Das Marquisat

Das Marquisat

Skizze des Bauplans (Aquarell nach J.A. Euler 1749)

Das nach dem Marquis d'Argens benannte Marquisat war eine kleine Gartenvilla mit grossem, parkähnlichen Garten vor dem Brandenburger Tor Potsdams.  Das heute nicht mehr existierende Marquisat hatte Prinz Friedrich Wilhelm von Brandenburg-Schwedt (1714-1744), vermutlich nach Plänen von Knobelsdorffs, zwischen 1740 und 1744 errichten lassen. Ein Jahr nach Fertigstellung von Schloss Sanssouci erwarb es Friedrich II und schenkte es seinem Freund, dem Marquis d'Argens. Das Gebäude war einstöckig, hatte nach dem Grundriss einen Eingangssalon und davon abgehend, 2 Zimmer. Man konnte von innen über eine Wendeltreppe auf das Dach gelangen und den wunderschönen Blick über die Havellandschaft geniessen.

Von März bis August 1751 wohnte Voltaire im Marquisat. Er hatte sich mit Friedrich in der Staatsanleihen-Affäre überworfen und nutzte das Marquisat als Rückzugsort, fussläufig zu den königlichen Schlössern.

Hier die Lage des Marquisats (roter Pfeil) an der Havel, neben dem Dampfhaus im türkischen Stil ('Moschee') auf dem zugegeben unscharfen Stadtplan von Potsdam - in Luftlinie zum Schloss dürften es ca. 1,5 km sein:

Links/Sekundärliteratur zum Marquisat

(wir bedanken uns bei Frau Gabriele Fairon für die wertvollen Hinweise zur Geschichte des Marquisat)

o Seligo, Das Marquisat in der Brandenburger Vorstadt von Potsdam, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Potsdams, Nr.89 LXXXIX (1866), S.80-- 91

o Ausstellungskatalog Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff : 1699 – 1753, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Berlin-Brandenburg 1999, S. 107ff

o Hohenstein, Erhart, 3 teilige Artikelserie zum Marquisat 1994 Potsdamer neue Nachrichten, 23.12.,31.12.1994, 6.1.1995 und ders., 'Lessing ist sieben Wochen in Potsdam gewesen',

o Wernicke, Thomas, 'Marquisat' an der Havelbucht, Märkische Volksstimme, 21.11.1987

Kurze Geschichte des Marquisat

Ausschnitt aus einem Ölgemälde von Dubois 1747, Schloss Sanssouci. Links außen sieht man das Marquisat

Die Brandenburger Vorstadt, wo das Marquisat lag, war im 18. Jahrhundert eine idyllische Gartenlandschaft, bis dann Ende des Jahrhunderts das Gelände durch seine Nähe zur Havel für Manufakturen und Industrieunternehmen interessant wurde. Aus Urkunden diverser Kaufverträge erhält man zu den Anfängen des Marquisats folgende Daten (Seligo,Mitteilungen)

19.September 1748 Markgraf Karl tauscht seinen Garten mit Friedrich II gegen einen Zug preußischer Pferde, 1.Oktober 1748 Friedrich II schenkt den Garten dem Marqis d'Argens zur freien Verfügung, 26.September 1749 verschenkt d'Argens einen Teil des Grundstücks an den Windmüller Stolpe ,27.Mai 1750 Baurechnung deutet auf Umbaumaßnahmen am Marquisat hin, vielleicht die zweiflügelige Erweiterung, über d'Argens in einem Brief berichtet, 9.Juni 1752 Marquis d'Argens verkauft das restliche Grundstück an den Kabinettsrat Eichel, 25.März.1768 Leinwandfabrikant Fischer erwirbt von Kabinettsrat Eichel den Garten mit Wohnhaus für 4500 Thaler.

Marquis d'Argens hat das Gebäude also schon 4 Jahre nach der Schenkung wieder abgegeben. Er schreibt in seinen Memoiren, die eine Veröffentlichung in deutscher Sprache mindestens ebenso verdient hätten, wie die Casanovas, dass Friedrich die Wände in den Räumen vor der Übergabe an d'Argens mit Szenen aus dessen Leben dekorieren liess, um ihn zu verspotten. Vielleicht hat d'Argens das Gebäude deshalb schon nach vier Jahren wieder verkauft - wahrscheinlicher ist, daß es an der insgesamt problematischen Beziehung zu Friedrich lag, von dem d'Argens finanziell vollkommen abhängig war.

Über den Aufenthalt Voltaires vom 6. März 1751 bis Ende Juli wissen wir einiges aus seinen Briefen. Ihm scheint es dort einerseits ganz gut gefallen zu haben, denn die Abgeschiedenheit lässt ihm Raum für die Arbeit an seinem Werk Le siècle de Louis XIV und für ein wenig Privatleben. Andererseits ist ihm klar, daß die Lage gefährlich werden könnte, wenn er Friedrichs Gunst nicht wiedererlangte. Deshalb gibt es aus dieser Zeit äußerst unwürdige und kriecherische Briefe von Voltaire an den König. Ansonsten kümmert sich Voltaire um die Angelegenheiten der Comtesse de Bentinck, die man nach ihrer Scheidung um Hab und Gut gebracht hat.

Das Marquisat nach 1945

Nach 1945 stand an der Stelle des Marquisats ein großes Wohnhaus und zu DDR Zeiten erinnerten, zumindest bis zum Abriss des Gebäudes, zwei Gedenktafeln an die berühmten Bewohner, Lessing und Voltaire. Man kann die Tafeln auf dem Photo hier ganz gut erkennen (Märkische Volksstimme,1987):
 
Im April 1975 wird das Gelände am Havelufer einer umfangreichen Neugestaltung unterzogen. Das Haus mit den beiden Gedenktafeln wird abgerissen, an die Stelle der alten Bebauung soll ein Park und eine große Wohnanlage an der Leninallee/Werner Külzstrasse kommen. 1978 war die Neugestaltung abgeschlossen. Bis das fertig geplante Marquisat-Denkmal aufgestellt wurde, dauerte es bis 1991, nur die Strassen hiessen jetzt Zeppelinstrasse und Breite Strasse.

In einer hübsch angelegten Ecke des Parks erinnerten jetzt zwei Säulen mit zwei darauf montierten Bronzetafeln (man sieht sie gut auf dem Photo, das uns der Potsdamer Künstler Rainer Sperl freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat) an das früher hier stehende Marquisat und an die beiden berühmten Bewohner.

Kurze Zeit später wurde das Denkmal von Unbekannten beschmiert und verwüstet. Seitdem warten die beiden Säulen und der verwaiste Platz auf die gesäuberten oder erneuerten Tafeln. 20 Jahre danach hat es beim Kulturamt der Stadt noch niemand für nötig befunden, hier zumindest den früheren Zustand wieder herzustellen. Ein Zeitungsartikel in den Potsdamer Neuesten Nachrichten zu diesem Thema aus dem Jahr 1995 wies bereits auf den Missstand hin und zeigte ein Photo des geschändeten Denkmals:

Marquisat Denkmal zerstörtDie abgerissenen Bronzetafeln müsse man wohl in der Havelbucht suchen, meint der Autor Ehrhart Hohenstein am Ende seiner informativen 4 teiligen Artikelserie über die Geschichte des Marquisat und seiner Bewohner. Und: "Das Andenken Voltaires wird in seinem einstigen Aufenthaltsort immer noch recht stiefmütterlich behandelt". Daran hat sich bis heute (2015) nichts geändert.