Philosophisches Taschenwörterbuch:
Luxe – Luxus (Inhaltsangabe)

Der Artikel ist ersichtlich gegen die christliche Enthaltsamkeitslehre und ihren Hass auf alles, was Spaß und Freude bereitet, gerichtet. Voltaire meint, dass sie damit die menschliche Natur selbst bekämpft: „All diese Predigten reduzieren sich darauf, zu zeigen, dass ein Dieb niemals das Abendessen, das er nahm, essen dürfe, noch die geraubte Kleidung tragen, noch sich mit dem gestohlenen Ring schmücken dürfe. Man soll – sagt man – alles in den Fluss werfen, wenn man als ehrlicher Mensch leben will – sagt doch lieber, dass man nicht stehlen soll! Verurteilt die Straßenräuber, wenn sie rauben, aber behandelt sie nicht als Dummköpfe, wenn sie genießen.“ Luxus ist für Voltaire das, was jenseits der Mühen des Alltags unser Leben lebenswert macht und ist Voraussetzung einer humanen Gesellschaft. Um davon richtig viel zu bekommen, muss eine Gesellschaft groß genug sein (sonst reicht der ‚Überschuß’ nicht aus, so der Gedanke, um große Philosophen, Künstler Schriftsteller oder auch Wissenschaftler hervorzubringen). Er schließt seinen Artikel mit einer vollen Breitseite gegen die christlichen Philister und ihre Würdenträger: „Als man die Schere erfand, und das war gewiss nicht im finstersten Altertum, was sagte man da nicht alles gegen die ersten, die sich die Nägel schnitten und den Teil der Haare, der ihnen bis über die Nase hingen? Man behandelte sie zweifellos als Angeber und Aufschneider, die sich für viel Geld einen Gegenstand der Sünde kauften, um das Werk des Schöpfers herabzusetzen. Welch ungeheure Sünde, die Nägel zu kürzen, die Gott am Ende der Finger wachsen lässt. Das war Gotteslästerung. Noch schlimmer war es, als man Hemden und Socken erfand. Man weiß, mit welchem Hass die Räte, die solches nie getragen hatten, gegen junge Magistrate hetzten, die sich in diesem verderblichen Luxus zeigten.“

Philosophisches Taschenwörterbuch:
Âme-Seele (Inhaltsangabe)

Natürlich steht der Luftikus der ‚Seele‘, als zentrales Konzept des Christentums am Anfang des Philosophischen Wörterbuchs, direkt nach dem Artikel über Abraham, den Gründervater, dessen Geschichte Voltaire genüßlich zerpflückt.

Voltaire, seiner Devise folgend, fragt erst einmal nach dem, was wir selbst wissen können, wenn wir über die Seele sprechen und findet, daß dieser Begriff äußerst inhaltsleer ist, oft nur ein anderes Wort für Leben oder Geist.

Was wissen wir also über die Seele, was bedeutet der Begriff?:

Könnte man in die eigene Seele blicken, wäre dies eine gute Sache. ‚Erkenne Dich Selbst“ ist eine vortreffliche Verhaltensregel, aber nur Gott vermag sie anzuwenden, denn wer außer ihm wäre in der Lage, sein eigenes Wesen zu erkennen? ‚Seele’ nennen wir, was mit Leben erfüllt. Mehr wissen wir, weil unser Verstand beschränkt ist, leider nicht. Drei Viertel der Menschheit geht darüber nicht hinaus und hat an der Seele kein Interesse, das andere Viertel sucht und findet nichts, noch wird jemals irgend jemand etwas finden.

Voltaire lässt auf diesen Hinweis eine harsche Kritik an den Philosophen folgen: sie erfinden immerzu Begriffe, die mehr verdecken als erklären, so wie ‚Wachstum‘, ‚Kraft‘,  oder ‚Instinkt‘. Und da zur Seele nicht das Geringste bekannt ist, haben sie den Begriff zergliedert (nach der Regel: ‚Man muss das differenziert sehen‘), aber dabei nicht mehr herausgefunden, im Gegenteil. Wenn man aber nichts über die Seele weiß, wie konnten dann die Alten an einem solchen Begriff festhalten? Und erst die Kirchenväter! Auch die Juden des Alten Testaments haben die Seele, das zeigen die fünf Bücher Mose, nicht gekannt.

Ist die Seele materiell oder immateriell? Wie wirkt die Seele (als eine unbekannte Kraft, zu fühlen und zu denken) auf den Körper ein? Offenbar findet sie an den inneren Organen wie dem Magen ihre Grenze, ihnen vermag sie nichts zu befehlen („doch befiehlt sie ihrem Herzen nicht, zu schlagen…“).

Der Artikel schließt:

Erst seit 1700 Jahren ist man sich der Existenz der Seele und der Unsterblichkeit gewiss. Cicero hatte nur Vermutungen, seine Enkel konnten die Wahrheit von den ersten Galiläern, die nach Rom kamen, erfahren. Aber vor dieser Zeit und auch danach sagte jedermann auf der ganzen übrigen Welt dort, wo die Apostel nicht hinkamen, zu seiner Seele: „Wer bist du, woher kommst du, was tust du, wohin gehst du?“ Du hast etwas an dir, das denkt und fühlt, aber auch wenn du hunderttausend Millionen Jahre fühlst und denkst, wirst du doch niemals aus eigener Erkenntnis, ohne die Hilfe eines Gottes, mehr darüber wissen können. Oh Mensch, dieser Gott hat dir den Verstand gegeben, damit er dich gut leite, aber nicht, damit du in das Wesen der Dinge vordringst, die er geschaffen hat.

Wenn Voltaire uns rät, dass man nicht „in das Wesen der Dinge eindringen soll“, nachdem er gezeigt hat, dass dem Luftikus ‚Seele‘ in der Realität nichts entspricht, was über die Begriffe ‚Denken‘ und ‚Fühlen‘ hinausgeht, ist die Ironie in seinem Ratschlag unverkerkennbar. Warum hält man an dem Begriff so eisern fest? Voltaires Schlußsatz identifiziert den Begriff vollends als kirchliche Erfindung, an die man nur glauben kann, wenn man den Verstand abschaltet. Das ist seine Funktion, seine raison d’être.