Französische Oper (Tragédie lyrique), geprägt vor allem von Lully und Rameau, weiter entstand in Annäherung an die italienisiche Oper das Opéra-ballet, und im 18 Jh. auch eine eigene französische komische Oper (opéra comique). 

In England näherte man sich der Oper im 17. Jh. sehr behutsam. Zwar hielt hier ebenfalls der italienische Stile rappresentativo Einzug, aber der Begriff The English Opera stand für eine freie Verbindung zwischen gesprochenem Drama und Musik. Erst gegen Ende des 17. Jh. ist der Anschluß an die Opern des Festlandes, vor allem durch Purcell und Händel, erreicht. Mit Stücken, die die Opern nach italienischem Vorbild verspotten, entsteht in Engand die Ballad opera. Auch Ansätze zu einer englischen komischen Oper entwickeln sich, es kommt aber nicht zu einem der Opera buffa oder der Opéra-comique gleichrangigen Gebilde.

In Deutschland steht im 17. und 18. Jh. die ernste italienische Oper im Vordergrund. Die Versuche in der 2. Hälfte des 17. Jh. zu einer durchkomponierten deutschen Oper zu gelangen, blieben in örtlichen Versuchen stecken. Dagegen hatte das inzwischen aufkommende deutsche Singspiel mehr Erfolg. Ohne Gluck und Mozart bliebe die Geschichte der Oper in Deutschland bis 1800 blaß. Gluck verband die die Opera seria und die Tragédie lyrique in glücklicher Weise miteinander, Mozart hat die Mittel der Seria, Buffa, Comique und des deutschen Singspiels verwendet.

Im 19. Jh. geht die Entwicklung weiter hin zur Großen Oper, deren Mittelpunkt Paris war. 

Das erste große Werk der deutschen Operngeschichte des 19.Jh. ist Beethovens Fidelio. Als romantische Opern können die Werke Webers bezeichnet werden. Ansonsten ist dieser Begriff problematisch, da sich die deutschen romantischen Musiker nicht als Opernkomponisten durchsetzten konnten. Andere Werke orientieren sich an der französischen Oper dieser Zeit, der französischen Comique und der italienischen Buffa. Als Schöpfer der Symphonischen Oper gilt Wagner, der die deutsche Oper auch zu Beginn des 20. Jh. stark beeinflusste. Eine Sicherung gegen diese Einflüsse boten die komische, volkstümliche und die Märchenoper.

Die Hauptströmungen der französischen Oper am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jh. begegnen sich mit dem Naturalismus und Symbolismus in der französischen Literatur. Als Gegenpol zu Wagner entwickeln sich vor allem die musikdramatischen Werke Debussys und Ravels. 

In Italien kann einerseits von einer Befreundung mit dem Musikdrama Wagners gesprochen werden, andererseits gibt es aber auch hier Gegenströmungen. 

Auch in England gab es Ansätze zu einer romantischen Oper, ebenso wurde die Tradition der dortigen komischen Oper fortgeführt.

In der Neuen Welt war im 18. Jh. hauptsächlich die englische Ballad Opera verbreitet. Im Laufe des 19. Jh fand in den USA die Oper aus fast allen europäischen Ländern Aufnahme und Pflege und auch eine amerikanische Oper entstand.

Etwa seit 1920 scheint die Oper als musikalische Gattung in Frage gestellt. Es geht dabei um den Zweifel an der stiltragenden Kraft und gesellschaftlichen Gebundenheit dieser Gattung. Dies bezeichnet die Situation bis zur Gegenwart. Vieles, was unter dem Namen Oper in Erscheinung tritt, führt nicht geradlinig irgendeine Tradition fort, sondern macht nach freier künstlerischer Wahl Anleihen bei benachbarten Gattungen wie Ballett, Oratorium, Kantate, beim Schaustück mit Musik usw. Für diese Situation bietet sich eine neue Bezeichnung an , die sich fast schon eingebürgert hat, das Musiktheater.

Operette

Der Begriff Operette ein Diminutiv von Oper und bezeichnet ursprünglich ein musikalisches Bühnenwerk von kürzerer Dauer, in dem gesungene oder instrumental vorgetragene Musiknummern mit gesprochenen Dialog- oder Monologpassagen abwechseln. 

