Senones

Voltaire in Senones

Senones, Das Benediktinerkloster

1754 arbeitet Voltaire im Benediktinerkloster von Senones in der berühmten Bibliothek des Klosters an seinem Essai sur les moeurs. Seine Entgegnung auf Vorwürfe, daß er sich durch den Aufenthalt in einem Kloster mit dem Feind einlasse:

Es ist eine recht gute Kriegslist, zu seinen Feinden zu gehen, um sich mit Geschützen gegen sie zu versehen.

Der Prior Dom Calmet (1672 - 1757) war Humanist, Historiker Lothringens, großer Büchersammler (jährlich kamen 1000 Bücher nach Senones) und mit der Familie du Chatelet, deren Familiengenealogie er erstellt hatte, freundschaftlich verbunden, dadurch Voltaire seit langem bekannt und von ihm geschätzt.

Senones war zu dieser Zeit Hauptstadt eines seit 1751 unabhängigen Staates, des Fürstentums von Salm-Salm, das sich zwischen Frankreich und Deutschland, selbst in viele Kleinstaaten zersplittert, geschoben hatte. Seine Herrscher, die Grafen von Salm, hatten dem Kloster die Besitzrechte und die Rechtsprechung nach und nach entrissen und sich von dem, was dieses kleine Ländchen hergab, Schlösser, Bildersammlungen und ein luxuriöses Leben verschafft.

Senones, Studien

1754 9. Juni
Voltaire kommt aus Colmar über St. Dié ins Benediktinerkloster nach Senones und arbeitet dort in der berühmten Bibliothek des Klosters an dem  Essai sur les moeurs.

1754, 2. Juli
 
Abreise in den Kurort Plombières les Bains

Nach seinem Aufenthalt in Senones schreibt Voltaire diesen Dankesbrief an den Abbé Dom Calmet

A Plombières, le 16 juillet. 

Monsieur,

den Brief, mit dem sie mich ehren, vermehrt noch mein Bedauern, ihre ehrwürdige und liebenswerte Einsamkeit verlassen zu haben. Ich fand bei Ihnen obendrein mehr Hilfe für meine Seele als ich sie in Plombières für meinen Körper finde. Ihre Werke und Ihre Bibliothek haben mehr zu meiner Bildung beigetragen als die Wasser von Plombières zu meiner Gesundheit. Man führt hier übrigens ein etwas bewegtes Leben, was mir die glückliche Ruhe noch wertvoller macht, die ich mit Ihnen genossen habe. Ich habe mir die Freiheit genommen, einige Bücher von englischen Wissenschaftlern für Ihre Bibliothek reservieren zu lassen; aber man hat Debure nur Bücher in englischer Sprache gesandt. Ich habe angewiesen, daß man ihnen lateinische Übersetzungen beigibt. Es sind wenigstens seltene Bücher, die in einer Bibliothek wie der Ihren sehr viel besser aufgehoben sein werden als bei einem Privatmann. Sie können in der schönen Sammlung, die sie haben, ja alles gebrauchen. Ich wünsche Ihnen eine bessere Gesundheit als die meine, daß die Zahl Ihrer Tage denen Ihres Ruhmes entsprechen möge und den Diensten, die Sie all denen zukommen ließen, die gekommen waren, um sich bei Ihnen zu informieren. Ich bleibe mein ganzes Leben  in der achtungsvollsten und zärtlichsten Verbundenheit, Monsieur, Ihr 
Voltaire.

Senones, zwei Besuche (2001, 2017)

Senones ist heute ein von allen Hauptverkehrswegen abgeschnittener, liebenswert-romantisch im frühen 20. Jahrhundert stehengebliebener Ort. Sein Kloster kennt nur noch wenig von der alten, glorreichen Zeit, wo die Mönche über Tod und Leben entscheiden durften. Die Revolution hat mit dem Kirchenbesitz und der Mönchsherrschaft Schluß gemacht. Noch 2001 war eine Fabrik in dem Gebäude untergebracht, die Bibliothek war und ist längst verlassen,  die Bücher sind lange schon in das nahe Épinal gebracht worden. Die Restaurierungsarbeiten haben die Bauschäden (2017) beseitigt, einige kleinere Firmen sind eingezogen und ein Veranstaltungsraum wurde eingerichtet. In der großen Klosterkirche hatte noch 2001 irgendein in der Tradition Dom Calmets stehender Geistlicher als Andenken an den Besuch Voltaires das Faksimile seines handschriftlichen Briefes an Dom Calmet ausgehängt, 2017 ist er nicht mehr vorhanden. Die Erinnerung an die von den deutschen Besatzern ermordeten Einwohner wahrt nach wie vor eine Gedenktafel am Eingang des Klosters.

In den Mauern dieses Klosters wurden
Am 5. Oktober 1944
384 Einwohner von Senones,
Vieux-Moulins und Ménil
Auf Befehl der Gestapo festgehalten
Ihren Familien entrissen
Angeklagt des Widerstandes
Einige erlitten grausame Folterungen
Bewundernswert durch ihre stolze Haltung
Und ihren Mut wurden sie alle deportiert
am 6. Oktober 
In die deutschen Vernichtungslager 
245 von ihnen kamen nicht zurück
Vergessen wir nicht
Ihr langes und schmerzensreiches Martyrium
Und vereinigen wir uns in unserem
Sie ehrendenen Angedenken.

6. Oktober 1945