Das Auftreten des Begriffs häuft sich ab der Mitte des 18. Jh., seine Verwendung ist aber stets unscharf, meist mit den Begriffen Singspiel, Komisches Singspiel, Komische Oper oder Komische Operette einhergehend. 

Die Entwicklung der Art von Bühnenstücken, die heute Operetten genannt werden, nahm ihren Ausgang um die Mitte des 19. Jh. in Paris (Offenbach) und war in der 2. Hälfte des 19. Jh. besonders dort und in Wien (Joh. Strauß [Sohn]) beheimatet. Vor dem ersten Weltkrieg erlebte sie auch eine Blüte in Berlin (P. Lincke). Es sind Bühnenstücke vorwiegend heiteren Charakters mit gesprochenem Dialog, Gesang und Einlagen von aktuellen Tänzen (z.B. Cancan, Walzer , Polka, Marsch usw.) an den Höhepunkten der Szenenfolge. Wichtig auch für dieses Genre ist die Übereinstimmung von Text und Musik.  Das amerikanische Musiktheater am Ende des 19. Jh. war geprägt von importierten Werken. Starken Einfluß hatten die z.B. die englische Comic Opera (später: Musical comedy), eine Abart der englischen Operette, und die Wiener Operette. Seit den 1920er Jahren entwickelte sich in Amerika eine neue Strömung, aus der das Musical hervorging. 

Von einer lebendigen Fortsetzung der klassischen Operettentradition durch neue Kompositionen während und nach dem zweiten Weltkrieg kann bis auf wenige Ausnahmen nicht gesprochen werden. Filmusik, Musical und Revue traten an deren Stelle.

Als historische Vorläufer der klassischen Operette können folgende Formen genannt werden. 

a) The English Ballad Opera

Stücke mit stark satirisch-parodistischem Charakter gegenüber der großen heroischen Oper oder populären Opern der Zeit 

b) das deutsche Singspiel

Diese schöpften ihre Anregungen aus der English Ballad Opera und vor allem aus französichen Traditionen. Als ein Charakteristikum läßt sich die Verwendung von musikalischen Unterhaltungsstücken ansehen.

c) Vaudeville, Opéra comique

Vaudeville (eigentl.: Straßenlied) wurden die von italienischen Komödianten in die Stegreifstücke eingebauten populären Lieder, dann auch die Stücke selbst genannt. Sie führten zur Opéra comique

d) Tradition des Wiener Volkstheathers

Diese Stücke sind gekennzeichnet von gemütlich-heiterem, leicht sentimentalen Charakter, wie er auch in Folge für die Wiener Operette bezeichnend bleiben sollte.

Singspiel

Singspiel ist ein gesprochenes, meist heiteres Theaterstück mit musikalischen Einlagen (vor allem Lieder, aber auch mehrstimmige Sätze und Tänze). Es verwendet im Unterschied zur Oper die vorhandene und meist sehr volkstümliche Musik der Zeit.

Bereits seit dem 15. Jh. gibt es in Spanien die verschiedenartigsten ernsten und heiteren, dichterischen und volkstümlichen singspielartigen Stücke, ebenso in Italien seit dem 16. Jh. In England wurde eine Art Singspiel gepflegt, woraus die englische Ballad opera hervorging, in Frankreich legten italienische Stegreifkomödianten den Grund für die spätere Opéra comique, die wiederum für das deutsche Singspiel vorbildlich wurde. In Deutscheland taucht der Begriff Ende des 16. Jh. auf  als Bezeichnung für volkstümlich-komische Dramen mit Musikeinlagen. Doch schon im 17. Jh. werden auch Übersetzungen italienischer oder französicher Opern mit Singspiel bezeichnet, gelegentlich auch deutsche Opern. Singspiel wird also zum Synonym für Oper.

Das eigentliche deutsche Singspiel ist eine Unterhaltungsform, die in der zweiten Hälfte des 18. Jh. als das vom Bürgertum getragene Gegenstück zur höfischen Oper entwickelt wurde. Es ist eine deutsche Erscheinung, die natürlich ohne ausländische Einflüsse nicht denkbar ist. Sowohl die englische Ballad Opera als auch die französische Opéra comique waren entscheidend an der Ausprägung des deutschen Singspiels beteiligt. 

Zentrum des Singspiels war zunächst Leipzig, bis eine Neubelebung durch das im Jahr 1778 ins Leben gerufene Wiener Nationalsingspiel erfolgte. Mozart war es, der hier dem Singspiel die entscheidende musikalische Dimension hinzugewann. Er befreite das Genre aus der engen Bindung an das gesprochene Schauspiel und begründete somit ein musikalisch-dramatisches Werkganzes. Einflüsse der italienischen Opera buffa werden hier deutlich. Nach Mozart führte die Entwicklung des deutschen Singspiels unmittelbar zur romantischen Oper Webers sowie zu den wieder mehr dem Schauspiel zugeneigenden Stücken des Wiener Volkstheaters und endlich zur Wiener Operette.

Musical

Musical, Kurzform von engl. musical comedy oder musical play, ist die heute international gebräuchliche Bezeichnung für eine amerikanische Gattung des musikalischen Unterhaltungstheaters. Es bezeichnet ein meist in zwei Akte geteiltes, reich ausgestattetes Bühnenstück mit gesprochenem Dialog, Gesang (Songs, Ensemble, Chöre) und Tanz, das frei von jeder Schematik der Handlung und Besetzung ist. Das heutige amerikanische Musical, ein auf Serienaufführungen gerichtetes, typisches Produkt der Theater am Broadway in New York, verwendet oft auf die Gegenwart bezogene, vorwiegend heitere Sujets. In neuerer Zeit werden häufig Stoffe der Weltliteratur (Romane, Schauspiele) sowie zeitgenössische dramatische und epische Werke herangezogen.

Die Entwicklung des Genres Musical hat sich vornehmlich in diesem Jahrhundert vollzogen. Es lassen sich heute zwei Hauptlinien unterscheiden, die zu dieser Entwicklung beigetragen haben. Zum einen die "europäische" Linie, beginnend mit Werken von Komponisten, die aus der englischen und mitteleuropäischen Operettentradition kamen. Eine "amerikanische" Linie des Musicals läßt sich feststellen aufgrund einer Vielzahl von Formen, die im 19. und frühen 20 Jh. innerhalb des amerikanischen Unterhaltungstheaters vorkommen und die alle in irgendeiner Weise Gesang, Tanz, Sketche und Dialog aufweisen: die minstrel show (Nachahmung negerischen Musizierens [Lieder, Tänze] durch Weiße), das amerikanische Vaudeville (zunächst auch variety genannt), die Pantomime, die extravaganza (hier werden Spektakel und Bühneneffekte in den Vordergrund gestellt), die burlesque (ein Literatur oder bekannte Persönlichkeiten parodierendes Genre) oder die Revue (enstanden in Paris - aufwendiges, effektvoll ausgestattetes Unterhaltungsstück ohne eigentlichen dramatischen Zusammenhang, das in einer Folge von Bildern aktuelle Zeitereignisse kritisch-satirisch "Revue passieren" läßt). 

Die weitere Entwicklung dieser amerikanischen Linie führte zu den Musical comedys. Werke dieser Richtung haben meist ausgesprochen amerikanische, oft großstädtische Sujets, satirische oder parodistische Züge, prägnant gestaltete Melodien und sie verwenden Mittel der modernen amerikanischen Tanz- und Unterhaltungsmusik und des Jazz. Um 1940 begann die Zeit des Musical play, das die Handlungsthematik erweiterte und sich auch seriösen Gegenständen zuwandte. Allmählich setzt sich der Terminus Musical als Gattungsname und Oberbegriff durch. In den 1960er Jahren zeichnet sich einerseits eine zunehmende Perfektionierung des Aufführungsstils ab, andererseits wird auch eine Stilisierung und Überwindung des realistischen Darstellungsstils angestrebt.

Die Klassiker des Genres Musical entstammen vorwiegend den 1940er und 1950er Jahren, ein Zeitraum, der als das "goldene Zeitalter" des Broadway-Musiktheaters gilt.

Das amerikanische Musical wurde vor allem in England beliebt, wo sich bald eine eigene Musical-Tradition herausbildete.